Digitalkonferenz:Der Kanzler begegnet dem digitalen Weltgeist

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Auf der Republica darf es ohne Krawatte sein: Mit Olaf Scholz spricht zum ersten Mal ein Bundeskanzler auf der Digitalkonferenz. (Foto: Tobias Schwarz/AFP)

Die Ampel stellt sich auf der Republica-Konferenz der netzpolitischen Szene. Volker Wissing und Olaf Scholz wissen, wie man punktet. Sie beschwören Jean-Luc Picard und Freddie Mercury.

Von Jannis Brühl und Simon Hurtz, Berlin

Erst einmal spricht der Kanzler über Queen - die Band, nicht das Staatsoberhaupt. Denn damit macht man sich hier auf der Republica beliebt. Das Lied "Bohemian Rhapsody", aus dem er die Zeilen "Anywhere the wind blows ..." zitiert, ist die Hymne der großen Digitalkonferenz in Berlin, auf der mit Olaf Scholz erstmals in 15 Jahren ein Bundeskanzler spricht. Er versucht zu erklären, was die "Zeitenwende", die er angekündigt hat, digitalpolitisch bedeutet. Das ist eine Herausforderung: Das Republica-Publikum erinnert sich noch gut an gebrochene Versprechen und die Enttäuschungen des vergangenen Jahrzehnts. Moderatorin Linda Zervakis spricht für viele Teilnehmer, als sie Scholz auf der Bühne sagt, dass sie sich nah an ihre Waschmaschine stellen müsse, um Handyempfang zu haben.

Scholz erklärt die neue digitale Welt. Er wirbt für das Netz als Globalisierungsmaschine, betont aber auch, wie wichtig es sei, digital souverän zu bleiben. Manche Technologien müssten "wir selbst vorhalten und beherrschen", etwa Computerchips. Dass die knapp sind, stört derzeit die Weltwirtschaft massiv. Vor einem Wort zögert er in seiner Rede kurz, es ist wohl ganz neu eingetroffen im Kanzleramt: Er warnt vor einem "Splinternet" - dem Auseinanderbrechen in nationale Unternetze, die sich abschotten. Dort kann dann jeder Staat zensieren, wie es ihm passt. Scholz nennt China und Russland, das seit Kriegsbeginn digital dichtmacht. Dagegen aber helfe der "Weltgeist der Republica".

Dieser Geist steht einen Tag zuvor in Form von Markus Beckedahl auf einer der großen Bühnen der Konferenz. Der Republica-Mitgründer war auch Chefredakteur von Netzpolitik.org, der zentralen Informationsstelle jenes auch nicht mehr ganz so jungen Politikbereichs, den vorherige Regierungen nie so recht zu verstehen schienen. Nun beackert er das Sündenregister der deutschen Digitalpolitik im Schnelldurchlauf: Ämter, die mit Glück Termine online anbieten, Überwachungspläne für Handys. Genüsslich grinsend weist er darauf hin, dass Gesundheitsämter in der Pandemie mit Faxgeräten arbeiteten.

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"Warum soll ich Ihnen glauben?"

Wird alles besser, verspricht Scholz am nächsten Tag, es folgen die Klassiker unter den digitalpolitischen Versprechen. Verwaltung digitalisieren, eine neue Förderstrategie für Start-ups, Ausbau von Glasfaser und Mobilfunk sowieso. "Warum soll ich Ihnen glauben?", fragt Zervakis. Scholz antwortet sozialdemokratisch: "Mächtige Lobbygruppen" hätten verhindert, dass der Staat die Telekomfirmen zwingt, auch gutes Internet anzubieten, wenn damit keine Riesenprofite zu machen sind. Das ändere sich nun: "Sie müssen die Verantwortung für die Netzqualität übernehmen und können das nicht nach Belieben entscheiden." Am Freitag wird im Bundesrat über das Recht auf schnelles Internet abgestimmt.

2022 ist die Ausgangslage auf der Republica eine völlig neue. Vor wenigen Jahren wurde hier noch Bundesinnenminister Thomas de Maizière eher als Gegner empfangen, es ging um Überwachungspläne der CDU. Heute klingt alles freundlicher, die Ampel genießt einen Vertrauensvorschuss, Unterstützer der Regierungsparteien sind auf der Konferenz sicher in der Überzahl. Allzu kuschelig soll es aber nicht werden, weshalb Beckedahl die Erwartungshaltung an Scholz noch einmal schürt: "Wir haben neben den drei Internet-Ministern auch noch einen Internet-Kanzler, aber was er genau leisten soll, wissen wir noch nicht."

Einer der "Internetminister" ist Volker Wissing. Neben Wirtschafts- und Innenministerium soll sich sein Verkehrs- und Digitalressort ums Netz kümmern. Doch für ihn ist die Republica gefährliches Terrain. Einerseits gilt die FDP in Netzkreisen als Partei, deren Digitalpolitik etwas fortschrittlicher daherkommt als die der alten Bundesregierung. Andererseits hat ein Teil des eher links-grünen Publikums Vorbehalte gegen die wirtschaftsfreundlichen Liberalen. Und dann muss sich der Verkehrsminister auch noch den Fragen von Beckedahl stellen, der nachhakt und wissen will: Warum sollen wir glauben, dass es diesmal besser wird? "Schöne Worte haben wir von der Politik schon viel zu oft gehört."

Volker Wissing zitiert Captain Picard

Dafür schlägt sich Wissing passabel. Er weiß, womit er punkten kann: Privatsphäre, Bürgerrechte, Freiheit im Netz. "Ich bin strikt gegen die Chatkontrolle", sagt Wissing über die Überwachungspläne der EU, die verschlüsselte Kommunikation obsolet machen könnten. "Die Regierungen mancher Nachbarstaaten finden das ganz toll, aber wir als Bundesregierung werden uns mit allen Argumenten dagegen wehren." Mehrmals nimmt er Bezug auf "Star Trek", er zitiert Captain Picard: "Wenn die erste Rede zensiert, der erste Gedanke verboten, die erste Freiheit verweigert wird, sind wir alle unwiderruflich gefesselt." Der Saal klatscht, Beckedahl sagt: "Schon etwas Besonderes, als Politiker hier Applaus zu bekommen."

Olaf Scholz redet auf seinem Podium mittlerweile nicht mehr über Queen, sondern über die knallharte deutsche Realität. Er gesteht, dass er erst heute seinen Reisepass auf dem Amt verlängern musste. "Wann kommt die Online-Verlängerung des Ausweises?", fragt Zervakis. Der Kanzler weiß wohl, dass er der Republica Ehrlichkeit schuldet: "Das möchte ich nicht sagen, weil ich die Abläufe in Deutschland ja kenne."

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