Annette Schavan will klagen. Gegen des Entzug des akademischen Doktorgrades durch die Uni Düsseldorf. Das ist ihr gutes Recht. Kanzlerin Merkel hat der Bundesbildungsministerin ihr "volles Vertrauen" ausgesprochen. Nach Schavans Rückkehr von einem Aufenthalt in Südafrika werde "Gelegenheit sein, in Ruhe miteinander zu reden", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa.
Schavan hat tatsächlich gute Gründe, es mit einer Klage zu versuchen. Selbst Experten sagen: Ja, sie hat geschludert. Aber eine umfassende vorsätzliche Täuschung sei das nicht. Die Düsseldorfer Prüfer gingen zu weit in ihrem Urteil. Darüber hinaus ist es 33 Jahre her, dass sie ihre Dissertation geschrieben hat.
Presseschau zum Plagiatsfall Schavan:"Jetzt ist es doch passiert"
Vergleiche mit Karl-Theodor zu Guttenberg, Lösungsvorschläge für den Umgang mit Promotionen und Antworten auf die dringende Frage: Darf eine Bundesbildungsministerin mit offensichtlichen Lücken in wissenschaftlicher Methodik ihren Posten behalten? Meinungen aus der Presse zur Aberkennung des Doktortitels von Annette Schavan.
Und trotzdem: Die Bildungsministerin steht jetzt als Plagiatorin da. Ist es politisch noch vertretbar, dass sie ihr Amt behält oder muss Schavan zurücktreten? Sie selbst scheint entschieden, ihr Amt nicht zu verlassen. Die Meinungen anderer gehen weit auseinander. Die Opposition im Bundestag gibt sich entschlossen: Schavan muss gehen. Aber mancher findet die Düsseldorfer Entscheidung nicht nachvollziehbar.
Die Gründe für einen Rückzug liegen auf der Hand:
- Ihre Glaubwürdigkeit ist beschädigt. Der Entzug des Doktortitels ist an sich schon eine Bürde. Bisher hat kein hochrangiger Politiker, dem das wiederfahren ist, sein Amt behalten können. Annette Schavan hat die Messlatte in einem Interview mit der SZ zum Plagiatsfall Guttenberg selbst hoch gehängt: "Als jemand, der selbst vor 31 Jahren promoviert hat und in seinem Berufsleben viele Doktoranden begleiten durfte, schäme ich mich nicht nur heimlich", hat sie damals gesagt. Das wird ihr nun vorgehalten werden.
- Schavan belastet Merkel und die Union. Der Entzug des Doktorgrades geschieht acht Monate vor einer Bundestagswahl, die sehr knapp ausgehen dürfte. Kanzlerin Angela Merkel kann kein Interesse haben, dass sich die Plagiats-Debatte um ihre Vertraute Schavan noch lange hinzieht. Schavan will klagen. Das ist ihr gutes Recht, zögert aber das Verfahren in die Länge. Merkel ist bekannt dafür, dass sie lieber ein schnelles Ende bevorzugt als einen quälenden Prozess. Das hat sie schon im Fall Norbert Röttgen bewiesen, den sie nach dessen krachender Wahlniederlage in NRW als Bundesumweltminister abserviert hat.
- Die Vorbildfunktion ist hinüber. Wäre Schavan Landwirtschaftsministerin, ließe sich unter den gegebenen Umständen noch rechtfertigen, dass sie im Amt bliebe. Aber als oberste Repräsentantin der deutschen Wissenschaftsgemeinde ist sie mit entzogenem Doktorgrad nicht mehr tragbar. Nach der Düsseldorfer Entscheidung hat sie lediglich ein Abitur als gültigen Bildungsabschluss vorzuweisen. Ihre Reputation ist in den für sie wichtigen Kreisen der Forschungselite dahin. Vor Studenten über wissenschaftliches Arbeiten zu referieren, sollte sie sich und den Studenten mit einem Rücktritt ersparen.
Schwieriger ist es, Gründe zu finden, weshalb sie im Amt bleiben sollte:
- Es gilt die Unschuldsvermutung. Ein Rücktritt kommt immer auch einem Schuldeingeständnis gleich. Davon will Schavan aber nichts wissen. Kleine Fehler hat sie eingeräumt. Aber die Vorwürfe der Düsseldorfer Uni findet sie ungerechtfertigt. Das ließe sich nicht besser demonstrieren, als damit, einfach im Amt zu bleiben. Die Unschuldsvermutung, die bis dahin gelten muss, hat in diesem Fall sogar einen nachprüfbaren Hintergrund. Schavans Doktorarbeit wurde im Internet ausführlich analysiert.
- Es ist ihre Privatsache. Schavan hat sich im Amt nichts zuschulden kommen lassen. Ihr Vergehen, wenn es denn eines war, fällt weder in ihre Amtszeit als Bundes- noch in die als Landeskultusministerin von Baden-Württemberg.
- Sie könnte ein Exempel statuieren. Vor mehr als 30 Jahren hat Schavan ihre Doktorarbeit geschrieben. Im Strafrecht gibt es nur wenige Delikte, die solch lange Verjährungsfristen haben. Meist handelt es sich um Schwerverbrechen. Eine Schwerverbrecherin aber ist Schavan sicher nicht. Mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hat die Aberkennung nichts zu tun. Die Regeln der Wissenschaft sind streng. Würden alle Doktorarbeiten so geprüft wie die von Annette Schavan, müssten womöglich weitere Akademiker um die Doktorwürde bangen.