CDU:Wolfgang Schäuble ist tot - Steinmeier ordnet Staatsakt an

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Berlin, 12.04.2019: Der damalige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. (Foto: Regina Schmeken/SZ Photo)

Der frühere Bundestagspräsident sei zu Hause friedlich eingeschlafen, teilt die Familie mit. Schäuble war einer der einflussreichsten Politiker der vergangenen Jahrzehnte.

Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble ist tot. Der CDU-Politiker sei im Kreise seiner Familie zu Hause am Dienstagabend gegen 20 Uhr friedlich eingeschlafen, teilte die Familie mit. Sein Bundestagsbüro bestätigte den Tod. Schäuble wurde 81 Jahre alt.

Zum Gedenken an Schäuble ordnete Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier einen Staatsakt an. Das teilte das Bundespräsidialamt mit. Ein Termin wurde bislang nicht genannt. Den Angaben zufolge wird der Bundestag den Staatsakt ausrichten.

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Kanzleramtsminister, Innenminister, Finanzminister, CDU-Chef, Bundestagspräsident - und mehr als fünfzig Jahre lang Abgeordneter. Wolfgang Schäuble war ein Machtmensch, der lernen musste, die Macht anderer zu ertragen.

Von Heribert Prantl

Schäuble wurde am 18. September 1942 in Freiburg geboren. Er studierte Jura, es zog ihn aber früh in die Politik. Er trat 1965 in die CDU ein. Schäuble war in seiner langen politischen Laufbahn Minister, CDU-Chef, Fraktionsvorsitzender und Präsident des Deutschen Bundestages. Niemand gehörte dem Parlament länger an als er. Mehr als ein halbes Jahrhundert saß Schäuble im Deutschen Bundestag. Seit 1972 gewann er seinen Wahlkreis im badischen Offenburg immer direkt. Bis zu seinem Tod gehörte er dem Parlament ohne Unterbrechung an. Noch vor wenigen Wochen war er in den Gängen des Reichstagsgebäudes zu sehen.

Mit dem Namen Schäuble sind Jahrzehnte deutscher Politik verbunden. Unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) war er zunächst Chef des Bundeskanzleramtes und Bundesminister für besondere Aufgaben, von 1989 bis 1991 Bundesinnenminister. Schäuble handelte nach dem Mauerfall in der DDR den Einigungsvertrag mit aus.

Hinter den Kulissen hatte sein Wort stets Gewicht

Nach dem Attentat eines geistig verwirrten Mannes auf ihn im Oktober 1990 saß Schäuble im Rollstuhl, seine politische Karriere ging aber weiter. Von 1991 bis 2000 führte er die CDU/CSU-Bundestagsfraktion und sicherte bis 1998 Kohls Regierungsmacht ab. Dieser sah ihn als seinen Wunschnachfolger an der Spitze der Bundesregierung vor. Doch dazu sollte es nicht kommen. Nach dem Machtverlust der Union 1998 wurde Schäuble im Zuge der Neuaufstellung der CDU Parteichef. Angela Merkel wurde Generalsekretärin.

Schon bald danach erschütterte eine Spendenaffäre die CDU. Sie kostete Kohl den Ehrenvorsitz, die Turbulenzen erfassten aber auch Schäuble. Unter dem Druck immer neuer Enthüllungen über eine Barspende in Höhe von 100 000 Mark von Waffenhändler Karlheinz Schreiber gab Schäuble im Februar 2000 den Vorsitz von Partei und Fraktion auf.

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Es kam zum Bruch mit seinem einstigen Freund und Förderer Kohl. Der Riss ließ sich nie wieder kitten. Schäubles jüngerer Bruder Thomas sagte dazu später: "Ich verabscheue Herrn Kohl. Und ich kann da für die ganze Familie sprechen."

Zwar war Schäuble nur kurz Parteichef, sein Wort hatte in der Partei jedoch noch Jahrzehnte großes Gewicht. Nach Schäubles Rücktritt wurde Merkel Parteichefin und machte ihn 2005 als Kanzlerin zum Innenminister, vier Jahre darauf zum Finanzminister. Das Amt hatte Schäuble zwei Wahlperioden inne, er schaffte die "schwarze Null", also einen Bundeshaushalt ohne neue Schulden.

In der Griechenland-Krise traten 2012 unterschiedliche Meinungen zwischen Schäuble und Merkel zutage. Während die Kanzlerin am EU-Rettungsplan festhielt, hielt der Finanzminister eine Staatspleite Griechenlands für kaum vermeidbar. Merkel hielt aber an ihrem Finanzminister fest, auch als er bei einem Krisentreffen zur Euro-Rettung aus gesundheitlichen Gründen ausfiel.

Die damalige Kanzlerin Angela Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble 2014 im Bundestag. (Foto: Hannibal Hanschke/REUTERS)

Trotz gelegentlicher Differenzen war Schäuble loyal zu Merkel. Am Ende ihrer Amtszeit würdigte er ihre Bescheidenheit, ließ aber auch durchblicken, dass er sich gelegentlich entschlossenere Führung gewünscht hätte.

Zwei große Herausforderungen als Bundestagspräsident

Nach der Bundestagswahl 2017 wurde Schäuble als Nachfolger von Norbert Lammert zum Bundestagspräsidenten gewählt, das zweithöchste Amt im Staat. Das höchste Amt im Staat, das des Bundespräsidenten, blieb Schäuble verwehrt. Es fehlte wohl auch die nötige Unterstützung Merkels.

Als Bundestagspräsident stand Schäuble zwei großen Herausforderungen gegenüber. Beim Umgang mit einer starken AfD-Fraktion wählte er klare Worte, aber keinen allzu rauen Ton. Erfolglos blieb sein Bemühen um eine Wahlrechtsreform, um die weitere Aufblähung der Abgeordnetenzahl zu verhindern. Er scheiterte im Wesentlichen an den eigenen Reihen. Inzwischen hat die Ampelkoalition ein neues Wahlrecht beschlossen.

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In der Union ist die Trauer und die Betroffenheit groß. Auch über die Parteigrenzen hinaus gibt es Respekt und Anerkennung für Schäubles Arbeit.

Nach der von der Union verlorenen Bundestagswahl 2021 zog sich Schäuble aus den Führungsgremien zurück. Im Bundestag wurde die SPD-Politikerin Bärbel Bas Präsidentin, Schäuble war nun einfacher Abgeordneter. Als Alterspräsident - der Abgeordnete mit den meisten Dienstjahren - warb er für offenen Diskurs und selbstbewusste Abgeordnete. Schäuble sah sich als "Parlamentarier mit Leib und Seele", wie er selbst einmal sagte.

In seiner Partei zählte Schäuble zu den konservativen Politikern. Dennoch rief er die CDU früher als andere zur Offenheit für Bündnisse mit den Grünen auf. Schon 2007 sagte er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: "Schwarz-Grün ist nicht unser Wunsch, aber eine Option für die Union." Im Ringen um die Kanzlerkandidatur 2021 schlug sich Schäuble auf die Seite des damaligen CDU-Chefs Armin Laschet und stellte sich gegen CSU-Chef Markus Söder. Laschet verlor die Wahl deutlich.

Auch im Privaten spielte bei Schäuble oft die Politik eine Rolle. Schon Vater Karl Schäuble war CDU-Politiker und gehörte dem Badischen Landtag an. Schäubles bereits verstorbener jüngerer Bruder Thomas war 13 Jahre Landesminister in Baden-Württemberg. Der CDU-Spitzenpolitiker Thomas Strobl war Schwiegersohn von Wolfgang Schäuble, Tochter Christine, die ARD-Programmdirektorin, Strobls Ehefrau. Schäuble hinterlässt insgesamt vier Kinder und Ehefrau Ingeborg, mit der er seit 1969 verheiratet war.

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