Pistorius in Polen:"Wir schätzen sehr die Präsenz der deutschen Patriots in Polen"

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Verteidigungsminister Boris Pistorius mit seinem polnischen Amtskollegen Mariusz Blaszczak. (Foto: Kacper Pempel/Reuters)

Erst wollte Warschau gar keine deutschen Flugabwehrsysteme stationieren - nun sollen sie sogar länger bleiben als geplant. Doch auch Verteidigungsminister Pistorius hat eine klare Forderung.

Von Georg Ismar, Zamość

Boris Pistorius' Wagen ruckelt über eine Schotterpiste durch Mais- und Haferfelder, ein eher ungewöhnlicher Ausflug für den Bundesminister der Verteidigung. Ordentlich durchgeschüttelt ragen am Horizont plötzlich die schräg ausgerichteten Flugabwehrraketensysteme Patriot aus den Feldern. Sie sind auf einer Anhöhe platziert, etwa 320 Bundeswehrsoldaten sind seit Ende Januar im polnischen Zamość im Einsatz, sie leben in provisorischen Feldlagern. 60 Kilometer entfernt liegt die Ukraine - und dass die deutschen Patriot-Systeme hier stehen, hat natürlich mit dem Krieg und der neuen Gefahr für die Nato-Ostflanke durch Russland zu tun.

Pistorius dankt der Truppe für den Einsatz, er lässt sich zusammen mit seinem Amtskollegen Mariusz Blaszczak die Stellungen vorführen. Die Präsenz Deutschlands an der Ostflanke der Nato sei streng defensiv und allein darauf ausgelegt, das Bündnisgebiet zu schützen, betont die Bundeswehr. Polen ist nun einmal einer der am stärksten gefährdeten Verbündeten. Aber ausgerechnet die Patriot-Systeme hier waren ein Politikum - und werden es nun wieder. Es spiegelt die Probleme im deutsch-polnischen Verhältnis.

Pistorius will schnell Reparaturzentrum für Kampfpanzer aufbauen

Mit der Regierungspartei PIS gibt es immer wieder Reibereien, das Thema der Reparationen für den Zweiten Weltkrieg wird auch im Wahlkampf für die Parlamentswahl im Herbst wieder gespielt, ein Thema, das Berlin als abgeschlossen ansieht. Um die Spannungen zu mindern, versucht man auch immer wieder, militärisch die Kooperation suchen, wie bei der Leopard-2-Kampfpanzer-Koalition für die Ukraine. Als im November Raketen in Polen einschlugen und zwei Menschen töteten, war beim zeitgleich stattfindenden G20-Gipfel auf Bali eine hektische Krisendiplomatie in Gang gesetzt worden. Wären es russische Raketen gewesen, hätte der Nato-Bündnisfall zur Debatte gestanden. Allerdings handelte es sich wohl um eine ukrainische Flugabwehrrakete.

Die damalige Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) bot ihrem polnischen Amtskollegen Blaszczak an, deutsche Patriots nach Polen zu verlegen. Doch Blaszczak meinte, Deutschland solle die Patriots besser in der Ukraine stationieren - was wiederum in Berlin Irritationen auslöste. Schließlich nahm Warschau das Angebot doch an, hinter dem Gerangel werden auch innenpolitische Motive vermutet. Mitunter auftauchende anti-deutsche Töne passen halt nicht, wenn man zugleich solche Hilfsangebote annimmt.

Heute, auch angesichts der Instabilität in Russland und Unklarheit über die nächsten Schritte von Präsident Wladimir Putin, ist man froh, dass die Systeme hier stationiert sind. Es kommen von Blaszczak andere Töne als noch vor ein paar Monaten, als man diese bodengestützten Systeme, die Flugzeuge, Marschflugkörper und Mittelstreckenraketen abwehren können, gar nicht haben wollte.

"Wir schätzen sehr die Präsenz der deutschen Patriots in Polen", sagt Blaszczak am Montag in Zamość und blickt zu Pistorius herüber. Man würde sich wünschen, dass diese bis Ende des Jahres hier stationiert bleiben. Vielleicht auch länger. Eigentlich war dies zunächst nur für ein halbes Jahr geplant, über die Verlängerung muss jetzt verhandelt werden. Und statt drei Patriot-Systemen aus Deutschland sind derzeit nur noch zwei hier. Eines plus die zwei bisher in der Slowakei stationierten Systeme wurden zum Schutz des Nato-Gipfels am 11. und 12. Juli in die litauische Hauptstadt Vilnius verlegt. Zwei sollen danach dauerhaft zurück nach Deutschland, ob das dritte davon nach Polen zurückkehrt, ist offen.

Das Reparaturzentrum für "Leopard"-Panzer ist ein vertracktes Thema

Denn Pistorius geht auf Blaszczaks Wunsch, dass möglichst alle drei Patriots bis mindestens Ende des Jahres bleiben, im öffentlichen Statement gar nicht ein. Er widmet sich vor allem der anderen offenen Frage. Von der polnischen und deutschen Rüstungsindustrie soll in Polen nahe der Grenze zur Ukraine ein Reparaturzentrum für Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 aufgebaut werden, damit beschädigtes Kampfgerät schnell der Ukraine für ihre Offensive zurückgegeben werden kann. Doch es ist von sehr vertrackten Verhandlungen die Rede. Es geht auch um Lizenzfragen, man will die eigene Technologie schützen. Zudem um juristische und finanzielle Details, um die Zuständigkeiten bei der Reparatur.

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Auf deutscher Seite sind die Leopard-2-Produzenten Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall beteiligt, auf polnischer Seite Polska Grupa Zbrojeniowa (PGZ). Pistorius fordert indirekt, dass der polnische Staat seinen Einfluss auf PGZ geltend machen sollte. Eine rasche Instandsetzung der Kampfpanzer sei für die nachhaltige Unterstützung der Ukraine ebenso elementar wie der Munitionsnachschub.

"Ich bin der Auffassung, dass die Zeit drängt," sagt Pistorius. Er erwarte, dass die Gespräche über die Details in den "nächsten zehn Tagen" beendet werden. Unausgesprochen ist klar, dass er die Frage der Patriot damit verknüpft. Es wirkt fast wie eine Art Junktim. Ohne Einigung könnte der Hub schließlich auch woanders errichtet werden. Wenn es nun aber schnell gehen sollte mit einer Einigung beim Wartungs-Hub zwischen den Rüstungsunternehmen, dann dürften auch die Patriots weiter Polens Ostflanke sichern.

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