Raketenabwehr:Wie Deutschland seine Luftverteidigung stärken will

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Der Start einer israelischen "Arrow-3"-Abfangrakete in Alaska. (Foto: Israelisches Verteidigungsministerium/AFP)

Fast fünf Milliarden Euro sollen die Bundeswehr befähigen, das Land besser vor möglichen Raketen- und Drohnenangriffen zu schützen. Nun gibt es die Zustimmung des Haushaltsausschusses.

Von Georg Ismar und Mike Szymanski, Berlin

Es sind zwei Vorlagen, die den Weg zu einer umfassenden Raketenabwehr in Deutschland ebnen sollen. Insofern haben die dem Verteidigungs- und Haushaltsausschuss des Bundestags zugeleiteten Vorlagen ("Nr. 151/2023 VS-NfD" und "Nr. 152/2023 VS-NfD") eine große Tragweite, am Mittwoch sind die Anschaffungen auf den Weg gebracht worden. Beide Ausschüsse nahmen die Pläne an, damit ist der Weg frei für das Milliardenprojekt. Der russische Krieg in der Ukraine hat für Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) die Notwendigkeit gezeigt, dass auch Deutschland wieder eine moderne und leistungsstarke Luftverteidigung aufbauen müsse.

Und zwar zügig. Ab dem 4. Quartal 2025 soll die Lieferung des israelischen Raketenabwehrsystems Arrow erfolgen. Es soll Teil eines europäischen Luftverteidigungssystems werden. Es kann angreifende Waffensysteme in bis zu über 100 Kilometer Höhe außerhalb der Atmosphäre im beginnenden Weltraum zerstören. Der Vorlage zufolge soll eine Vorvereinbarung mit dem israelischen Verteidigungsministerium geschlossen werden, "zur Beschaffung des Waffensystems Arrow mit Lenkflugkörpern Arrow 3".

Die Verhandlungen mit Israel hatten sich kompliziert gestaltet

Diese vorvertragliche Regelung umfasse ein Ausgabevolumen im Haushaltsjahr 2023 von bis zu rund 600 Millionen US-Dollar (rund 560,4 Mio. Euro). Damit soll schnellstmöglich eine neue nationale Flugkörperabwehr aufgebaut werden. Nach Ende des Kalten Krieges waren hier bestehende Strukturen abgebaut worden - wegen der lange anhaltenden Friedensphase in Europa. Insgesamt werden für die Beschaffung Kosten von 3,99 Milliarden Euro erwartet. Der Betrag für die vorvertraglichen Vorausleistungen in Höhe von umgerechnet 560,4 Millionen Euro sind in diesem Betrag enthalten.

Das Waffensystem besteht aus einem Führungsgefechtsstand, Radargeräten, Startgeräten und Lenkflugkörpern. "Mit dem Lenkflugkörper Arrow 3 sollen weitreichende feindliche Flugkörper außerhalb der Erdatmosphäre durch einen direkten Treffer zerstört werden", heißt es in der Vorlage des Verteidigungsministeriums, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Die Verhandlungen mit Israel hatten sich kompliziert gestaltet, vor allem weil das Land sehr auf den Schutz der Technologie bedacht ist.

Das System solle einen Beitrag zum Schutz Deutschlands, der Bevölkerung und kritischer Infrastruktur vor ballistischen Flugkörpern in der oberen Abfangschicht leisten und sei ein wesentlicher Beitrag zur Flugkörperabwehr im Bündnis, betont das Ministerium. Der Vertragspartner ist die israelische Regierung, die USA sind als Kooperationspartner an der Entwicklung des Waffensystems mit Israel beteiligt.

Beide Waffensysteme sollen aus dem Sondervermögen finanziert werden

Mit der zweiten Vorlage sollen sechs Einheiten des bodengebundenen Luftverteidigungssystems Iris-T SLM ("Surface Launched Medium Range") mit Infrarot-Lenkflugkörpern angeschafft werden, das vom deutschen Unternehmen Diehl federführend entwickelte System erweist sich in der Ukraine als äußerst effektiv zum Schutz etwa von Großstädten wie Kiew.

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Hier liegen die Gesamtkosten laut Ministerium bei rund 950 Millionen Euro - es soll für mindestens 25 Jahre einsatzfähig sein. Für Wartung, Modernisierung und weitere Lenkflugkörper wird über den ganzen Zeitraum ein zusätzlicher Finanzbedarf von rund 753 Millionen Euro erwartet. Mit der Anschaffung des Iris-T SLM solle eine "bestehende Fähigkeitslücke im Bereich der bodengebundenen Luftverteidigung geschlossen werden, indem der Nahbereichsschutz gestärkt wird."

Beide Waffensysteme sollen aus dem mit 100-Milliarden-Euro ausgestatteten Sondertopf für die Bundeswehr, dem Sondervermögen, finanziert werden. Immer wenn Anschaffungsprojekte, die aus dem Sondervermögen finanziert werden, einen Rahmen von 25 Millionen Euro überschreiten, muss der Haushaltsausschuss um eine Billigung gebeten werden.

"Heute wurde im Haushaltsausschuss die Zeitenwende in der deutschen Flugabwehr eingeleitet", sagte der SPD-Haushaltspolitiker Andreas Schwarz zu dem Beschluss. "Wir haben den Weg für zwei Verträge freigemacht, die am Ende ein Volumen von rund fünf Milliarden Euro ausmachen werden." Beim israelisch--amerikanischen Arrows-System gehe man in eine gewisse Vorleistung bis zum fertig verhandelten Vertrag. "Das sorgt dafür, dass wir bereits 2025 die Systeme auf deutschem Boden stehen haben werden" Iris-T habe in der Ukraine bereits tausende Leben vor russischen Angriffen retten konnte. "Diese Systeme werden künftig auch zum Schutz des deutschen Luftraumes zur Verfügung stehen", betonte Schwarz.

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