Mohammed bin Salman ist wieder in Europa, zum zweiten Mal binnen Jahresfrist. Der saudische Kronprinz und Premier - nach 2018 eine Zeit lang international geächtet wegen seiner mutmaßlichen Verantwortung für den Mord an dem kritischen saudischen Publizisten Jamal Khashoggi - steht längst wieder auf der internationalen Bühne, als wäre nichts geschehen. Sein Land ist schlicht zu reich und zu wichtig, um es zu ignorieren, so die Überlegung in westlichen Hauptstädten, wo man auch besorgt die Hinwendung Saudi-Arabiens zu China beobachtet.
Zentrale europäische Anlaufstelle für die Saudis ist und bleibt Frankreich. Nach einem kurzen Arbeitsessen mit Präsident Emmanuel Macron im vergangenen Juli, damals noch unter lautem Protest von Menschenrechtlern, kehrt MbS, wie Mohammed bin Salman oft genannt wird, nun zurück nach Paris. Mehr als eine Woche hält sich der wichtigste Mann des Golf-Königreichs in der französischen Hauptstadt auf.
In Paris will Mohammed bin Salman möglichst viele Staatenlenker treffen
An diesem Freitag wird er Macron treffen. Die Themen, laut Élysée: bilaterale Beziehungen, die Lage in Nahost, "die großen internationalen Fragen", insbesondere der Krieg in der Ukraine, sowie der Finanzgipfel in der kommenden Woche, zu dem Macron Regierungschefs aus vielen Ländern eingeladen hat, auch Bundeskanzler Olaf Scholz. Daneben wird MbS an der Flugschau in Le Bourget teilnehmen, dem ersten Flug einer Maschine seiner neuen nationalen Fluggesellschaft Riyadh Air beiwohnen und möglicherweise einige Bestellungen bei Airbus verkünden.
Im Zentrum des Aufenthalts steht laut französischen Medienberichten aber etwas anderes: MbS wolle in Paris, begleitet von mehreren Ministern, möglichst viele Staatenlenker treffen, um für die Vergabe der Weltausstellung 2030 an sein Land zu werben. 2030 ist etwa der Zeitrahmen, innerhalb dessen er Saudi-Arabien von einem auf Öl fixierten Land zu einem Vorreiter beim ökologischen Umbau der Industriestaaten verwandeln will. MbS nimmt die Werbetour so ernst, dass er dem Vernehmen nach nicht in seinem Schloss in Louveciennes am äußersten Rand von Paris residiert, sondern in der Innenstadt.
Frankreich sieht allen Grund, die Beziehungen zu Saudi-Arabien zu pflegen. Sie seien "wechselhaft", zitiert der Figaro einen französischen Diplomaten. In Paris wird bedauert, dass Frankreich nach den USA, deren Verhältnis zu Saudi-Arabien sich erst langsam wieder verbessert, nicht mehr der privilegierte Ersatzpartner ist. Diese Rolle scheint mehr und mehr China einzunehmen. In der saudischen Hauptstadt Riad ging gerade erst der zehnte arabisch-chinesische Wirtschaftsgipfel zu Ende. In saudischen Medien wird das Zusammentreffen als "Megaevent" gefeiert, bei dem rund 3500 Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Politik aus mehr als 26 Ländern zusammenkamen - darunter die größte Delegation aus China aller Zeiten, wie Reuters berichtet.
2018 einigten sich MbS und Macron auf einen Millionendeal
Das Königreich und China kündigten Investitionsabkommen im Wert von zehn Milliarden US-Dollar an. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur SPA wurden 30 Vereinbarungen unterzeichnet, unter anderem in den Bereichen Technologie, erneuerbare Energien, Landwirtschaft, Immobilien, Bergbau, Tourismus und Gesundheitswesen. Der Gipfel ist nur ein weiteres Zeichen für die Verschiebung der Machtverhältnisse im Nahen Osten, so kurz nach dem Besuch des US-Außenministers Tony Blinken im Königreich. Kritisch beobachtet man in Paris auch die Nähe Saudi-Arabiens zu Russland sowie die Entspannung zwischen Riad und Teheran, wofür China als angeblicher Vermittler gedient haben soll.
Umso wichtiger für Macron, dass es da noch bilaterale Projekte zwischen Frankreich und Saudi-Arabien gibt, etwa im Bereich Kultur: Im April 2018 einigte er sich mit MbS auf einen Millionen-Deal. So soll die Oasenstadt Al-Ula im Nordwesten Saudi-Arabiens zwischen 1,5 und 2,5 Millionen Touristen jährlich anziehen - nach dem Vorbild der Emirate. Abu Dhabi kaufte für die Dauer von 30 Jahren für rund 700 Millionen Euro den Namen Louvre ein. In der saudischen Wüste baut der Stararchitekt Jean Nouvel nun ein Luxusressort, das bis Ende des Jahres fertig sein soll.