Russland:Schluss mit Karschering

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"Der Name ändert sich, die liebe bleibt": Werbebanner für die Nachfolger der früheren McDonalds-Schnellrestaurants. Dass die sich zurückgezogen haben, liegt nicht am geplanten Gesetz, sondern an Russlands Angriffskrieg. (Foto: Alexey Filippov/IMAGO/SNA)

Moskau will die russische Sprache vor ausländischen Einflüssen bewahren und Fremdwörter weitgehend verbieten.

Von Frank Nienhuysen

Die Bolschaja Dmitrowka ist eine der ältesten Straßen Moskaus, der Kreml ist ganz nah, und auch die Duma liegt gleich um die Ecke. Es gibt hübsche Häuser aus dem 18. Jahrhundert, moderne Boutiquen - und auch ein großes Ärgernis. So empfindet es jedenfalls Margarita Russezkaja, die neulich in Ruhe entlangspazierte, wo sich einst der Dichter Majakowskij und der Maler Rodtschenko kennenlernten.

Russezkaja ist Mitglied in Wladimir Putins Rat für Russische Sprache, und so ist ihr aufgefallen, dass in jener Straße ein Café "Tehnikum" heißt, das Geschäft einer Sankt Petersburger Bekleidungsfirma "Gate31", ein Schuhladen "Kicks Town" und ein Schönheitssalon "Faceology". Ein Geschäft heißt sogar "Gulyaev - made in Russia", weshalb sie im Gespräch mit der Rossijskaja Gaseta verwundert fragte, warum Letzteres denn auf Englisch stehe und nicht auf Russisch: "сделано в России"? Russezkajas Fazit: "Auf der Bolschaja Dmitrowka gibt es fast keine russischen Wörter."

Englische Begriffe zu integrieren, ist auch in Russland seit Jahren beliebt. Laik, Chipster, Bisness-Zentr, Keschbek, Messendscher, Karschering - die Globalisierung hat es möglich gemacht. Aber die Zeiten haben sich geändert. Schon vor drei Jahren hatte Präsident Wladimir Putin das Ziel ausgegeben, das Russische zu schützen und zu fördern. Jetzt wird es konkret.

Die Duma hat in dieser Woche in erster Lesung einen Gesetzentwurf angenommen, der die russische Sprache vor allzu viel ausländischem Einfluss bewahren soll. Im Kern schlägt das Gesetz vor, dass Fremdwörter in staatlichen Behörden, Gerichten, auch in Medien, Kinos und der Werbung nicht mehr verwendet werden dürfen. Es sei denn, es gibt dafür kein russisches Wort.

Der Fraktionschef der Partei Gerechtes Russland, Sergej Mironow, sagte, dank des neuen Gesetzes würden die Staatsbehörden darauf achten, dass die russische Sprache nicht von ausländischen Sprachen "verunstaltet und übernommen" werde. Mit dem Zeitgeist der Politik behauptete der Direktor der Pädagogischen Universität Moskau, Alexej Lubkow, in der Rossijskaja Gaseta: "Viele Staaten wollen ganz offen die russische Welt zerstören: die russische Sprache entwurzeln, die Kultur, die Traditionen." Dabei sind es russische Unternehmer und PR-Leute, die gern Fremdwörter übernehmen und etwa hippe Neubauten Townhouse nennen.

"Ich glaube nicht, dass sich Sprache regulieren lässt", erwidert deshalb die Wirtschaftsprofessorin Marina Koroljowa: "Sprache ist trotz allem ein Wunder, ein lebendiges System", das hätten schon große Schriftsteller und Linguisten gesagt. "Es ist wie das Wetter."

Heute ist es Englisch, zu Zarenzeiten hatte besonders das Französische als chic gegolten und großen Einfluss in Russland. Daran hat auch Margarita Russezkaja bei ihrem Spaziergang auf der Bolschaja Dmitrowka erinnert. In dem Haus, in dem jetzt das Moskauer Operettentheater ist, habe einst ein reicher russischer Kaufmann ein Geschäft besessen, mit dem Namen: "Au bon marché".

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