Rote Armee Fraktion:Von der Ideologie zum Mord

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Zwei steinerne Stelen stehen am Tatort: Denkmal für Alfred Herrhausen, den 1989 ermordeten Vorstandssprecher der Deutschen Bank. (Foto: dpa)

Vor 30 Jahren wurde Alfred Herrhausen, der damalige Chef der Deutschen Bank, von linksradikalen Terroristen ermordet. Heute geht die Gefahr von Rechtsextremisten und Islamisten aus.

Kommentar von Kurt Kister

Was am 30. November vor 30 Jahren geschah, ist Teil eines der großen Rätsel der alten Bundesrepublik: Wer waren die Frauen und Männer der sogenannten dritten und letzten Generation der Rote Armee Fraktion (RAF)? Alfred Herrhausen, Chef der Deutschen Bank, wurde am 30. November 1989 in Bad Homburg mit einer per Lichtschranke gezündeten Präzisionsbombe im Auto getötet. Herrhausen war eines von zehn Mordopfern, die zwischen Februar 1985 und Juni 1993 starben. Nur vom zehnten Toten, einem GSG-9-Polizisten, weiß man, dass er von dem Terroristen Wolfgang Grams erschossen wurde, bevor dieser sich selbst umbrachte.

Die RAF ist heute nur noch eine blutige Legende, ein Gespenst aus einer Zeit, in der manchem der Sozialismus als eine Alternative für Deutschland erschien, obwohl die DDR kontinuierlich bewies, dass dies eher nicht der Fall war. Zwar zielte ein erheblicher Teil der 68er-Bewegung nicht auf den Systemsturz ab, sondern richtete sich gegen die Tatsache, dass viele Mitläufer und Mittäter des Nazi-Systems immer noch die Funktionseliten der Republik bemannten. Aber es gab in der westdeutschen Linken auch eine kleine Minderheit, die daran glaubte, dass das Konzept des Kleinkrieges, der Guerilla, von den Hügeln Vietnams und aus den Camps in Libanon auf die Städte Europas zu übertragen sei. Aus dieser Szene entwickelte und rekrutierte sich die RAF.

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Im Deutschen Herbst des Jahres 1977 hatte die "Stadtguerilla" eines erreicht: Viele wähnten sich in einem mindestens geistigen Bürgerkrieg, an den man als Zeitgenosse mit Schaudern zurückdenkt. Es wird heute zu Recht beklagt, dass der Ton im Netz rau und verletzend geworden sei. Zu Zeiten der RAF war das schlimmer - und zwar durchaus auch von Seiten jener, die sich für bürgerlich hielten, aber allerorten Sympathisanten des Terrors und geistige Brandstifter witterten.

Während die Angehörigen der ersten und zweiten Generation der RAF überwiegend im Gefängnis landeten, wurde die dritte Generation zum Phantom. Nach dem Tod von Grams gab es keine Überfälle, keine Morde mehr, bevor sich die RAF 1998 per Erklärung selbst auflöste und verschwand.

Auch wenn es unter radikalen Linken heute nach wie vor eine kleine, gewaltbereite Szene gibt, spielt Terror à la RAF keine Rolle mehr. Jene, die man auf Englisch home grown terrorists nennt, sind in Deutschland heute entweder Rechtsradikale oder Islamisten. Der Begriff "Terrorist" lädt zu schiefen Vergleichen ein. Was gewaltbereite Extremisten von links und rechts dennoch verbindet, ist die Bereitschaft, das Menschliche im angenommenen Feind so gering zu schätzen, dass man aus ideologischen Gründen auch zum Mord bereit ist.

Linke Revolutionäre oder Terroristen haben in der Bundesrepublik trotz der Schärfe des Konflikts nie jenen Zuspruch oder gar den politischen Überbau gefunden, der den demokratischen Grundkonsens gefährdet hätte. Allerdings haben die Sympathisanten von damals über kopierte Flugblätter kommuniziert. Das ist heute anders. Die intensive Nutzung der digitalen Kommunikation auch durch Rechte und Rechtsextreme, darunter extremistische Schwätzer, aber auch Täter, ist sehr bedenklich - gerade weil ein rechter politischer Überbau entstanden ist.

© SZ vom 30.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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