Bundeshaushalt:Es wird knapp

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Boris Pistorius unterhält sich mit Bundeswehrsoldaten auf dem Truppenübungsplatz Altengrabow in Sachsen-Anhalt. (Foto: Kay Nietfeld/DPA)

Verteidigungsminister Pistorius muss als einziges Regierungsmitglied nicht sparen. Warum reicht das Geld dann trotzdem nicht?

Von Daniel Brössler, Berlin

Eigentlich müsste man sich Boris Pistorius als zufriedenen Minister vorstellen. Als einziges Mitglied der Bundesregierung musste sich der Chef des Wehrressorts nicht auf die Suche nach Einsparmöglichkeiten machen. Der Sozialdemokrat ist zu diesem Zweck im Unterschied zu anderen auch nicht einbestellt worden zum Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP).

Und doch ist es ausgerechnet auch der Verteidigungsminister, der sich wappnen muss für Enttäuschung und Kritik, sobald der Bundeshaushalt 2024 steht. Zu tun hat das mit einem Versprechen des Bundeskanzlers, hohen Erwartungen der Nato-Verbündeten und dem Zustand der Bundeswehr.

Noch ist Deutschland vom Zwei-Prozent-Ziel weit entfernt

In seiner historischen Zeitenwende-Rede nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hatte Scholz nicht nur das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr angekündigt, sondern auch gelobt: "Wir werden von nun an Jahr für Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in unsere Verteidigung investieren."

Damit bekannte er sich zu einer nach der russischen Krim-Annexion beim Nato-Gipfel in Wales 2014 gegebenen, aber später von wechselnden Bundesregierungen nicht mehr wirklich ernst genommenen Zusage. Bislang ist Deutschland immer noch weit davon entfernt, das Ziel zu erreichen. Der Wehretat verharrte 2023 bei etwa 50 Milliarden Euro. Mit Verteidigungsausgaben in Höhe von knapp 1,5 Prozent des BIP steht es nur auf Platz 17 im Nato-Ranking.

Die Ampel trage die Zeitenwende zu Grabe, sagt Unionspolitiker Wadephul

Die Frage ist, wie Deutschland angesichts der knappen Kassenlage die Zielvorgabe überhaupt erreichen kann und will. Sowohl in der Opposition als auch unter Sicherheitsexperten gilt der Haushalt 2024 als Indikator, ob es die Bundesregierung wirklich ernst damit meint. "Die viel beschworene Zeitenwende wird von der Ampel langsam, aber sicher zu Grabe getragen", mutmaßt der Vizefraktionschef der Union Johann Wadephul.

Seine Kritik entzündet sich an der Ankündigung der Bundesregierung, das Zwei-Prozent-Ziel bis 2025 erreichen zu wollen - unter Einrechnung jener Investitionen, die aus dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen in die Bundeswehr fließen. "Eine durch das Sondervermögen wachsende Bundeswehr kann dauerhaft nur durch einen parallel steigenden Wehretat finanziert werden", sagte Wadephul der Süddeutschen Zeitung.

Wadephul beruft sich dabei geschickt auf den Verteidigungsminister. Der habe selbst "zu Recht zehn Milliarden Euro mehr gefordert". Nun gelte: "Die tatsächlich erreichte Summe wird der erste Lackmustest dafür, was ein beliebter Minister durchsetzen kann." Die Politikwissenschaftlerin Liana Fix von der Denkfabrik Council on Foreign Relations (CFR) fragte auf Twitter: "Ist das nicht unfassbar, dass niemand eine Antwort darauf hat, wie die zwei Prozent erreicht werden sollen, wenn das Sondervermögen aufgebraucht ist, und jetzt schon bis 2025 keine echten Steigerungen mehr vorgesehen sind?"

Kanzler Scholz könnte schon bald Antworten geben müssen

Ohne eine signifikante Erhöhung des regulären Haushalts 2024 und danach sehe es "düster" aus, warnte auch die Leiterin des European Council on Foreign Relations (ECFR) in Berlin, Jana Puglierin. Die Anschaffungen zögen schließlich auch neue Kosten nach für Wartung, Treibstoff, Munition und Personal. "Alle durch das Sondervermögen getätigten Investitionen wären nicht nachhaltig und der deutsche Beitrag zur militärischen Verteidigung Europas würde wieder weit unter die Zwei-Prozent-Marke sacken", schrieb sie im Handelsblatt.

Kanzler Scholz könnte schon bald auch auf internationaler Ebene dazu Fragen beantworten müssen. Beim Nato-Gipfel im Juli in Vilnius werden auch die Verteidigungsausgaben der Mitgliedstaaten eines der zentralen Themen sein. Höflicher im Ton als zu Zeiten von US-Präsident Donald Trump, aber eher härter in der Sache drängen die USA ihre Verbündeten zu höheren Ausgaben - und zwar über das hinaus, was viele seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine schon zugesagt haben.

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Die Alliierten seien sich einig darin, dass das Bekenntnis zum Zwei-Prozent-Ziel von Dauer sein müsse, betonte vor wenigen Tagen die Nato-Botschafterin der USA, Julianne Smith. "Das ist der Boden, nicht die Decke", sagte sie. Das werde auch Eingang finden in die Beschlüsse von Vilnius.

Die neue Parole lautet also "Zwei Prozent Plus". Das sei nicht nur eine "fiskalische Größe", mahnt der frühere beigeordnete Nato-Generalsekretär Heinrich Brauß. An ihr werde sich auch bemessen, ob die Verbündeten die Zusage des Kanzlers für bare Münze nehmen, die Bundeswehr zum "Grundpfeiler der konventionellen Verteidigung in Europa" zu machen.

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