Grüne:Falscher Rechenweg

Lesezeit: 2 Min.

Knapp daneben ist auch vorbei: Am Sonntag wollte Robert Habeck erklären, weshalb die Erhöhung der Pendlerpauschale "klimapolitischer Wahnsinn" sei - dabei ignorierte er ein bedeutendes Detail des Steuerrechts. (Foto: dpa)

Wie war das noch einmal mit der Pendlerpauschale? Grünen-Chef Robert Habeck offenbart in einem TV-Interview eine Wissenslücke und erntet prompt Kritik.

Von Markus Balser

Der Sonntag hatte für Robert Habeck schon mit Spott begonnen. Eine Sonntagszeitung hatte einen Text über den Grünen-Co-Chef fälschlicherweise mit George Clooney bebildert. Am Abend sorgte dann Habeck selbst für einen Patzer: Als der 50-Jährige in einer TV-Sendung erklären wollte, wo die Grünen das Klimapaket der großen Koalition nachverhandeln wollen, offenbarte er vor laufender Kamera Wissenslücken.

Der Politiker nannte in der ARD im " Bericht aus Berlin" die geplante Erhöhung der Pendlerpauschale einen "Anreiz", "möglichst weite Strecken zu fahren". Das sei "klimapolitischer Wahnsinn". Sinngemäß sagte Habeck, nicht das Auto dürfe begünstigt werden, es brauche Anreize zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel. Und wörtlich: "Wenn man den Benzinpreis um drei Cent erhöht, die Pendlerpauschale aber um fünf Cent erhöht, dann lohnt es sich eher, mit dem Auto zu fahren als mit der Bahn."

Die Grünen und die Kanzler-Frage
:"Der eine ist so gut geeignet wie die andere"

Die Grünen finden derzeit so viel Zuspruch, dass die Frage nach einer Kanzlerkandidatur im Raum steht. Doch dass da eher der Name Habeck als Baerbock fällt, ärgert manche in der Partei.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Als der Moderator Habeck darauf hinwies, dass die Pendlerpauschale als Steuervorteil nicht nur für Autofahrer, sondern für alle Verkehrsmittel gelte, kam der Grünen-Chef ins Stottern: "Dann ist es ja nur die Erstattung des Bahntickets, und die ... oder wird die dann ... das weiß ich gar nicht." In den sozialen Netzwerken verbreitete sich der mit hämischen Kommentaren versehene Auftritt rasend schnell. Auch aus der Regierung kam Spott. "Der Grünen-Chef, die Berufspendler und das Klima: Viel Meinung, wenig Ahnung", twitterte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD).

Die Art der Fortbewegung spielt im Steuerrecht keine Rolle

Die im Steuerrecht Entfernungspauschale genannte Entlastung für Pendler gilt tatsächlich für alle Fortbewegungsarten. Jeder Steuerzahler kann ein Kilometergeld von 30 Cent für seine Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vom zu versteuernden Einkommen abziehen. Dieses Recht haben Arbeitnehmer und Selbständige, und zwar unabhängig von ihren tatsächlichen Ausgaben und davon, ob sie mit dem Fahrrad, zu Fuß, per Auto, Bahn oder öffentlichem Nahverkehr zur Arbeit kommen. Teil des Klimapakets ist es nun, die Pendlerpauschale für Fahrten ab dem 21. Kilometer von 2021 an von 30 auf 35 Cent pro Kilometer zu erhöhen, befristet bis Ende 2026.

Damit war Habeck zwar bei einem zentralen Thema seiner Kritik alles andere als sattelfest. Dass die Erhöhung der Pauschale für Pendler mit langem Arbeitsweg aus Umweltsicht fragwürdig ist, räumen hinter vorgehaltener Hand aber selbst Politiker der großen Koalition ein. Nur etwas anders als von Habeck kritisiert. Denn über CO₂-Preise - etwa höhere Spritpreise - will die Koalition das Fahren mit fossilen Verbrennungsmotoren eigentlich verteuern und unattraktiver machen. Für Autopendler mit weitem Weg hat die neue Entfernungspauschale jedoch zur Folge, dass Fahren sogar günstiger werden kann. Denn einer Erhöhung des Benzinpreises um weniger als einen Cent je Kilometer können bei langen Fahrten am Ende größere Entlastungen über die Steuer gegenüberstehen. "Das kann man aus Umweltsicht wirklich niemandem erklären", sagt ein Groko-Politiker.

Wohl auch deshalb gab sich Habeck am Montag nur halb zerknirscht. "Natürlich ärger ich mich tierisch", sagte er über seinen Fehler. Die Kritik bleibe aber bestehen.

© SZ vom 24.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Habeck und Baerbock
:Die Scheu vor der finalen Machtfrage

Die Grünen halten an der Doppelspitze fest, doch um die Kür eines Kanzlerkandidaten oder einer Kanzlerkandidatin dürften sie spätestens vor der nächsten Wahl nicht mehr herumkommen.

Von Stefan Braun

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: