Sieger sehen anders aus. Der Sozialist Jaume Collboni ist zwar neuer Bürgermeister von Barcelona, aber weder hat seine Partei die Wahl gewonnen, noch scheint sein Amtsantritt ein Grund zur Freude zu sein, außer für ihn selbst. In den Augen der bisherigen Bürgermeisterin Ada Colau ist er "das kleinere Übel". Ihre Formation En Comú entschied sich am Samstag in letzter Minute dafür, Collboni zu unterstützen - allerdings ohne Teil der künftigen Stadtverwaltung zu werden. Das war die zentrale Bedingung der Konservativen, damit auch sie Collboni als Rathauschef tolerieren. Leicht sei es ihnen trotzdem nicht gefallen, einen Sozialisten zum Bürgermeister zu machen, so der konservative Fraktionschef.
Wenig Enthusiasmus also bei Collbonis künftigen Partnern für seine Minderheitsregierung. Auf Seiten seiner Gegner dagegen unverhohlener Groll. "Die können mich mal", sagte etwa Xavier Trias. Der Kandidat von Puigdemonts Junts-Partei war mit Stimmenmehrheit aus der Wahl gegangen, bekam aber keine Regierung zustande. Einen separatistischen Bürgermeister in Barcelona wollten weder Konservative noch Sozialisten riskieren, während im ganzen Land der Wahlkampf für die Parlamentswahl am 23. Juli läuft. Und so taten sich Linksalternative, Sozialisten und Konservative zu einem Pakt zusammen, der in Spanien als historisch gilt.
Barcelonas bisherige Bürgermeisterin Ada Colau geht in die Opposition in der Hoffnung, damit einen Teil ihres politischen Erbes zu retten. Doch während Colau mit ihren grünen Modellprojekten und dem Einsatz gegen übermäßigen Tourismus auch international für Aufsehen sorgte, steht Collboni für eine pragmatische Politik. Im Wahlkampf setzte er auf eine Art katalanischen Olaf-Scholz-Effekt: Er versprach Neuanfang bei gleichzeitiger Kontinuität. Schließlich war der Sozialist zuletzt Juniorpartner von Colau.
Der 53-Jährige gilt als umgänglich und unverwüstlich. Drei Mal hat Collboni Anlauf genommen für das Amt des Bürgermeisters. 2015 holten die Sozialisten mit ihm ihr schlechtestes Ergebnis. Aufgegeben hat er nicht. Der Katzenliebhaber, der im Wahlkampf verriet, dass seine beiden Tiere "Aretha" und "Franklin" heißen, falle immer wieder auf die Füße, schreibt eine Zeitung.
Geboren wurde Jaume Collboni im Stadtteil Baix Guinardó unweit der Sagrada Familia. Seine Herkunft ist typisch katalanisch: Ein Teil seiner Familie stammt aus Andalusien und kam auf der Suche nach besseren Perspektiven. Aufgewachsen ist Collboni entsprechend mit Spanisch und Katalanisch. Er studierte Jura und arbeitete für Spaniens größte Gewerkschaft, UGT, ehe er mit 25 Jahren in den Partit dels Socialistes de Catalunya (PSC) eintrat. Fragt man Collboni nach seinem politischen Vorbild, nennt er den Demokraten Harvey Milk, den ersten offen homosexuellen Stadtrat in den USA.
In Barcelona ist Collboni dafür bekannt, mit dem Elektro-Moped oder dem Fahrrad zur Arbeit zu kommen. Etwas, das in spanischen Städten keineswegs üblich ist. An der Seite von Colau setzte er sich dafür ein, dass Barcelona grüner wird. Die Stadt hat neben Paris und Athen die höchste Bevölkerungsdichte in der EU. Colaus Prestigeprojekt der "Superblocks" und der "grünen Achsen", die den Autoverkehr zurückdrängten, will er aber nicht ausweiten. Zu kontrovers.
"Wir sind die Partei, die das Blockdenken und die Grabenkämpfe überwinden will", sagte Collboni vor dem Wahltag. Seine Wahl hat indes neue Gräben aufgerissen. Das Lager der Unabhängigkeitsbefürworter fühlt sich von ihm um den Sieg gebracht. Als Collboni am Samstag zum Amtseid im Rathaus an der Plaça de Sant Jaume erschien, beschimpfte ihn eine Menschenmenge als "botifler". Ein Schimpfwort, mit dem die Separatisten Verräter an der katalanischen Sache bedenken.
Collboni steht keine einfache Amtszeit bevor. Doch er nimmt es sportlich: Er werde schauen, wie weit er komme, wenn er mit allen rede.