Politik kompakt:Karadzic boykottiert Prozess

Lesezeit: 5 min

Der frühere Serbenführer Karadzic boykottiert seinen Prozess, Ypsilanti zieht sich aus dem SPD-Bundesvorstand zurück und Israel fliegt einen Angriff im Gaza-Streifen.

Karadzic will Prozess boykottieren

Der ehemalige bosnische Serbenführer Karadzic will nicht zur Eröffnung seines Prozesses erscheinen. (Foto: Foto:)

Der wegen Völkermord angeklagte ehemalige bosnische Serbenführer Radovan Karadzic hat den Boykott seines Prozesses angekündigt. Er werde zur Prozesseröffnung am kommenden Montag nicht vor den Richtern erscheinen, erklärte Karadzic in einem Schreiben an den UN-Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag. Als Grund gab der 64-Jährige an, ihm sei nicht genügend Zeit zur Vorbereitung seiner Verteidigung eingeräumt worden. Die Staatsanwaltschaft habe ihn "begraben unter einer Million Seiten" von Dokumenten, heißt es in dem Schreiben. In juristischen Kreisen in Den Haag hieß es, der Prozess könne auch ohne die Anwesenheit Karadzics eröffnet werden. Zudem könne er auf Anweisung des Vorsitzenden Richters als Angeklagter gezwungen werden, vor dem Gericht zu erscheinen. Karadzic werden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnienkrieges von 1992 bis 1995 in elf umfangreichen Fällen vorgeworfen, darunter zwei Fälle von Völkermord.

Ypsilanti will nicht mehr für SPD-Bundesvorstand kandidieren

Die frühere hessische SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti zieht sich aus dem Bundesvorstand ihrer Partei zurück. In einem Brief an die SPD-Führung kündigte sie den Verzicht auf eine erneute Kandidatur beim Bundesparteitag Mitte November in Dresden an. Auf mittlere Sicht schließe sie eine erneute Bewerbung für den Parteivorstand aber nicht aus, heißt es in einem Schreiben, in dem sie auch mit parteiinternen Kritikern abrechnet. "Die hessische SPD und insbesondere ich als Person wurden hingegen systematisch von denen diskreditiert, die mit inhaltlichen Wortbrüchen (Teile der Agenda 2010, Mehrwertsteuererhöhung etc.) zum Identitätsverlust der SPD und in der Folge zu Hunderttausenden Parteiaustritten und serienmäßigen Niederlagen beigetragen haben."

Israelische Luftwaffe fliegt Angriff auf Gaza-Streifen

Die israelische Armee hat nach dem Abschuss einer Rakete aus dem Gaza-Streifen einen Angriff auf das Palästinensergebiet geflogen. Wie ein Militärsprecher sagte, wurden in der Nacht zum Donnerstag im nördlichen Gaza-Streifen eine Waffenfabrik und im Süden zwei Schmugglertunnel an der Grenze zu Ägypten bombardiert. Über mögliche Opfer wurde zunächst nichts bekannt. Zuvor war nach Armeeangaben von palästinensischer Seite eine Rakete abgefeuert worden, die im östlichen Teil der israelischen Negevwüste einschlug. Verletzte oder Schäden gab es demnach nicht. Nach Armeeangaben wurden in den vergangenen drei Jahren mehr als 60 Raketen aus dem Gaza-Streifen auf Israel abgefeuert.

Brigadegeneral in Islamabad erschossen

In der pakistanischen Hauptstadt Islamabad sind ein Brigadegeneral und sein Fahrer erschossen worden. Ein weiterer Soldat sei verwundet worden, als Unbekannte von einem Motorrad aus das Feuer auf einen Geländewagen der Armee eröffneten, sagte ein Polizeisprecher. Auf Fernsehbildern waren rund ein Dutzend Einschusslöcher in dem olivgrünen Auto zu sehen. Zunächst bekannte sich niemand zu der Tat. Der Hinterhalt war der zweite Anschlag in der Hauptstadt der Atommacht innerhalb weniger Tage.

USA sichert Südkorea Unterstützung zu

Südkorea kann sich nach den Worten von US-Verteidigungsminister Robert Gates weiter auf den Schutzschirm der nuklearen Abschreckung seines Landes gegen Nordkorea verlassen. Zusammen mit seinem südkoreanischen Kollegen Kim Tae Young kritisierte Gates am Donnerstag in Seoul die Atom- und Raketentests in Nordkorea in den vergangenen Monaten als "ernsthafte Bedrohung des Friedens und der Stabilität" für die Region und die internationale Gemeinschaft. Die USA und Südkorea würden Nordkorea niemals als Atommacht anerkennen, sagte Gates. Er bekräftigte die Entschlossenheit der USA, Südkorea eine erweiterte Abschreckung mittels der ganzen Bandbreite militärischer Kapazitäten zu bieten, inklusive des atomaren Schutzschirms, konventioneller Fähigkeiten und Raketenpotenziale, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung nach den jährlichen bilateralen Sicherheitsberatungen.

Putschisten beschallen Zelaya

Die Putschisten in Honduras verstärken den Druck auf den in der brasilianischen Botschaft in Tegucigalpa verschanzten, rechtmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya. Wie dessen juristischer Berater Rasel Tomé dem Sender Radio Globo sagte, wurden der Präsident und seine mit ihm in der Botschaft ausharrenden Anhänger in der Nacht zum Mittwoch von Soldaten mit ohrenbetäubender Musik, Militärmärschen und Aufnahmen von Tierschreien beschallt, um sie am Schlafen zu hindern. Ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP, der sich ebenfalls in der Botschaft aufhält, bestätigte die Angaben. Die "psychologische Kriegsführung" fand demnach wenige Stunden vor einem Treffen der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Washington statt. Diese rief die Konfliktparteien auf, den Stillstand in den Krisengesprächen zu überwinden und den Dialog fortzusetzen.

Kämpfe in Mogadischu fordern Opfer

Bei Kämpfen in der somalischen Hauptstadt Mogadischu sind mindestens 20 Menschen getötet worden, die meisten von ihnen Zivilpersonen. Rund 60 Personen wurden verletzt, wie Rettungskräfte weiter mitteilten. Nach Polizeiangaben griffen Aufständische am Flughafen die Maschine von Präsident Sheik Sharif Sheik Ahmed mit Mörsergranaten an. Der Staatschef konnte unverletzt abfliegen. In Mogadischu kommt es fast täglich zu blutigen Kämpfen. Islamische Aufständische versuchen, die Übergangsregierung zu stürzen und die Friedenstruppen der Afrikanischen Union zu vertreiben.

Ausweisung muss nicht zwangsläufig sein

EU-Staaten müssen Bürger aus Drittstaaten, die sich illegal in ihrem Land aufhalten, nicht unbedingt ausweisen. Sie können dies aber durchaus tun. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg festgestellt. Die höchsten EU-Richter entschieden, auch der Vertrag über den grenzkontrollfreien Schengen-Raum enthalte keine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten, illegale Ausländer auszuweisen. Dies sei aber sehr wohl möglich, wenn die nationale Gesetzgebung das vorsehe. Im vorliegenden Fall ging es um zwei Bolivianer, die aus Spanien ausgewiesen worden waren. Sie hatten sich dagegen gewehrt und argumentiert, Spanien hätte ihnen auch eine Geldstrafe auferlegen können. Die EU-Richter entschieden, dass die spanischen Behörden korrekt entschieden hätten. Zudem bedeute auch die Verhängung einer Geldstrafe in Spanien nicht, dass illegale Einwanderer nach deren Begleichung im Land bleiben dürften.

Auszeichnung des Europaparlaments für Organisation Memorial

Die russische Menschenrechtsorganisation Memorial erhält den diesjährigen Sacharow-Preis für Meinungsfreiheit des Europaparlaments. Die mit 50.000 Euro dotierte Auszeichnung wurde am Donnerstag stellvertretend den drei Aktivisten und Kreml-Kritikern Ljudmila Alexejewa, Sergej Kowaljow und Oleg Orlow zugesprochen. Die Preisverleihung findet am 16. Dezember im Europaparlament in Straßburg statt.

Die Organisation Memorial wurde vor 20 Jahren in Erinnerung an die Opfer des Stalinismus gegründet, entwickelte sich aber rasch zu einer breiten Bürgerrechtsbewegung. Eine ihrer Aktivistinnen, Natalja Estemirowa, wurde im Juli in Tschetschenien verschleppt und getötet. Die Preisträger stehen auch stellvertretend für alle anderen russischen Menschenrechtsaktivisten, wie EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek in Brüssel sagte.

Hubschrauber im Norden Afghanistans abgestürzt

Im Norden Afghanistans ist am Donnerstag ein Hubschrauber abgestürzt. Dabei habe es Opfer gegeben, teilte der Geheimdienstchef der Provinz Baghlan mit. Unterschiedliche Angaben machten der Geheimdienstgeneral und das Einsatzführungskommando der Bundeswehr über die Art des Helikopters. Während auf afghanischer Seite von einem Militärhubschrauber die Rede war, sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos in Potsdam, es habe sich um eine zivile Maschine gehandelt. Nach den Insassen des verunglückten Helikopters werde gesucht.

SPD nominiert Thierse als Bundestags-Vize

Der SPD-Politiker Wolfgang Thierse soll stellvertretender Bundestags-Präsident bleiben. In einer Kampfabstimmung in der SPD-Fraktion setzte sich der 65-Jährige am Donnerstag mit 84 Stimmen klar gegen Susanne Kastner (44 Stimmen) durch. Beide gehörten bislang als Vize-Präsidenten der Parlamentsspitze an. Wegen des schlechten Ergebnisses der SPD bei der Bundestagswahl steht ihr dort nur noch ein Platz zu. Die Wahl des gesamten Parlamentspräsidiums ist am kommenden Dienstag geplant.

Sieben Tote bei Terroranschlag in Algerien

Bei einem Angriff islamischer Terroristen sind am Donnerstag in Algerien sieben Sicherheitsleute getötet und zwei weitere verwundet worden. Das Terrorkommando habe bei Tizi Ouzou etwa 110 Kilometer östlich von Algier eine Baustelle der kanadischen Firma SNC Lavalin angegriffen, berichteten örtliche Polizisten. Unter den Opfern sind keine Ausländer. SNC Lavalin arbeitet in Quadhias bei Tizi Ouzou an einer Wasserleitung. Die Sicherheitsleute stammen alle aus demselben Dorf. Sie wurden in ihrem Kleintransporter erschossen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: