Die Grünen und die Kanzler-Frage:"Der eine ist so gut geeignet wie die andere"

Greens Party Hold Federal Congress Ahead Of European Parliamentary Elections

Angesichts der Zustimmung zu ihrer Partei wird diskutiert, ob Annalena Baerbock oder Robert Habeck für die Kanzlerschaft kandidieren sollten.

(Foto: Getty Images)
  • Der Zuspruch für die Grünen ist derzeit so groß, dass sich für sie die Frage nach einer Kanzlerkandidatur stellt.
  • Dass dabei Grüne wie Daniel Cohn-Bendit und Winfried Kretschmann eher an Robert Habeck denken, missfällt manchen.
  • Schließlich gehört bei den Grünen Geschlechtergerechtigkeit zum Selbstverständnis, Frauen haben auf allen Listen Vorrang.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Die Sache mit der grünen Kanzlerkandidatur soll ja eigentlich keine Rolle spielen, jedenfalls noch nicht. Die Frage stelle sich derzeit gar nicht, antworten Spitzengrüne regelmäßig, wenn sie gefragt werden, ob Robert Habeck mal Kanzler werden soll oder doch lieber Annalena Baerbock.

Die beiden Parteivorsitzenden, die einander gleichgestellt sind, betonen stereotyp, für die Vergabe von Posten gebe es bei den Grünen bewährte Regeln. Die werde man bei Bedarf dann anwenden. Oder auch nicht. Aber wie das so ist mit unerwünschten Fragen: Sie werden besonders gern gestellt. Einige Antworten sorgen jetzt für Verstimmung, auch bei grünen Frauen.

Denn nach dem Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit hat sich am Freitag auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann zur angeblich gar nicht extistierenden grünen K-Frage geäußert. "Natürlich können wir den Kanzler stellen - genauso wie andere auch", sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur.

Seine Partei habe mit Joschka Fischer einen tollen Vizekanzler gestellt und mit ihm, Kretschmann, seit acht Jahren einen Ministerpräsidenten. "Also Führungskompetenz auch für Spitzenpositionen kann man uns wohl nicht absprechen."

Es folgte, was bei den Grünen immer folgt an dieser Stelle. Die Frage nach der Kanzlerkandidatur sei dann zu beantworten, wenn sie anstehe, betonte Kretschmann. "Das Amt muss zum Mann und zur Frau kommen - jedenfalls bei mir war es so." Weil die Journalisten aber weiter fragten, und zwar nach Habeck, sagte Kretschmann: "Na sicher könnte der das. Es gibt nun mal gar nix, warum er das schlechter können sollte als etwa Kramp-Karrenbauer oder wer jetzt alles so im Gespräch ist."

Wer da noch so alles im Gespräch ist? Nun, die Bundesvorsitzende der Grünen Annalena Baerbock vielleicht?

Noch deutlicher war am Donnerstag Daniel Cohn-Bendit geworden. Der 74-jährige Grünen-Politiker, der sich 2014 aus der aktiven Politik in Deutschland zurückgezogen hatte, sagte der Zeit: "Für mich ist Robert Habeck ganz klar die Person, die als erster grüner Bundeskanzlerin in die Geschichte eingehen kann."

Nicht, dass er Annalena Baerbock eine solche Kandidatur "nicht zutrauen" würde, so beeilte sich Cohn-Bendit zu versichern. Aber Habeck sei für ihn nun mal "die grüne politische Persönlichkeit, die zum Kanzleramt führen" könne. "Mein Wunsch wäre, dass Annalena Baerbock ihn vorschlägt und ein Parteitag Robert Habeck aufstellt. Ich traue ihr diese Klugheit absolut zu."

Bei den Grünen, bei denen Geschlechtergerechtigkeit zum Selbstverständnis gehört und Frauen auf allen Listen Vorrang haben, sorgten solche Töne am Freitag für Verärgerung.

"Die Frauenquote so einfach über Bord zu werfen, das läuft bei uns Grünen nicht", sagte die rechtspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, Katja Keul, der Süddeutschen Zeitung. Baebock und Habeck seien Persönlichkeiten mit ganz unterschiedlichen Stärken. "Der eine ist so gut geeignet wie die andere." Mehr wolle sie zu Cohn-Bendits Einwurf nicht sagen. "Ratschläge von ehemaligen, älteren grünen Männern sind für die Entscheidungsprozesse unsere Partei nicht wirklich relevant." Die Debatte, die keine sein soll, hat begonnen.

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