Bundestag:Steinmeier unterschreibt das neue Wahlrecht

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Verfassungsrechtlich hat er an dem Gesetz nichts zu beanstanden - gleichzeitig aber findet Frank-Walter Steinmeiers Bundespräsidialamt es "bedauerlich", dass es keinen "breiteren politischen Konsens" für die Wahlrechtsreform gab. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Der Bundespräsident ignoriert damit Aufforderungen der CSU und der Linken. Das Parlament wird jetzt von 736 auf 630 Abgeordnete verkleinert.

Von Robert Roßmann, Berlin

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am Donnerstag das Gesetz zur Änderung des Wahlrechts unterschrieben, die Reform kann damit in Kraft treten. Steinmeier ignorierte Aufforderungen der CSU und der Linken, das Gesetz nicht auszufertigen - die beiden Parteien halten es für verfassungswidrig. Das Grundgesetz sieht vor, dass der Bundespräsident vor der Unterzeichnung von Gesetzen in jedem Fall prüfen muss, ob ein Gesetz nach den Verfahrensregeln der Verfassung zustande gekommen ist. Das ist in diesem Fall unstrittig. Außerdem hat er nach allgemeiner Auffassung auch ein materielles Prüfungsrecht und kann die Unterzeichnung verweigern, wenn er der Meinung ist, dass ein Gesetz inhaltlich nicht mit der Verfassung vereinbar ist. Da das Wahlrecht mit Ausnahme der Wahlrechtsgrundsätze jedoch nicht im Grundgesetz geregelt ist, war der Spielraum Steinmeiers hier klein.

Das Bundespräsidialamt wies am Donnerstag darauf hin, dass mit der Unterzeichnung des Gesetzes keine politische Einschätzung des neuen Wahlrechts verbunden sei. Gleichzeitig betonte das Amt, dass das Wahlrecht "die demokratische Legitimation der Machtausübung" regele, weshalb "das Vertrauen in die überparteiliche Fairness der Regeln von überragender Bedeutung" sei. Zu den demokratischen Traditionen der Bundesrepublik Deutschland gehöre es, Änderungen mit einer möglichst breiten Mehrheit vorzunehmen. Es sei deshalb "bedauerlich", dass es den im Bundestag vertretenen Parteien weder in der letzten noch in der aktuellen Legislaturperiode gelungen sei, "für eine Reform des Wahlrechts einen breiteren politischen Konsens zu erreichen".

Künftig zieht nicht mehr jeder Wahlkreissieger in den Bundestag ein

Der Bundestag hatte das neue Wahlrecht im März mit der Mehrheit der Ampelfraktionen beschlossen. Die Koalition will damit das Parlament von derzeit 736 auf 630 Abgeordnete verkleinern. In den vergangenen zwanzig Jahren ist der Bundestag immer größer geworden. Das lag an den Überhang- und Ausgleichsmandaten. Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate gewinnt als ihr Sitze nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen. Damit die anderen Parteien dadurch nicht benachteiligt werden, gibt es seit der Bundestagswahl 2013 auch Ausgleichsmandate. Die Ampelkoalition schafft diese Überhang- und Ausgleichsmandate jetzt ab. Dadurch kann es aber passieren, dass ein Kandidat, der die meisten Stimmen in einem Wahlkreis erzielt, trotzdem nicht in den Bundestag einziehen darf.

Außerdem hat die Ampelkoalition kurz vor der Verabschiedung der Reform in ihren Gesetzentwurf die Streichung der sogenannten Grundmandatsklausel aufgenommen. Sie sah vor, dass eine Partei, die an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert, aber mindestens drei Direktmandate gewinnt, trotzdem entsprechend ihrem Zweitstimmenergebnis in den Bundestag einziehen darf. Von dieser Regelung hat bei der vergangenen Bundestagswahl die Linke profitiert. Die Klausel war außerdem eine Art Überlebensversicherung für die CSU. Sie hatte bei der letzten Bundestagswahl zwar 45 der 46 bayerischen Wahlkreise gewonnen, war bundesweit aber nur auf 5,2 Prozent gekommen.

Der Streit über die Wahlrechtsreform ist mit der Unterschrift des Bundespräsidenten nicht beendet. CSU und Linke haben - wie die Unionsfraktion und die bayerische Staatsregierung - bereits angekündigt, gegen die Reform beim Bundesverfassungsgericht klagen zu wollen.

CSU will "umgehend" Klage in Karlsruhe einreichen

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, er "bedaure, dass der Bundespräsident seine Möglichkeiten nicht genutzt hat, auf ein faires und verfassungskonformes Wahlrecht hinzuwirken". Die Klage gegen "dieses Respektlos-Gesetz und diese Wahlrechtsmanipulation der Ampel" werde deshalb umgehend eingereicht. Dobrindt beteuerte, auch die CSU sei "für die Reduzierung der Größe des Bundestags". Wenn das Verfassungsgericht entschieden habe, stehe man deshalb "für neue Gespräche zu einer demokratischen Reform des Wahlrechts zur Verfügung".

Die Linke wirft Steinmeier vor, "komplett versagt" zu haben

CSU-Generalsekretär Martin Huber klagte, Steinmeier unterstütze mit seiner Unterschrift ein Wahlrecht, das den Wählerwillen missachte und Bayerns Wähler benachteilige. Jan Korte, der parlamentarische Geschäftsführer der Linken, warf Steinmeier sogar vor, "komplett versagt" zu haben. "Gerade in einer Situation, in der drei Regierungsparteien zwei Oppositionsparteien mittels Wahlrecht aus dem Parlament bekommen wollen", wäre der Bundespräsident als Kontrollinstanz wichtig gewesen, twitterte Korte.

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Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, sagte dagegen, die Unterschrift des Bundespräsidenten unter die Wahlrechtsreform beende "die Blockade der Union" bei diesem Thema. Die Ampel-Koalition habe "die Kraft zum Fortschritt und die Einigkeit, die politischen Verkrustungen aufzubrechen," gezeigt: "Wir verkleinern den Bundestag - effektiv, transparent und rechtssicher." Er sei sehr froh, dass man nach zehnjähriger Diskussion nun "zu diesem erfolgreichen Abschluss gekommen" sei. Mit der Verkleinerung des Bundestages entspreche man "dem deutlichen Wunsch der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land".

Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Till Steffen, der die Wahlrechtsreform für seine Partei verhandelt hat, sagte, er habe "keine Zweifel gehabt, dass die Prüfung des Bundespräsidenten positiv ausfällt". Die Ampel habe "das Gesetz sorgfältig ausgearbeitet". Die Wahlreform sei "verfassungsgemäß, nun tritt sie endlich in Kraft".

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