Die Worte kamen flüssig aus dem Mund von Craig Romney. Er sei nach Miami gekommen, über den festen Charakter und die Werte seines Vaters zu berichten. Er sei überzeugt, dass dieser "un presidente excelente" wäre, sagte Craig Romney in makellosem Spanisch, und dass dieser Amerika wieder zu alter Stärke führen werde. Die Sätze des 30-Jährigen, der einige Jahre in Chile für die Mormonen missioniert hat, lösten einen Jubelsturm unter den Besuchern des "Hispanic Leadership Network" aus.
Fünf Tage vor der Vorwahl in Florida hatten sich republikanische Politiker, Funktionäre und Strategen in einem noblen Golf-Hotel versammelt, um zu beratschlagen, wie sie ihre beiden großen Ziele erreichen können: Den Einfluss der spanisch-sprechenden Amerikaner zu erhöhen - und Barack Obama aus dem Weißen Haus zu jagen. Eine Stunde vor Romney hatte dessen Konkurrent Newt Gingrich eine Rede gehalten, doch wie schon bei der letzten TV-Debatte ging der 64-jährige Romney als Sieger aus dem Duell hervor. Nachdem Craigs kleiner Sohn Porter fröhlich "Holá" ins Mikro gekräht hatte, wandte sich Ann Romney an das Publikum.
Wichtiger als Mitts beruflicher Erfolg, der ihn zum Multimillionär gemacht habe, sei seine Leistung als Vater von fünf Kindern und Großvater von 16 Enkeln. Nach der gescheiterten Kandidatur 2008 habe sie sich geschworen, dies nie mehr mitmachen zu wollen, verriet die blonde Frau, die seit 42 Jahren mit Romney verheiratet ist. Als der überlegt habe, erneut zu kandidieren, habe sie ihm nur eine Frage gestellt: "Can you fix it?" Er habe dies bejaht und auch sie sei überzeugt, dass ihr Mann eine Lösung für Amerikas Probleme finden und neue Jobs schaffen werde.
Und offensichtlich teilen immer mehr Republikaner in Florida diese Meinung: In einer aktuellen Umfrage liegt Romney mit 38 Prozent neun Punkte vor Newt Gingrich, während Ron Paul und Rick Santorum um den dritten Platz konkurrieren. 22 Prozent der 19 Millionen Einwohner des "sunshine state" sind Hispanics - unter den wahlberechtigten Republikanern haben elf Prozent ihre Wurzeln in Kuba, Puerto Rico, Mexiko oder Nicaragua. Landesweit ist bereits jeder sechste Amerikaner spanisch-sprachig, und 2050 wird ihr Anteil laut US-Statistikbehörde auf 25 Prozent wachsen.
"Die Tatsache, dass Mitt eine so großartige Familie hat, beeindruckt nicht nur mich", sagt eine Anhängerin der Republikaner, die 1961 mit ihren Eltern aus Kuba geflohen ist. Zwar sei die Wirtschaftslage angesichts einer Arbeitslosenquote von elf Prozent unter Hispanics das dominierende Thema in der community, doch die drei Ehen von Newt Gingrich verstörten viele Ältere. Und selbstverständlich hob der 64-jährige Romney in seinem halbstündigen Auftritt seine Wirtschaftserfahrung hervor: Er wolle dafür auch das ökonomische Potenzial Zentral- und Lateinamerikas nutzen, damit mehr Amerikaner Arbeit fänden.
"Wir machen einen Fehler, wenn wir uns nur auf China oder Europa konzentrieren", verkündete Romney. Freihandel und enge ökonomische Beziehungen seien die beste Art, um Demokratie zu fördern. Entsprechende Anreize könnten auch in der Kuba-Frage wirken, in der Barack Obama laut Romney komplett versagt hat. "Wir werden helfen, dass Kuba wieder frei wird", versprach er unter dem tosenden Beifall des Publikums.
Wie in der TV-Debatte wirkte der 64-jährige Ex-Gouverneur aus Massachusetts konzentriert und für seine Verhältnisse locker. Mehrere Minuten verwendete er darauf, den Eindruck zu zerstreuen, er sei gegen Einwanderung. "Mein Vater ist in Mexiko geboren und ich wünsche mir mehr legale Einwanderung", rief Romney. Nichts zeige deutlicher, wie attraktiv der amerikanische Traum für ehrgeizige Menschen sei. "Lasst euch von den Mainstream-Medien nicht einreden, dass die Republikaner Immigration ablehnen", sagte er.
Barack Obama habe die Rezession zwar nicht ausgelöst, doch er habe sie verschlimmert. Am 6. November müsse verhindert werden, dass der US-Präsident das Mandat erhalte, um einen Wohlfahrtsstaat europäischer Prägung einzuführen. Er werde dafür sorgen, dass alle Menschen in Amerika gute Startmöglichkeiten erhielten, so Romney am Ende seiner Rede: "Wir werden Jobs für Latinos und für alle Amerikaner schaffen. Ich liebe dieses Land und danke für eure Unterstützung."
Bei den meisten Zuhörern kam der Ex-Gouverneur gut an. George Schroeder, ein Arzt mit deutsch-spanischen Wurzeln aus Orlando, ist extra der Partei beigetreten, um am Dienstag für den 64-Jährigen zu stimmen und trägt den Aufkleber "Believe in America" stolz am Jackett. "Er ist der Mann, den wir jetzt brauchen", meint Schröder und betont, dass Romney im Gegensatz zu den drei übrigen Bewerbern nicht Teil der verhassten Washingtoner Politkaste ist. Auch Dax Contreras und Breanna Houghton haben sich entschieden: Die beiden 24-Jährigen sind extra aus New Mexico angereist und nach dem Auftritt endgültig ins Romney-Lager gewechselt.
Dass Romney laut dem Umfrageinstitut Latino Decisions unter Floridas Hispanics - egal ob sie der Grand Old Party angehören oder nicht - deutlich vor Gingrich, Santorum und Paul liegt, hat mehrere Gründe: Seit Monaten bearbeitet er mit viel Geld den ebenso teuren wie großen Flächenstaat; neben Sohn Craig sprechen sich mehrere Kongressabgeordnete in spanisch-sprachigen Werbespots für ihn aus (etwa im Video "Nosotros"), und auch das Partei-Establishment steht hinter ihm.
So ging etwa Carlos Gutiérrez, einst Wirtschaftsminister unter George W. Bush, in Miami an keinem Mikrofon vorbei, ohne seine Botschaft unter die Medienvertreter zu bringen: Nur Romney könne Obama schlagen und ein Sieg bei der primary in Florida könnte dessen Kandidatur den nötigen Schwung verleihen. "Florida ist ein Mikrokosmos mit sehr verschiedenen Regionen", erläuterte er: "Wer hier gewinnt, schafft es überall."
Nicht nur Gutiérrez denkt nach vorn: Kurz vor der "Hispanic Leadership Network"-Konferenz veröffentlichte Jeb Bush, einst Gouverneur von Florida, in der Washington Post einen Leitfaden, wie die Republikaner die Herzen und Stimmen der Hispanics gewinnen können. In den umkämpften swing states könnten die Latinos den Ausschlag geben und so entscheiden, welche Partei 2013 das Weiße Haus und den Kongress kontrolliert.
Jeb Bush, Bruder des Ex-Präsidenten George W. Bush, schlägt deshalb vor, Einwanderung stärker als Wirtschaftsthema und weniger als Sicherheitsproblem zu sehen, das Bildungssystem zu öffnen und die Vielfalt der Hispanics anzuerkennen: Manche seien seit Generationen im Land, andere erst seit mehreren Monaten. Wie Romney plädiert Bush dafür, die Anwesenheit der Immigranten positiv zu sehen: "Die Tatsache, dass so viele Menschen alles zurücklassen, um ausgerechnet in den USA ein besseres Leben für ihre Familie aufzubauen, ist für mich der größte Beweis für die Einzigartigkeit unseres Landes."
Ob diese Blaupause jedoch reicht, um die Beliebtheit von Barack Obama unter den Hispanics ernsthaft zu gefährden, bleibt abzuwarten. 2008 stimmten zwei Drittel der Latinos für den Demokraten und auch wenn sich die Obama-Euphorie auch in dieser Gruppe gelegt hat, würde er sowohl Gingrich als auch Romney locker schlagen.
Und selbstverständlich tüfteln die Berater im Weißen Haus an Strategien, um die Hispanics in ihrem Lager zu halten. Dass die umstrittene und unter Einwandern unbeliebte Gouverneurin von Arizona, Jan Brewer, den Präsidenten jüngst auf dem Flughafen mit aggressiver Geste anging, störte die Spin-Doktoren nicht - daraus lasse sich womöglich ein schöner Werbespot für den Wahlkampf machen (Hintergründe in der New York Times)
Wie wichtig es den Republikanern zurzeit ist, die Hispanics auf ihre Seite zu ziehen, zeigt die Diskussion um Marco Rubio, den kubanisch-stämmigen Senator aus Florida. Seit Newt Gingrich in der TV-Debatte am Donnerstag andeutete, er könne sich Rubio nicht nur als Minister, sondern auch als Vizepräsident vorstellen, wollen die Spekulationen nicht enden. Bislang hält sich der 40-Jährige jedoch bedeckt und hat sich weder auf Gingrichs noch auf Romneys Seite geschlagen.
Auf den Gängen des Golf-Hotels träumen manche jedoch einen anderen Traum. Mark Garces, Landeschef der Republican National Hispanic Assembly, hofft, dass Rubio nicht als running mate antritt und ein mögliches Angebot ausschlägt: "Er soll noch ein paar Jahre warten - und dann amerikanischer Präsident werden."