Russisches Militärmanöver:Moskau und Peking senden ein Signal nach Washington

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Russische Fallschirmjäger im Jahr 2016 während einer gemeinsamen Übung mit anderen Streitkräften - damals mit serbischen. (Foto: REUTERS)
  • Für ein Militärmanöver sollen laut dem russischen Verteidigungsministerium 300 000 Soldaten mobilisiert werden.
  • Dazu kommen 36 000 Kriegsmaschinen unterschiedlicher Waffengattungen, darunter allein 1000 Flugzeuge und Helikopter.
  • Kein Nato-Manöver der vergangenen Jahrzehnte hatte auch nur annähernd diese Ausmaße. Zum ersten Mal beteiligt sich China an einem Großmanöver der Russen.

Von Julian Hans, München

Der russische Verteidigungsminister Sergej Schojgu musste weit in die Vergangenheit zurückgehen, um die Maßstäbe des Manövers zu verdeutlichen, das an diesem Dienstag beginnt und bis zum Wochenende fast alle Standorte und Übungsplätze östlich des Urals einbeziehen wird. Die Großübung namens Wostok-18 sei "beispiellos" sowohl in Hinsicht auf die räumliche Ausdehnung als auch was die Zahl der beteiligten Soldaten, Panzer, Flugzeuge und Schiffe betrifft und höchstens mit dem Manöver Sapad-81 zu vergleichen. "Möglicherweise" werde das historische Vorbild "in einigen Aspekten sogar übertroffen", sagte Schojgu Ende August zu russischen Nachrichtenagenturen.

Sapad-81 war das größte Manöver, das die Sowjetunion in ihrer Geschichte je durchgeführt hat. Die Übung erfasste 1981 auch Staaten Osteuropas und bezog die Partner des Warschauer Paktes ein.

In diesem Jahr sollen laut dem russischen Verteidigungsministerium 300 000 Soldaten mobilisiert werden, dazu 36 000 Kriegsmaschinen unterschiedlicher Waffengattungen, darunter allein 1000 Flugzeuge und Helikopter; beteiligt sind auch die russische Pazifikflotte, die Nordmeerflotte und die Luftlandetruppen. Zum Vergleich: Die Bundeswehr beschäftigt derzeit 180 000 aktive Soldaten. Kein Nato-Manöver der vergangenen Jahrzehnte hatte auch nur annähernd diese Ausmaße. Bei Trident Juncture sollen Ende Oktober in Norwegen 40 000 Nato-Soldaten üben, damit zählt das Manöver schon zu den größten der Nato seit dem Kalten Krieg.

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Verteidigungsexperten halten die Zahlen zwar für übertrieben. Damit würde ein Drittel der gesamten russischen Streitkräfte in Bewegung gesetzt, merkt etwa der Moskauer Publizist Alexander Golts an. Außerdem seien im Osten des Landes gar nicht so viele Maschinen stationiert, wie vorgeblich eingesetzt würden. "Der Versuch, eine so große Zahl von Militärtechnik aus dem europäischen Teil Russlands zu verlegen, würde alle Transportwege über Wochen blockieren", schrieb Golts in einem Beitrag für das Portal ej.ru. Da Wostok-18 ("Osten-18") hinter dem Ural stattfindet, fällt es nicht in den Geltungsbereich der OSZE, und Russland ist nicht verpflichtet, Beobachter der Organisation einzuladen. Gleichwohl habe Russland die Nato im Mai über die Pläne informiert und freiwillig Militärattachés von Nato-Mitgliedsstaaten eingeladen.

Doch es ist nicht in erster Linie die Zahl der beteiligten Soldaten und Panzer, die Experten aufmerken lässt. Zum ersten Mal beteiligt sich China an einem Großmanöver der Russen. Die Volksbefreiungsarmee schickt 3200 Soldaten, 900 Panzer, Geschütze und anderes Gerät sowie 30 Flugzeuge und Helikopter zu den Übungen im Nachbarland. Seit 2005 hatten die Chinesen bereits an einzelnen kleineren Übungen der Russen teilgenommen. Dass die Streitkräfte beider Staaten nun bei einem Manöver dieser Dimension und Bedeutung kooperieren, soll als Signal verstanden werden.

Moskau und Peking haben beide ihre eigenen Konflikte mit Washington

Im April hatte Chinas neuer Verteidigungsminister Wei Fenghe Moskau zum Ziel seiner ersten Auslandsreise gewählt. Damit solle der Welt "das hohe Niveau unserer Beziehungen und die Entschlossenheit demonstriert werden, die strategische Zusammenarbeit unserer Streitkräfte auszubauen", sagte er bei einem Treffen mit Schojgu. Sein Besuch auf einer Sicherheitskonferenz in Moskau soll "den Amerikanern die engen Verbindungen zwischen den Streitkräften Chinas und Russlands verdeutlichen". Selbst in Zeiten, als beide Nachbarstaaten zum Kommunismus strebten, war das Verhältnis eher von Misstrauen als von Kooperation geprägt. 1969 kam es sogar zu einem militärischen Konflikt um den Grenzverlauf, 90 Soldaten wurden auf beiden Seiten getötet.

Moskau und Peking haben beide ihre eigenen Konflikte mit Washington. Nachdem die USA und Europa 2014 wegen der Krim-Annexion Sanktionen gegen Russland verhängt haben, kündigte der Kreml eine Wende nach Osten an. Symbolisch dafür steht die Pipeline "Kraft Sibiriens", die vom kommenden Jahr an Gas aus dem Osten des Landes nach China exportieren soll. Die Führung in Peking will, dass die Amerikaner im Territorialkonflikt um Handelsrouten, Fischgründe und Bodenschätze im Südchinesischen Meer ihre Unterstützung für die Staaten in der Region aufgeben. Dazu kommt der von Trump entfesselte Handelsstreit.

Vor diesem Hintergrund senden beide Staaten ein Signal an Washington: Wenn ihr uns unter Druck setzt, dann drängt ihr eure Rivalen damit zu einer engeren Zusammenarbeit.

© SZ vom 11.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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