Auf der Homepage der Brebau sieht alles ganz wunderbar aus. "Raum für Entfaltung", liest man da, "Raum zum Chillen", "Raum für Auszeit" oder "Raum für junges Gemüse". Die Bilder zeigen eine junge Familie, ein junges Paar, eine junge Frau mit Tattoo, ein älteres Paar vor dem Blumentopf. "Raum zum Leben", steht im Logo der Bremer Wohnungsbaugesellschaft, und, ein weiteres Motto auf der Seite: "Wohnen heißt Vertrauen".
Fast 6000 Wohnungen und Gewerbeeinheiten besitzt das zweitgrößte städtische Wohnungsunternehmen der Hansestadt, mehr als 4000 weitere verwaltet sie. Bei der Auswahl ihrer Kunden allerdings schien die Brebau GmbH bis zuletzt zum Teil sehr spezielle Kriterien anzuwenden, sie haben zu tun mit Herkunft und Hautfarbe.
Nach Informationen von Radio Bremen, dem ARD-Magazin Panorama und der Süddeutschen Zeitung sollen Betreuer der Brebau unter anderem nach Sprache, Nationalität und Aussehen vorgehen, wenn Mietwohnungen vergeben werden. Als Vorlage dienten interne Dokumente, "Gebrauchsanweisungen quasi", erläutert ein Informant aus der Belegschaft von Brebau. Zur Begründung heiße es, man bekomme sonst "die ganzen Molukken, die wollen wir hier nicht".
Radio Bremen, Panorama und SZ konnten Material der Brebau einsehen. In Vermerken von Ende September 2019 werden "Zielgruppendefinitionen" genannt, geordnet nach Kürzeln. E40 ist das Chiffre für "schwarz", an anderer Stelle "People of Colour" genannt, zu denen demnach "auch Sinti und Roma, Bulgaren, Rumänen" gehören. kE40 bedeutet "keine People of Colour".
Wohnungssuchende mit "schlechten Adressen" sollten abgelehnt werden
Ganz oben rangiert die Zielgruppe DE, das Kennzeichen weist darauf hin, dass "die deutsche Staatsbürgerschaft" vorliege, und: "die Person spricht fließend Deutsch, da Deutsch die Muttersprache ist." Der Nachname müsse "nicht typisch deutsch sein"; wenn ein deutscher Nachname gewünscht sei, "wird dieses in der Zielgruppenbeschreibung zusätzlich vermerkt".
WE ist der Code für "westlich integriert", darunter fallen "Menschen mit Migrationshintergrund" und Migranten. "Die Person ist mit der deutschen Kultur vertraut." Es bestünden "keine Sprachhindernisse". Und: "Kulturelle Kleidung ist möglich", zum Beispiel Kopftuch. Das Kopftuch wird an anderer Stelle als KT abgekürzt. "Menschen mit Kopftuch haben gefühlt keine Chance", berichtete der Zeuge aus dem Unternehmen.
Radio Bremen und Panorama baten vier junge Deutsche, im April bei der Brebau nach einer Mietwohnung zu fragen. Zwei der Männer sind nicht-weiß und tragen einen arabischen oder afrikanischen Namen, die beiden anderen sind weiß und haben deutsch klingende Namen, alle vier wollten mit ähnlichem Budget in die gleichen Stadtteile ziehen. Angebote bekamen die beiden Weißen. Einen der beiden nicht-weißen Kandidaten ließ die Brebau wissen, dass der Wohnungsmarkt in dem gewünschten Viertel leer gefegt sei, der andere erhielt nicht mal eine Antwort.
In den Unterlagen findet sich außerdem eine Liste mit sogenannten "schlechten Adressen". Darunter fallen etwa Justizvollzugsanstalten, Therapieeinrichtungen, Kinder- und Jugendhilfe oder Standorte von Sozialverbänden sowie auch "schlechte Häuser von Vonovia", einem Immobilienkonzern. Wer hier gemeldet ist, der sollte von der Brebau laut der Hinweise von Eingeweihten kein Angebot bekommen.
"Junge Frau, ein wenig komisch, aber gepflegt"
Es gibt sogar Tricks, um die Bewertungen vor den Betroffenen zu verschleiern. Sollte ein Bewerber die Angaben in der Bildschirm-Maske kontrollieren wollen, so ließen sich diese mit einer Tastenkombination vorübergehend aus dem Notizfeld entfernen. In einem Muster ist da dieser Kommentar zu lesen: "junge Frau, ein wenig komisch, aber gepflegt, studiert Kunst, merkt man, passt aber grundlegend in unseren Bestand und alle Stadtteile, gerne versorgen".
Kaum jemand im Betrieb schien sich bisher an der systematischen Diskriminierung zu stören, meint der Informant. Wer etwas dagegen sage, der sei der Außenseiter: "Was willst du denn, das machen doch alle Wohnungsgesellschaften so."
Besonders peinlich ist der Fall, weil die Brebau GmbH zu 100 Prozent der Stadt Bremen gehört. "Es ist wichtiger denn je, das Recht auf Wohnen nicht den Kräften des Marktes zu überlassen", begründete der damalige Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) 2019 die vollständige Übernahme. Im Aufsichtsrat sitzen neben dem aktuellen Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) auch eine Senatorin und ein Senator der Grünen sowie ein Senator der Linken.
Der Brebau-Aufsichtsratsvorsitzende Dietmar Strehl von den Grünen will, nachdem die Vorwürfe nun bekannt wurden, rasch aufklären, Bremen sei "eine bunte Stadt". Die Brebau kündigt ein Sofortprogramm an. Erste Aufklärungsschritte hätten gezeigt, dass es bei der Registrierung von Wohnungsinteressenten zu nicht von der Geschäftsführung autorisierten Prozessen gekommen sei. "Diese Vorgehensweise haben wir unmittelbar gestoppt."