Frauke Petry ist ein Farbtupfer auf der Bühne in Koblenz. Um sie herum in der Rhein-Mosel-Halle: ihr Mann, der AfD-Politiker Marcus Pretzell, Marine Le Pen, Vorsitzende des französischen Front National, der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders, Matteo Salvini von der italienischen Lega Nord und Harald Vilimsky von der österreichischen FPÖ. Alle sind dunkel gekleidet. Petry hingegen trägt Hellblau.
Europa steht ein wichtiges politisches Jahr bevor. Im Frühling wird in den Niederlanden und Frankreich gewählt, im Herbst folgen die Bundestagswahlen in Deutschland. Wilders Freiheitspartei wird in den Niederlanden womöglich die meisten Stimmen holen. Le Pen sagen Umfragen gute Chancen für die Präsidentschaftswahl in Frankreich voraus. Entsprechend selbstbewusst treten beide in Koblenz auf, wo sich Europas Rechtspopulisten zur gemeinsamen Konferenz treffen. Die Zusammenkunft ist ein symbolisches Signal. Für Frauke Petry ist sie aber vor allem eine willkommene Bühne: Sie muss auffallen.
Anders als bei Wilders und Le Pen ist ihre Rolle bei der Bundestagswahl nicht geklärt. Beim Parteitag im April will sie zur alleinigen Spitzenkandidatin der AfD gewählt werden. Ihren großen Auftritt in Koblenz hat Petry ihr Ehemann Marcus Pretzell ermöglicht. Er sitzt für die AfD im Europäischen Parlament und gehört der Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit (ENF) an, wie auch Marine Le Pen. Die ENF ist offizieller Organisator der Konferenz. Pretzell holte sie nach Deutschland und übernahm die Koordination. Er verlieh dem Treffen zusätzlich Aufmerksamkeit, indem er mehreren deutschen Medien die Teilnahme zur Berichterstattung verweigerte, darunter ARD und ZDF. Rund 350 Journalisten aus der ganzen Welt sind nun angereist, die Konferenz wird von Protesten begleitet: Mehr als 5000 Menschen demonstrieren in Koblenz.
Wilders streut das Wort "Angst" wie eine Prise Salz über seine Zuhörer
In der Halle hält Pretzell selbst die Eröffnungsrede, den großen Auftritt überlässt er aber Petry. Die hat in Le Pen und Wilders gewichtige Fürsprecher - aber auch rhetorisch überlegene Gegner. Le Pen peitscht die Stimmung unter den Zuschauern immer wieder hoch, indem sie gegen Merkel wettert. Die Europäische Union schimpft sie eine "sterilisierende Kraft", spricht vom europäischen Volk, das im Jahr 2017 erwachen werde. Wilders redet von Frauen, die sich nicht mehr trauen würden ihr blondes Haar zu zeigen. Das Wort "Angst" streut er über seine Zuhörer wie eine Prise Salz. Mit Parolen wie "Deutschland wird überleben" und "Genug ist genug" kann er die Zuhörer in Jubel reden.
Frauke Petry kommt schließlich nach den Reden der Vertreter aus Italien und Österreich ans Pult. Dadurch muss sie nicht den direkten Vergleich zu Le Pen und Wilders antreten. Ihre Rede ähnelt einem Vortrag: Sie reist mit Worten zu den Wurzeln der Demokratie nach Griechenland, in die Renaissance, ins 18. Jahrhundert und schließlich in die heutige Zeit. Aus der Geschichte leitet sie den Willen des Menschen zur individuellen Freiheit ab. Dafür gibt es letztlich höflichen Applaus.
Der wird jedoch lauter, als Petry ebenfalls zur Parole greift und davon spricht, die EU-Behörden würden die Bürger einer "Gehirnwäsche" unterziehen. Als sie in Bibel-ähnlicher Sprache aufzählt, was alles vorgeschrieben werde: "Du sollst nicht die falschen Bücher lesen, dich von Sexisten fernhalten und sie bei Facebook melden, du sollst dich für Taten deiner Vorfahren schämen, du sollst Immigranten sensibel begegnen." Höhnisches Gelächter aus dem Publikum, als sie sagt, niemand würde einem Nigerianer vorschreiben, er solle seine Kultur ablegen.
Im Bundesvorstand der AfD dürfte Petrys Auftritt, der auch per Livestream zu verfolgen ist, für Unmut sorgen. Der Umgang mit Le Pens rechtsextremer Partei Front National ist dort umstritten. Beatrix von Storch, die ebenfalls im Europäischen Parlament sitzt, hat sich - anders als Pretzell - nicht der ENF-Fraktion angeschlossen. Le Pens Partei steht ihr in gesellschafts-und wirtschaftspolitischen Fragen zu weit links. Der Thüringer Fraktionschef Björn Höcke wiederum forderte ein Spitzentreffen beider Parteien. Petry selbst hatte noch im Juli 2015 in einem Interview erklärt, AfD und Front National hätten nichts gemeinsam. Im Herbst 2016 dann die Kehrtwende: In Straßburg trafen sich beide Parteichefinnen heimlich.
Ihre Teilnahme an der Konferenz in Koblenz soll Petry nun nicht mit dem Bundesvorstand abgesprochen haben. AfD-Vize Alexander Gauland murrte, Jörg Meuthen erklärte, die Konferenz habe nichts mit der AfD zu tun. Doch in Koblenz wird das Gegenteil deutlich, wenn Le Pen den Mut der AfD lobt. Oder Wilders sagt: "Mit Frauke Petry ist die Zukunft Deutschlands gesichert."
Die Kritik aus dem Bundesvorstand dürfte Petry angesichts dieser Worte herzlich egal sein. Auch weil sie dort ohnehin schon länger isoliert ist. Wenn sie im April zur Spitzenkandidatin gewählt werden will, braucht sie die Zustimmung der AfD-Parteibasis. Der mitgliederstarke Landesverband NRW dürfte ihr schon wegen ihrer privaten Verbindung zu dessen Vorsitzenden Pretzell sicher sein.