Russland und Belarus:Putin und Lukaschenko zählen wieder aufeinander

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Hand in Hand: der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko und Russlands Präsident Wladimir Putin am Freitag im Kreml. (Foto: Mikhail Klimentyev/AFP)

Eine gemeinsame Militärübung und ein Besuch zeigen: Der Kremlchef und der Herrscher in Belarus suchen sich vielleicht mehr denn je. Über ein ambivalentes Verhältnis.

Von Frank Nienhuysen, München

Auf Alexander Lukaschenko war Verlass. Der Herrscher aus Belarus war am Freitag in Moskau und hat seinem Gastgeber Wladimir Putin eine Art Treuebeweis mitgebracht. Die russisch-belarussischen Manöver seien eine gemeinsame Antwort auf den Westen, sagte Lukaschenko. Etwa 30 000 russische Soldaten stehen gerade auf belarussischem Gebiet, und die große Frage ist, ob sie nach Ende der Übung an diesem Sonntag auch wieder abziehen. Und falls ja, wann. Darüber wollten sie noch entscheiden. Die Ukraine befürchtet, dass die Truppen bleiben.

Putin und Lukaschenko kennen sich nun schon seit Jahrzehnten, und wenn man das derzeitige Verhältnis symbolhaft verdichten will, könnte es das freundschaftliche Eishockeymatch in Sankt Petersburg sein, kurz vor Silvester. Enge Bande mit nationalen Akzenten: Die beiden Machthaber spielten gemeinsam im Team der Weißen, auf Lukaschenkos Trikot aber war deutlich der Schriftzug Belarus zu lesen, Putins hatte die russische Trikolore als Farbe. Das Machtverhältnis wiederum drückte sich in Toren aus: Putin schoss sieben, Lukaschenko zwei.

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Zuvor hatten sie versichert, wie sehr man in schweren Zeiten einander stützt, Pandemie, Sanktionen, die Krise um die Ukraine: Der Kremlchef und der Herrscher in Belarus suchen sich vielleicht mehr denn je. Seitdem Lukaschenko rund um die Präsidentenwahl im Sommer 2020 skrupellos gegen seine politischen Widersacher und die unzufriedene Bevölkerung losschlagen ließ, hat sich das Verhältnis wieder einmal gewendet. Die EU erkannte Lukaschenkos Amtsverlängerung nicht an, also blieb ihm keine Wahl, als sich enger an Moskau zu binden. Für Putin konnte es besser gar nicht kommen.

Er kann nun die noch stärkere Abhängigkeit Minsks von Moskau nutzen. Lukaschenko erkannte kürzlich erstmals öffentlich die Annexion der Krim an, was er fast acht Jahre lang verweigert hatte. Und Lukaschenko stellte Putin nun sein Land zur Verfügung. Offiziell für das Manöver "Gemeinsame Entschlossenheit", zugleich aber konnte Russland so für die Ukraine im Norden eine weitere, dritte Bedrohungsfront aufbauen. Ein mögliches politisches Gegengeschäft dafür, dass Moskau Lukaschenko gestützt hat, als der sich mit Polizeigewalt gegen seinen Sturz wehrte. Ohne Putins Hilfe wäre Lukaschenko womöglich nicht mehr an der Macht.

Lukaschenko wollte in den Kreml

Noch bis vor zwei Jahren etwa war der belarussische Diktator in der EU wieder ein wichtiger Ansprechpartner geworden und seine Schimpfkanonaden galten eher Putin. Seit 2014 war das Verhältnis der beiden Machthaber frostig gewesen. Denn mit der Krim-Annexion und dem von Russland unterstützten Krieg in der Ostukraine begann Lukaschenko auch um die Souveränität von Belarus zu fürchten. Und damit um seine eigene Macht.

Lukaschenko kämpfte also jahrelang um politischen Spielraum. Er ging rhetorisch auf Distanz zu Putins Russland, antichambrierte im Westen, schaffte es, dass fast alle Sanktionen aufgehoben wurden, und bot sich als Vermittler im Ukraine-Konflikt an. Der Begriff Minsker Abkommen zeugt noch heute davon. Putin dagegen wollte eine engere Verflechtung mit Belarus erreichen, den auf dem Papier geschlossenen gemeinsamen Unionsstaat stärker ausfüllen. Doch immer wieder gelang es Lukaschenko auszuweichen; er konnte es sich leisten, solange er auch mit dem Westen klar kam, der ihm internationale Kredite ermöglichte. Es gibt noch immer keine gemeinsame Währung, sondern den belarussischen Rubel, es gibt bisher auch keinen russischen Militärstützpunkt in Belarus, den Putin gern hätte. Doch Lukaschenkos Einfluss hat sich stark verringert.

Dabei hatte er einst einen großen Traum. Den Traum, selbst einmal Hausherr im Kreml zu werden. Das Gebilde des Unionsstaats hätte es ihm ja möglich machen können, und an Selbstbewusstsein hat es Lukaschenko selten gemangelt. Er herrscht seit 1994 in Belarus, der zwei Jahre ältere Putin wurde damals gerade erst stellvertretender Bürgermeister von Sankt Petersburg. Sie waren also durchaus auch politische Konkurrenten, durchsetzen konnte Lukaschenko seinen Wunsch nicht.

Andererseits ließ Putin seinen belarussischen Kollegen nie fallen, wenn der wieder mal in Bedrängnis war und der Westen gegen ihn und sein Land Sanktionen beschloss. Putin soll Lukaschenko nie sonderlich gemocht haben. Er hält ihn aber für weitgehend berechenbar als einen rabiaten Machtmenschen, der einen demokratischen Machtwechsel verhindert, koste es, was es wolle. Denn als es in Belarus eine Protestwelle gab, solidarisierten sich prompt auch viele Russinnen und Russen. Also solidarisieren sich auch Putin und Lukaschenko. An diesem Samstag dürfte es vermutlich wieder zu sehen sein - wenn Lukaschenko zuschaut, wie Putin seine Atomstreitkräfte üben lässt.

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