Politik kompakt:Chodorkowskij im Hungerstreik

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Der inhaftierte Kremlkritiker Chodorkowskij ist in einen unbefristeten Hungerstreik getreten - er will damit gegen Justizwillkür in Russland protestieren. Weitere Kurzmeldungen im Überblick.

Der inhaftierte Kremlkritiker und frühere Ölmanager Michail Chodorkowskij (46) ist aus Protest gegen Justizwillkür in Russland in einen unbefristeten Hungerstreik getreten. Der bekannteste Häftling des Landes will damit die Aufmerksamkeit von Kremlchef Dmitrij Medwedew auf die andauernden Gesetzesverstöße lenken, berichteten russische Medien.

Protestiert gegen die Justizwillkür: Michail Chodorkowskij. (Foto: Foto: AP)

Der Chef des inzwischen zerschlagenen Ölkonzerns Yukos, der seit 2003 wegen Steuerbetrugs in Haft sitzt, muss sich derzeit in einem zweiten Verfahren wegen Geldwäsche verantworten. Menschenrechtler zeigten sich besorgt wegen des Gesundheitszustands von Chodorkowskij. Ein Moskauer Gericht hatte Mitte Mai die Haftfrist in dem aktuellen Verfahren formell um drei Monate verlängert. Aus Sicht Chodorkowskijs verstößt dies aber gegen ein unlängst von Medwedjew unterzeichnetes Gesetz. Demnach dürfen Beschuldigte in Wirtschaftsstrafverfahren in der Regel nicht mehr in Untersuchungshaft genommen werden. Viele Menschen seien von dem Gesetz betroffen. Doch die russischen Justizbehörden würden das von Medwedjew initiierte Gesetz "offen missachten".

Der Oligarch war 2003 während der Amtszeit des damaligen Kremlchefs Putin festgenommen worden. Er wurde 2005 verurteilt. Die achtjährige Haftstrafe endet im kommenden Jahr. Deutschland und die USA zweifeln die Rechtmäßigkeit des Verfahrens an.

In Thailand stimmen die Regierungsgegner Gesprächen zu, nordirische Polizisten sind bei einem Anschlag verletzt worden und Portugals Präsident macht den Weg für die Homo-Ehe frei: Lesen Sie auf den nächsten Seiten weitere Kurzmeldungen.

Nach tagelangen Straßenkämpfen in Bangkok steht seit Dienstag ein neues Vermittlungsangebot im Raum. Der Senatspräsident hat sich bereiterklärt, mit Demonstranten und Regierungsvertretern zu reden. Die Rothemden akzeptierten das Angebot. Allerdings äußerte sich die Regierung skeptisch. "Das ist Unsinn", zitierte die Zeitung Nation Vizeregierungschef Suthep Thaugsuban. Solange die Demonstranten zuerst auf einen Truppenrückzug bestehen, will die Regierung nicht verhandeln.

Sie verlangt zuerst ein Ende der Proteste. Unterdessen gingen die Proteste rund um das weitgehend abgeriegelte Geschäftsviertel weiter, in dem sich mehrere tausend Rothemden verbarrikadiert haben. In dem Areal halten sich weiter zahlreiche Frauen und Kinder auf. Junge Männer versuchen immer wieder, aus dem von der Armee umstellten Viertel auszubrechen und neue Fronten aufzumachen. 37 Menschen sind seit Donnerstag ums Leben gekommen. Die Regierung beteuert, dass Soldaten nur schießen, wenn ihr eigenes oder das Leben anderer in Gefahr sei.

Ein für seine sozialkritischen Reportagen bekannter Fernsehjournalist ist in der russischen Stadt Tomsk aus einem Auto heraus mit Gummigeschossen schwer verletzt worden. Der für seine Berichterstattung über politische und soziale Brennpunkte mehrfach ausgezeichnete Direktor der TV-Gesellschaft Der achte Tag, Mark Minin (44), kam am Dienstag mit Wunden an Arm, Brust und Hüfte in ein Krankenhaus der sibirischen Großstadt. Minins Zustand sei stabil, sagte der behandelnde Arzt der Agentur Interfax.

Gouverneur Viktor Kress verurteilte den Anschlag als "Schande". Er werde persönlich die Untersuchung der Tat übernehmen, kündigte Kress an. Der Angriff hänge mit dem Beruf ihres Mannes zusammen, zitierte das kremlkritische Internet-Portal kasparov.ru die Ehefrau des Journalisten, Iriada Minina. In seiner politischen Sendung "Lebensraum" hatte Minin immer wieder Missstände offen angesprochen. Es sei aber kein oppositionelles Programm, beteuerte seine Frau. Im November 2006 hatte Minin den TV-Sender "Der achte Tag" gegründet.

In Nordirland sind bei Angriffen auf die Polizei sechs Beamte verletzt worden. Die Polizisten wurden in Lurgan im Bezirk Armagh mit Benzinbomben und anderen selbst gebastelten Sprengsätzen beworfen, als sie auf der Bahnstrecke Belfast-Dublin eine vermeintliche Bombe inspizierten.

Eine Reserve-Einheit von 225 Polizisten, die eigentlich abgezogen werden sollte, soll nun bis März 2011 in der Region bleiben. Durch ein Friedensabkommen von 1998 endeten drei Jahrzehnte der Gewalt in der Region weitestgehend. Die Katholiken verlangten ein geeintes Irland, für die Protestanten sollte der Norden des Landes zu Großbritannien gehören. Seit die Befugnisse für Polizei und Justiz im April von der Großbritannien auf Nordirland übergingen, hat es erneut eine Reihe von Angriffen gegeben.

Das streng katholische Portugal hat die Homosexuellen-Ehe eingeführt. Präsident Aníbal Cavaco Silva erließ in Lissabon das im Februar vom Parlament verabschiedete Gesetz. Medien hatten spekuliert, dass der konservative Cavaco Silva aufgrund der Proteste der Kirche und der konservativen Parteien sein Veto einlegen würde. Der Staatschef machte jedoch auch keinen Hehl daraus, dass er der zivilen Trauung von Schwulen und Lesben mit Bedenken abgesegnet hat.

Er habe das Gesetz unterzeichnet, um in Zeiten schlimmer Finanz- und Wirtschaftskrisen "die Einheit der Portugiesen zu fördern". In einer Fernsehansprache kritisierte Cavaco Silva die Haltung der Parteien im Parlament, die sich nicht ausreichend um eine "für die große Mehrheit der Portugiesen akzeptable Lösung" bemüht hätten.

Bis 1992 war Homosexualität in Portugal strafbar. Gegner der Homo-Ehe hatten eine Volksabstimmung über das neue Gesetz gefordert und dafür rund 90.000 Unterschriften gesammelt. Papst Benedikt XVI. prangerte erst vergangene Woche bei seinem Besuch in Portugal die Homo-Ehe scharf an. Das Gesetz zur Einführung der Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern, das allerdings ein Adoptionsrecht ausschließt, war im Februar vom Parlament in Lissabon gebilligt worden.

Die Vereinten Nationen haben das Uran-Tauschabkommen mit Iran begrüßt. Die Vermittlungen der Türkei und Brasiliens seien "ermutigend", sagte ein Sprecher von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Die bereits verabschiedeten Resolutionen des UN-Sicherheitsrats müssten jedoch befolgt werden.

Iran hatte trotz der Vereinbarung angekündigt, weiter Uran anreichern zu wollen. Dieses Vorhaben verstößt gegen UN-Resolutionen. Ebendies kritisierten die USA. Die Absicht Irans, auch in Zukunft Uran anzureichern, stelle eine Verletzung von UN-Resolutionen dar, erklärte Präsidialamtssprecher Robert Gibbs.

Angesichts der wiederholten Weigerung der Islamischen Republik, Verpflichtungen nachzukommen, seien die USA und ihre Verbündeten unverändert besorgt. Sie sähen keinen Anlass zu einem Kurswechsel. Auf Vermittlung der Türkei und Brasiliens hatte sich Iran zu einem Uran-Austausch außerhalb des eigenen Staatsgebiets bereiterklärt.

Der mutmaßliche NS-Kriegsverbrecher John Demjanjuk ist wegen Herzproblemen in ein Krankenhaus gebracht worden. Der 90-Jährige habe sich nach eigenen Angaben vor Verhandlungsbeginn unwohl gefühlt und sei daraufhin von einem Arzt untersucht worden, teilte ein Sprecher des Landgerichts München mit. Der Mediziner habe dann entschieden, dass eine Untersuchung in einer Klinik sinnvoll sei. Offen blieb zunächst, ob Demjanjuk womöglich verhandlungsunfähig ist.

Dem Gerichtssprecher zufolge war zunächst weiter geplant, die Hauptverhandlung am Mittwoch fortzusetzen. Demjanjuk muss sich seit November vor dem Münchner Gericht wegen Beihilfe zum Mord in 27.900 Fällen verantworten, weil er im Jahr 1943 im NS-Vernichtungslager Sobibor KZ-Wächter gewesen sein soll. Im April hatte er die Anklagevorwürfe in einer von seinem Anwalt verlesenen Erklärung als falsch bezeichnet. Bei einer Verurteilung drohen dem gebürtigen Ukrainer bis zu fünfzehn Jahre Haft.

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