Kataloniens Ex-Präsident:Der lange Kampf des Carles Puigdemont

Lesezeit: 3 min

Nach Spanien kann er erst mal nicht: Carles Puigdemont tritt am Mittwoch in Brüssel mit seinen Ex-Kabinettskollegen Toni Comín und Clara Ponsatí auf. (Foto: Kenzo Tribouillard/AFP)

Der Fall des früheren katalanischen Regionalpräsidenten beschäftigt erneut europäische Gerichte. Seine Klage gegen Aufhebung seiner Immunität als EU-Parlamentarier wird abgewiesen.

Von Karin Janker, Madrid

Es ist bereits die x-te Niederlage, aber aufgeben will Carles Puigdemont auch diesmal nicht. Am Mittwoch hat das Europäische Gericht (EuG) in Luxemburg die Klage des früheren katalanischen Regionalpräsidenten abgewiesen. Es bestätigt damit den Entzug der parlamentarischen Immunität Puigdemonts und seiner beiden früheren Kabinettskollegen Toni Comín und Clara Ponsatí durch das Europaparlament im März 2021.

Die drei spanischen Europaparlamentarier hatten dagegen geklagt, dass sich das Parlament damals mit 400 zu 248 Stimmen für eine Aufhebung ihrer Immunität aussprach. Das Parlament hatte mehrheitlich entschieden, den Rechtsschutz aufzuheben, weil Puigdemont und seinen Parteikollegen in Spanien Taten zur Last gelegt werden, die aus der Zeit stammen, bevor sie 2019 ins Europaparlament gewählt wurden.

Wegen Rebellion könnte er in seiner Heimat nicht mehr belangt werden

Als 2017 in Katalonien der Unabhängigkeitskonflikt eskalierte, war Carles Puigdemont gerade Regionalpräsident in der autonomen Region im spanischen Nordosten. Unter seiner Ägide hielten die Separatisten im Herbst jenes Jahres ein Unabhängigkeitsreferendum ab, das zuvor von der Justiz für illegal erklärt worden war. Die spanische Regierung in Madrid, damals unter Ministerpräsident Mariano Rajoy, enthob daraufhin die katalanische Regionalregierung ihres Amtes, ein Mechanismus, den die spanische Verfassung für Notfälle vorsieht. Der entsprechende Artikel ist inspiriert vom deutschen Grundgesetz, das per "Bundeszwang" auch der Bundesregierung ermöglicht, ein Gesetz in einem Bundesland zwangsweise durchzusetzen.

Für Puigdemont begann damals eine Zeit zäher Rechtsstreitigkeiten, die noch immer nicht beendet ist. Er und seine Mitstreiter wurden von Spanien unter anderem wegen Rebellion angeklagt, ein Tatbestand, der inzwischen nicht mehr existiert. Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez hat den Straftatbestand vor wenigen Monaten trotz heftiger Kritik abgeschafft. Puigdemont kann damit nach derzeitigem Stand nur noch wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder und Ungehorsam belangt werden. Sein zu erwartendes Strafmaß hat sich so von 15 auf höchstens vier Jahre verringert. Sollte es nach der Wahl Ende Juli in Spanien allerdings zu einem Machtwechsel kommen, haben die Konservativen in Madrid bereits angekündigt, den Tatbestand der Rebellion wieder einführen zu wollen.

In Spanien ist sein Name eher der eines Schreckgespenstes

Carles Puigdemont hat sich bisher einer Verurteilung durch die spanische Justiz erfolgreich entzogen. Der katalanische Ex-Präsident floh ins Exil nach Belgien und erreichte von dort aus 2019 den Einzug als spanischer Parlamentarier ins Europaparlament. Die Wahl hätte eigentlich noch formal bestätigt werden müssen, und Puigdemont hätte in Madrid auf die spanische Verfassung schwören sollen. Ein Prozedere, das der Katalane schon allein deshalb nicht absolvierte, weil er von der spanischen Justiz festgenommen werden würde, sobald er spanischen Boden beträte. Zumindest solange seine Immunität als Europaparlamentarier ihn nicht vor einer Festnahme schützt.

Nach dem aktuellen Urteil aus Luxemburg ist also keine Rückkehr Puigdemonts nach Spanien zu erwarten. Sich im belgischen Exil einrichten und die Sache auf sich beruhen lassen, will Puigdemont allerdings auch nicht. In Spanien spielt er politisch längst keine entscheidende Rolle mehr. Bei den jüngsten Kommunalwahlen in Katalonien wurde seine neoliberale Formation Junts per Catalunya zwar wieder zweitstärkste Kraft, aber der Name Carles Puigdemont taucht in Spanien höchstens noch als Schreckgespenst auf. So einigten sich in Barcelona etwa Konservative und Linksalternative in einem historischen Pakt darauf, den Sozialisten Jaume Collboni zum Bürgermeister zu machen - um, wie es hieß, Xavier Trias, "den Kandidaten von Puigdemont", im Rathaus zu verhindern.

2018 demonstrierten in Barcelona Tausende für die Haftentlassung katalanischer Politiker. Puigdemont war zuvor kurz in Deutschland inhaftiert. (Foto: Jordi Boixareu/DPA)

Puigdemonts Kampf hat sich von Spanien ins europäische Ausland und an dessen Gerichte verlagert. Diese werden nun in Bälde erneut mit dem Fall Puigdemont beschäftigt sein. Noch bevor er das Urteil des Europäischen Gerichts vom Mittwoch gelesen hatte, teilte Puigdemonts langjähriger Anwalt Gonzalo Boye bereits mit, dass er in Revision gehen werde, "wie schon bei früheren Gelegenheiten". Das Europäische Gericht erster Instanz ist dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) nachgeordnet.

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Der EuGH hatte erst im Januar dieses Jahres ein Urteil gefällt, über dessen Interpretation man sich in Spanien nach wie vor uneins ist: Belgien, urteilte das Gericht damals, dürfe sich nicht ohne Weiteres über einen Europäischen Haftbefehl aus Spanien hinwegsetzen. Zumindest dann nicht, wenn sich nicht nachweisen lasse, dass Spanien die Grundrechte einer ganzen gesellschaftlichen Gruppe verletze. Was das nun genau bedeutet, bleibt Auslegungssache. Anwalt Boye interpretierte es als Unterstützung für seinen Mandanten, schließlich würden dessen Grundrechte ja verletzt. Spanien sieht sich andererseits ebenfalls bestätigt, weil von einer grundsätzlichen Grundrechtsverletzung nun wirklich keine Rede sein könne.

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