Russland-Affäre:Trumps verstörende Treffen mit Ex-FBI-Chef Comey

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  • Der frühere FBI-Chef James Comey bestätigt auf ganzer Linie den Verdacht der Einflussnahme gegen US-Präsident Trump.
  • Das geht aus der vorbereiteten Stellungnahme Comeys für dessen Anhörung im Senat an diesem Donnerstag hervor, die jetzt öffentlich ist.
  • Comeys Aussagen zeugen von einem bizarren Amts- und Führungsverständnis des Präsidenten.

Von Thorsten Denkler, New York

Sollte US-Präsident Donald Trump auch nur für einen Moment geglaubt haben, er könne James Comey die Show stehlen, hat er sich gewaltig geirrt. Am Mittwochmorgen noch hatte er überraschend Christopher Wray als neuen FBI-Chef nominiert. Am frühen Nachmittag aber dominiert eine andere Geschichte die Schlagzeilen. Das vorbereitete Statement von Comey ist öffentlich. Ganz offiziell gepostet auf der Internetseite des US-Senats.

Comey war bis vor vier Wochen FBI-Chef. Dann hat ihn Trump gefeuert. An diesem Donnerstag wird Comey vor dem Geheimdienstausschuss des Senats als Zeuge erwartet. Das ist nicht irgendeine Anhörung. Das ist der D-Day in der gesamten Affäre um die Entlassung von Comey und die dazugehörende Russland-Affäre.

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Der US-Präsident habe ihn gebeten, die Ermittlungen gegen Flynn in der Russland-Affäre einzustellen, erklärt der geschasste Direktor der Sicherheitsbehörde.

Comeys Statement liest sich wie die nüchterne Abrechnung mit einem Mann, der vielleicht eine Baufirma leiten kann. Aber sicher nichts auf dem Stuhl des Präsidenten der Vereinigten Staaten zu suchen haben dürfte.

Kurzgefasst: Comey bestätigt alle Geschichten, die in den vergangenen Wochen über Trump und Comey herauskamen. Dass er von Comey Loyalität verlangt habe. Und dass er Comey gedrängt habe, die FBI-Ermittlungen gegen seinen früheren Nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn fallen zu lassen.

Es sind Vorwürfe, die jetzt nicht mehr nur in der Luft schweben. Sie liegen jetzt wie ein riesiger Granitblock auf dem Schreibtisch des US-Präsidenten im Oval Office. Mit Comeys Aussage erhärtet sich der Verdacht des Amtsmissbrauchs gegen den Präsidenten. Die Debatten um ein Amtsenthebungsverfahren werden wieder hochkochen.

Sieben Seiten über fünf Begegnungen mit Trump

Comey beschreibt auf sieben Seiten seine persönlichen und telefonischen Begegnungen mit Trump seit der Wahl im November 2016. Eines der beiden folgenreichsten Treffen findet am 27. Januar statt. Trump lädt Comey gegen Mittag für den gleichen Abend zum Dinner ins Weiße Haus ein. Comey glaubt, es würden noch ein paar andere Persönlichkeiten an dem Treffen teilnehmen. In der Mitte des Green Rooms steht aber nur ein Tisch. Gedeckt für zwei.

Während des Essens fragt Trump überraschend, ob Comey FBI-Chef bleiben wolle. Comey kommt diese Frage seltsam vor. Trump hatte ihm zu früheren Gelegenheiten bereits versichert, er hoffe, Comey würde bleiben.

Trump sagt auch, es gebe sehr viele Leute, die Comeys Posten haben wollen. Da beginnt Comey zu ahnen, was Trump vorhat. Er will Comey in eine neue Rolle drängen. Hier der großzügige Präsident Donald J. Trump, der Comey netterweise auf seinem Posten lässt. Dort der dankbare James Comey, der sich dafür sicher erkenntlich zeigen würde.

Da macht Comey nicht mit. Er hätte sonst die Unabhängigkeit des FBI aufs Spiel gesetzt. Comey versucht Trump klarzumachen, dass diese Unabhängigkeit ein hohes Gut sei und letztlich auch im Interesse des Präsidenten sein müsse.

Trump reicht das nicht. "Ich brauche Loyalität, ich erwarte Loyalität", sagt er. Für Comey muss das eine geradezu unerhörte Anmaßung sein. Danach: Stille. Keiner von beiden regt sich. "Wir haben uns schlicht still in die Augen geschaut", berichtet Comey.

Gegen Ende des Dinners, kommt Trump wieder auf die Loyalitäts-Frage zu sprechen. "Ich brauche Loyalität", wiederholt Trump. Comey bleibt höflich: "Sie werden immer Ehrlichkeit von mir erwarten können." Trump sagt: "Das ist es, was ich will, ehrliche Loyalität", im englischen Original "honest loyalty". Comey überlegt und antwortet dann: "Das können Sie von mir bekommen."

Comey wird danach bewusst, dass Trump und er womöglich unterschiedliche Auffassungen vom Begriff "honest loyalty" haben könnten. Er entscheidet sich aber, es dabei zu belassen. Seine Erklärungen zur Frage der Unabhängigkeit des FBI müssten reichen, um zu verstehen, was beide Seiten voneinander erwarten können, hofft Comey.

Nach dem Treffen hat Comey ein detailliertes Memo verfasst und dieses mit seinem FBI-Führungsstab geteilt.

Im nächsten Treffen am 14. Februar geht Trump noch ein Stück weiter. Zu weit, wie manche annehmen. Es fallen die Sätze, die Trump womöglich um seine Präsidentschaft bringen können.

Nach einem Meeting in größerer Runde zum Thema Terrorismusabwehr bittet Trump den FBI-Chef, noch kurz mit ihm im Oval Office zu bleiben. Justizminister Jeff Sessions bleibt zunächst wie selbstverständlich im Raum. Er ist schließlich formal Comeys Vorgesetzter. Aber Trump bittet ihn explizit hinaus. Und auch sein Schwiegersohn Jared Kushner muss noch den Raum verlassen. Trump will unter vier Augen mit Comey reden.

Als alle Türen zu sind, beginnt Trump: "Ich will über Mike Flynn reden." Den hatte Trump am Tag zuvor zum Rücktritt drängen müssen, weil Flynn unvollständige Angaben über seine Treffen mit russischen Regierungsvertretern gemacht hatte.

Trump verteidigt Flynn, an dessen Treffen mit dem russischen Botschafter Sergej Kisljak sei nichts auszusetzen gewesen. Er habe lediglich Vizepräsident Mike Pence nicht über alle Details der Unterhaltungen informiert. Die Unterhaltung nimmt bizarre Züge an: "Er ist ein guter Kerl", zitiert Comey den Präsidenten. "Er ist ein guter Kerl und er hat eine Menge durchgemacht." Trump wiederholt, dass Flynn nichts Falsches getan habe.

Und dann sagt Trump die Sätze, die ihm noch zum Verhängnis werden könnten. "Ich hoffe, Sie können die Sache fallen lassen, Sie können die Sache mit Flynn fallen lassen. Er ist ein guter Kerl. Ich hoffe, Sie können die Sache fallen lassen." Das konnte Comey natürlich nicht.

Die Unabhängigkeit des FBI ist in Gefahr

Wieder macht sich Comey Notizen. Diesmal bespricht er das Treffen mit seinem Führungsstab. Er ist der Überzeugung, dass Trump ihn lediglich aufgefordert habe, die FBI-Ermittlungen rund um Flynn einzustellen. Und nicht alle Ermittlungen in der Affäre um die mögliche Einflussnahme Russlands auf die US-Wahl 2016. Aber wie auch immer, die Angelegenheit empfindet Comey als "äußerst beunruhigend". Die Unabhängigkeit der Behörde scheint in Gefahr.

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Wenige Tage später trifft Comey Justizminister Sessions. Mit seinem Team hatte Comey zuvor entschieden, Sessions keine Inhalte aus dem merkwürdigen Gespräch mit Trump zu berichten. Sessions war mit seinen eigenen Kontakten zu russischen Regierungsvertretern vorbelastet.

Allerdings hat Comey Sessions gebeten, sicherzustellen, dass es künftig keine direkte Kommunikation mehr zwischen dem Präsidenten und dem FBI-Chef geben dürfe. Es dürfe nicht noch einmal passieren, dass der Präsident den Justizminister hinausbittet und der FBI-Chef allein mit Trump im Raum bleibt.

Nichtsdestotrotz ruft Trump den FBI-Chef danach noch zweimal an. Am 30. März und am 11. April. Es geht ihm vor allem um eine Bestätigung, dass nicht gegen ihn ermittelt werde. Comey bestätigt ihm das. Allerdings macht er in den Telefonaten auch darauf aufmerksam, dass sich bitte Trumps Leute im Weißen Haus an das Justizministerium wenden sollten, wenn Trump Fragen zu seiner Arbeit hätte.

Trump reagiert wieder seltsam. Er sagt, das werde er tun, weil "ich Ihnen gegenüber sehr loyal war, sehr loyal; wir hatten dieses Ding miteinander, Sie wissen das". Dann beendet Trump das Telefonat. "Das war das letzte Mal, dass ich Präsident Trump gesprochen habe", notiert Comey. Am 9. Mai feuert Trump Comey. Der erfährt davon aus den Medien.

Trump hat auf die Aussagen von Comey bereits reagiert. Diesmal nicht via Twitter, wie sonst üblich. Sondern über seinen Anwalt. Der richtet aus, Trump fühle sich von Comey "vollkommen bestätigt". Er meint den Teil, in dem Comey Trump bestätigt, nicht persönlich Teil der Emittlungen zu sein. Zu allen anderen Begebenheiten äußert sich der Anwalt nicht. Er versucht nicht mal, Comeys Aussagen zu dementieren. Die Senatoren werden in der Anhörung ihre Schlüsse daraus zu ziehen haben.

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