Rede zur Lage der Nation:Putin warnt Westen vor Truppeneinsatz und Gefahr eines Atomkriegs

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Wladimir Putin auf dem Weg zum Rednerpult: In seiner Rede zur Lage der Nation versucht er, die russische Bevölkerung auf seinen Kurs einzuschwören. (Foto: Sergei Bobylev/IMAGO/ITAR-TASS)

In einer großen Propagandashow äußert sich Russlands Präsident zur politischen, sozialen und wirtschaftlichen Lage. Vor der Wahl im März kündigt er hohe staatliche Hilfen an und beschwört die Bevölkerung: "Zusammen können wir alles schaffen."

Gut zwei Jahre nach Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine hat Russlands Präsident Wladimir Putin vor einem westlichen Truppeneinsatz gewarnt und auf die Gefahr einer atomaren Auseinandersetzung hingewiesen. Die Konsequenzen eines solchen Schrittes wären tragisch, sagte Putin in seiner Rede zur Lage der Nation über die von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron angestoßene Debatte zu möglichen westlichen Bodentruppen in der Ukraine. Russland verfüge über Waffen, die Ziele im westlichen Territorium treffen könnten, betonte Putin. Eine Eskalation könne zu einem Konflikt mit dem Einsatz von Atomwaffen und damit der "Auslöschung der Zivilisation" führen.

Zugleich wies der Präsident Behauptungen als "Blödsinn" zurück, dass Russland den Westen angreifen wolle. Den USA bot Putin erneut einen Dialog zur strategischen Sicherheit in der Welt an, wenn die USA aufhörten, es auf eine strategische Niederlage Moskaus abzusehen, wie er behauptete.

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In der Ukraine haben die russischen Truppen zuletzt Fortschritte gemacht, auch wenn die Invasion bei Weitem nicht so schnell voranschreitet wie vor dem Angriff im Februar 2022 geplant. In seiner im Fernsehen und sogar in einigen Kinosälen übertragenen Propagandashow stellte Putin seine Sicht der Dinge auf die Welt dar. Er bedankte sich für die Unterstützung der, wie er behauptete, "absoluten Mehrheit der Bevölkerung" für die "militärische Spezialoperation". Das Volk arbeite in drei Schichten, um die Bedürfnisse der Front zu decken. "Zusammen können wir alles schaffen", beschwor Putin die russische Bevölkerung.

Vor der Wahl macht Putin große Ankündigungen

Der 71 Jahre alte Putin hält die Fäden in der russischen Politik seit der Jahrtausendwende zusammen. In etwas mehr als zwei Wochen möchte er sich bei der Präsidentenwahl im März erneut im Amt bestätigen lassen. Seine Wahl gilt als sicher, denn wirkliche Oppositionskandidaten sind nicht zugelassen. Putins Mitbewerber unterstützen die Politik des Kremlchefs und sind aus Sicht von Regierungskritikern reine Staffage.

Putins bislang schärfster Gegner, der vor einigen Tagen in einem Straflager verstorbene Alexej Nawalny, soll an diesem Freitag zu Grabe getragen werden. Offiziell ist die Todesursache unbekannt, Nawalnys Unterstützer und viele Politiker im Westen machen Putin für seinen Tod verantwortlich. In seiner Rede ging der Kremlchef aber nicht auf den toten Regimegegner ein.

Auch wenn Putin fest mit weiteren Jahren an der Macht rechnen kann, ist die Stimmung im flächenmäßig größten Land der Erde nicht durchgehend positiv. Viele Russen klagen über steigende Preise und hohe Lebenshaltungskosten. Putin kündigte deshalb in diversen Bereichen höhere finanzielle Hilfen durch den Staat an.

Seine Wiederwahl gilt als sicher, dennoch verspricht Wladimir Putin den Russen viel Geld. (Foto: GAVRIIL GRIGOROV/AFP)

Für die Modernisierung des Gesundheitswesens sagte er eine Billion Rubel (etwa zehn Milliarden Euro) an neuen Haushaltsmitteln zu und rief ein neues nationales Unterstützungsprogramm für Familien aus. Putin räumte ein, dass in Russland immer noch 13,5 Millionen Menschen unterhalb der Armutsgrenze leben. Bei etwa 30 Prozent der Großfamilien sei die finanzielle Lage prekär. Bis 2030 solle dieser Anteil auf zwölf Prozent gesenkt werden, forderte er. Dann endet die von Putin angestrebte fünfte Amtszeit als Präsident, weshalb die Rede an die Nation auch als Vorstellung seines Wahlprogramms für die kommenden sechs Jahre galt.

Zur Stützung der Familien stellte Putin soziale Hypothekenprogramme, höhere Steuerfreibeträge für Kinder und regionale Sozialprogramme vor, die aus dem föderalen Haushalt gestützt werden sollen. Der Mindestlohn solle von umgerechnet 190 Euro im Monat bis 2030 auf 350 Euro steigen.

Durch die Verbesserung des Gesundheitswesens und Investitionen in Sport-Infrastruktur solle die Lebenserwartung in Russland von derzeit 73 bis 2030 auf 78 Jahre steigen. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Lebenserwartung für Männer offiziellen Angaben nach bei über 78 Jahren, bei Frauen sogar bei mehr als 83 Jahren.

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