Reform der Bundeswehr:Zu viele Häuptlinge, zu wenige Indianer

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Der Reformbedarf bei der Bundeswehr ist gewaltig, Verteidigungsminister zu Guttenberg will ihn mit einer Verkleinerung der Truppe lösen. Freiwillige sollen an die Stelle von Wehrpflichtigen treten - und gegebenfalls auch ins Ausland geschickt werden.

Peter Blechschmidt

Kleiner, aber einsatzfähiger soll die Bundeswehr der Zukunft sein. So hat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) am Montag das Ziel seiner Bundeswehrreform beschrieben. Erstmals hat der Minister die Verteidigungspolitiker der Koalition offiziell über den Stand der Überlegungen in seinem Haus unterrichtet.

Einweisung eines neuen Rekruten: Nach den Plänen des Verteidigungsministers sollen nur noch Freiwillige den Helm aufsetzen. (Foto: dpa)

Damit hat die seit Wochen andauernde Debatte ein neues Stadium erreicht; endlich hat sie Weg raus aus den Medien und hinein in die Gremien gefunden, in denen letztlich dann die Entscheidungen getroffen werden müssen. Frühestens im November, wenn die Parteitage von CDU und CSU ihre Voten abgegeben haben, wird das Kabinett einen Gesetzentwurf beschließen. Bis die Reform umgesetzt ist, dürfte das Jahr 2017 erreicht sein.

Viele Kommandoebenen arbeiten gegeneinander

Richtig in Gang gekommen ist die Reformdebatte durch den Sparzwang für den Bundeshaushalt, der sich im Frühsommer abzuzeichnen begann. Vorher hatte die schwarz-gelbe Koalition lediglich beschlossen, die Wehrdienstzeit von neun auf sechs Monate zu verkürzen. Außerdem wurde eine Strukturkommission unter dem Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, eingesetzt. Sie soll bis zum November Empfehlungen für eine Neuorganisation des Verteidigungsministeriums abgeben.

Im Juni aber bekam Guttenberg vom Kabinett den Auftrag, bis September zu prüfen, welche Auswirkungen eine Verkleinerung der Bundeswehr um bis zu 40000 Zeit- und Berufssoldaten haben würde. Zugleich forderte Finanzminister Wolfgang Schäuble Einsparungen bei der Bundeswehr von 8,3 Milliarden Euro, verteilt über die nächsten vier Jahre.

Guttenberg zeigte sich einsichtig. Der Reformbedarf ist gewaltig. Dass die Bundeswehr mit einem Personalbestand von derzeit 252.000 Soldaten, davon etwa 30.000 Wehrpflichtige, gerade mal 7000 bis 8000 Soldaten für Auslandseinsätze bereitstellen kann, verwundert nicht nur den Minister. Zu kopflastig sind die Streitkräfte, es gibt zu viele Häuptlinge und zu wenig Indianer, viele Kommandoebenen arbeiten nebeneinander und teilweise auch gegeneinander. Die Teilstreitkräfte Heer, Marine und Luftwaffe sowie das Sanitätswesen und die vor einigen Jahren neu eingerichtete, alle Truppengattungen unterstützende Streitkräftebasis, wachen eifersüchtig über ihre Zuständigkeiten und Begehrlichkeiten.

Hinzukommt die zivile Verwaltung. Neben ihren Soldaten beschäftigt die Bundeswehr derzeit noch fast 100.000 Beamte und zivile Angestellte. Deren Zahl sollte bis 2010 auf 75.000 heruntergefahren werden. Von diesem Ziel ist die Bundeswehr noch weit entfernt. Ganz zu schweigen, von dem Personalabbau, der mit der anstehenden Reduzierung der Zahl der Soldaten einhergehen muss.

Zum größten Problem aber hat sich mittlerweile die Wehrpflicht entwickelt. Nur noch 16 Prozent eines Jahrgangs werden tatsächlich zur Bundeswehr eingezogen. Um dem vom Grundgesetz gebotenen Ziel der Wehrgerechtigkeit wenigstens einigermaßen nahe zu kommen, hatte das Verteidigungsministerium immer wieder die Tauglichkeitskriterien verschärft. Das führte dazu, dass mehr als die Hälfte der jungen Männer eines Jahrgangs für wehruntauglich befunden wurde - die Deutschen, ein Volk von jungen Fußkranken und Übergewichtigen?

Freiwillige sollen auch ins Ausland geschickt werden

Das Problem der Wehrgerechtigkeit will Guttenberg nun dadurch lösen, dass er die Wehrpflicht zwar im Grundgesetz verankert lassen will. Er will aber den Staat nicht weiter verpflichten, die Ableistung des Wehrdienstes auch einzufordern. So könnte der Staat gegebenenfalls die Wehrpflicht in der Zukunft - "wer weiß schon, wie die Welt in 20 oder 30 Jahren aussieht?", meint der Verteidigungsminister - wieder aktivieren.

Bis dahin will der Minister einen freiwilligen Wehrdienst anbieten, der auch Frauen offenstehen soll. Je nach Aufgabenstellung könnte dieser Dienst zwischen zwölf und 23 Monaten dauern. In dieser Zeit müssten die Soldaten auch zu Auslandseinsätzen bereit sein. Derzeit ist es so, dass Wehrpflichtige nicht nach Afghanistan oder in den Kosovo geschickt werden dürfen.

Diese Verwendbarkeit im Ausland ist es wohl auch, die der Minister im Blick hat, wenn er von der größeren Einsatzfähigkeit der künftigen Bundeswehr spricht. Die Alternative zu seinem Modell, die Guttenberg den Abgeordneten am Montag auch erläuterte, ist eine Bundeswehr, in der die Wehrpflicht weiter wie bisher umgesetzt wird. Sie hätte dann also weiter 30.000 Wehrpflichtige. Damit sie ausgebildet und betreut werden könnten, würden mindestens 10.000 Zeit- und Berufssoldaten zusätzlich benötigt zu jenen 156.000, die nach Ansicht des Ministers und seiner Generäle für die Erfüllung der Aufgaben unbedingt erforderlich sind. Diese Armee käme unter dem Strich auf etwa 210.000 Mann und würde zwei Milliarden Euro pro Jahr mehr kosten. Für die Auslandseinsätze aber stünden kaum mehr Soldaten zur Verfügung als jetzt. Und das wäre ja wohl, meinen auch Militärexperten der Union, ein Treppenwitz.

© SZ vom 24.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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