Prantls Blick:Seehofer erinnert an einen Feuerwehrmann, der Brände mit Benzin löscht

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Seehofer hat sein Reden und Agieren verschärft. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Die CSU verbrennt ihre absolute Mehrheit in einem Feuer, das sie selbst mitgeschürt hat. Schuld daran ist vor allem der Parteichef.

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350 Führungskräfte der deutschen Feuerwehren treffen sich in der kommenden Woche in Berlin. "Retten - Löschen - Bergen" heißt das Motto der Tagung, die sich unter anderem mit der Waldbrandgefahr in Deutschland und in Europa beschäftigt. Weil Horst Seehofer beim "13. Berliner Abend der Feuerwehren" am Mittwoch die Festrede hält, liegt es nahe, das Thema, also die Waldbrandgefahr, und das Motto, also das Retten, Löschen und Bergen, ins Politische zu übertragen. In Bayern beginnt nämlich jetzt die heiße Phase des Landtagswahlkampfs - mit einer "Wahlarena" der Spitzenvertreter der Parteien im Fernsehen und mit dem CSU-Parteitag am nächsten Samstag.

Die Lage war noch nie so ernst

Die CSU steht vor der vielleicht größten Niederlage ihrer Geschichte; die Umfragedaten sind schlecht bis desaströs, dafür steht die AfD, die mit den Grünen um Platz 2 konkurriert, ziemlich gut da. Zur CSU, die jahrzehntelang die Partei der absoluten Mehrheit war, fällt einem da der Satz ein, den Konrad Adenauer, der erste Kanzler der Republik, gern gebraucht hat: "Die Lage war noch nie so ernst". Adenauer hat mit diesem Satz kokettiert, wenn er den Leuten ein wenig Angst machen und sich als Retter präsentieren wollte. Die CSU kokettiert nicht, sie hat wirklich Angst. Ihre absolute Mehrheit verbrennt in einem Feuer, das sie selbst mitgeschürt hat. Die Seehofer-Söder-Politik zur Flüchtlings- und Migrationsfrage in den vergangenen zwei, drei Jahren gemahnt an eine Feuerwehr, die nicht mit Wasser, sondern mit Benzin löscht.

Minister des inneren Unfriedens

Ministerpräsident Markus Söder scheint erkannt zu haben, was das anrichtet. Er hat sein Wording verändert. Horst Seehofer tut das nicht, im Gegenteil; er hat sein Reden und Agieren noch verschärft. Seine jüngsten Äußerungen zur Migration ("Die Mutter aller Probleme") klingen nach AfD und erklären Millionen von Deutschen mit ausländischen Wurzeln zu Fremden im eigenen Land; aus dem Minister, der für den inneren Frieden zuständig ist, wird so ein Minister des inneren Unfriedens. Und Seehofers Äußerungen zu den Ausschreitungen in Chemnitz sind so verbogen, dass man sich fragen muss, wem dieser Minister eigentlich dient.

Wenn es stimmt, dass Seehofer den Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, angewiesen hat, Zweifel an der Hetzjagd gegen Ausländer und an den hetzerischen Straftaten in Chemnitz zu säen - dann wäre das ein Grund, beiden das Vertrauen und das Amt zu entziehen; das wäre nämlich ein kollusives Zusammenwirken zum Schaden der laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen - und zum Schaden der Glaubwürdigkeit der Regierung Merkel IV.

Welcher Ungeist ist in Horst Seehofer gefahren?

Wenn die Staatsanwaltschaft in Chemnitz 140 Ermittlungsverfahren wegen Straftaten gegen die öffentliche Ordnung führt, wenn der Innenminister und sein Verfassungsschützer aber gleichzeitig erklären, es sei eigentlich alles in Ordnung, dann ist es nicht mehr in Ordnung, wenn ausgerechnet diese Herren für Sicherheit und Ordnung zuständig sind. Man fragt sich, welcher Ungeist in Horst Seehofer gefahren ist.

Aus einem Sozialpolitiker mit Versöhnungspotential ist ein Innenpolitiker mit Verstörungs- und Zerstörungspotential geworden. Als CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident hat er in den Jahren 2009 ff., nach dem Wahlfiasko von 2008 mit Günter Beckstein und Erwin Huber, die CSU wieder aus dem Graben gezogen; nun hat er sie wieder hineingefahren, wohl noch weiter und noch tiefer, als sie dort damals, vor zehn Jahren, steckte. Horst Seehofer ist also fast so etwas wie der Oskar Lafontaine der CSU; Lafontaine hat zuerst als Parteivorsitzender die SPD wunderbar gestärkt und zum Erfolg geführt - aber dann hat er sie brutal geschwächt.

Bandscheibenschäden der CSU

Der Seehofer-Söder-Konfrontationskurs gegen Merkel und ihre CDU hat Leute, die Jahrzehnte bei der CSU aktiv waren, aus der Partei getrieben. Die Austritte von alten Landräten und Kreisvorsitzenden - sie führen bei der CSU zu einem Bandscheibenschaden.

Im Jahr 2008, bei der letzten großen Niederlage der CSU, war es so, dass Beckstein und Huber den Glanz und die Herrlichkeit der Christsozialen weder auffrischen noch verkörpern konnten. Damals, vor zehn Jahren, wurde mit der absoluten Mehrheit auch der Nimbus der CSU, ihre Einzigartigkeit, ihre Dominanz, ihre Allmacht zu Grabe getragen - und auch der Anspruch der CSU, Bayern zu verkörpern, samt Zugspitze, BMW, Audi und Oktoberfest. Zu Grabe getragen wurden der Rauten-Absolutismus und der Glaube, dass Lederhose und Landratsämter der CSU gehören. Die Wähler haben vor zehn Jahren das Requiem für die Staatspartei zelebriert. Es gab auf einmal viel Bayern auch außerhalb der CSU. Seehofer als Ministerpräsident und CSU-Chef ist es aber dann gelungen, mit der Attitüde des besorgten, gelassenen und leutseligen Schäfers die Herde wieder zu sammeln. Das führte dazu, dass er der CSU eine letzte Erholung verschaffte und die Partei mit ihm im Jahr 2013 noch einmal die absolute Mehrheit erreichte.

Die Giraffe als Krokodil

Vorbei. Die AfD raubte Seehofer die Gelassenheit, die eigene Landtagsfraktion und der Konkurrent Söder raubten ihm das Amt des Ministerpräsidenten; er selbst raubte sich die Souveränität, als er ein Amt annahm, das nicht zu ihm passt und das er nicht kann und nicht mag. Ihm fehlt komplett das juristische Sensorium, das ein Innenminister braucht; deswegen ist er stur, deswegen kompensiert er seine Unsicherheit mit Rechtsaußen-Gerede. Seehofer sagt von sich, er sei ein "Erfahrungsjurist". Das ist so, wie wenn eine Giraffe, die sich in die Sümpfe verirrt, von sich sagt, sie sei ein Erfahrungskrokodil.

Es ist schade, aber symptomatisch, dass sich eine so stolze Partei wie die CSU von der AfD den Schneid, die Gelassenheit und die Großzügigkeit hat abkaufen lassen. Von den Feuerwehrleuten kann sich Seehofer erklären lassen, wie man Waldbrände bekämpft, wie man verhindert, dass das Lauffeuer am Boden in die Gipfel springt und zu einem Totalbrand wird: Man muss den Flammen den Sauerstoff entziehen. Stattdessen hat die CSU-Führung aber ihrer eigenen Partei den Sauerstoff entzogen.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie - so Sie in Bayern leben - den Atem haben, die letzten Wochen des Wahlkampfs durchzustehen. Zwei Wochen später wird dann in Hessen gewählt. Und Ende Mai nächsten Jahres wählen wir das Europa-Parlament. Es geht um viel, sehr viel. Es geht um die demokratische und rechtsstaatliche Zukunft des Kontinents.

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