Umfrage:Was Polen und Deutsche übereinander denken

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Grenzübergang zwischen Deutschland und Polen. Neue Zahlen zeigen, dass nicht alle Polen begeistert sind, wenn Deutschland mehr militärisches Engagement zeigt. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

In Polen finden einige, die Nachbarn könnten bei der Unterstützung der Ukraine mehr tun. Das zeigt eine aktuelle Umfrage. Welchen Anteil hat die Rhetorik der PiS-Regierung an diesen Ergebnissen?

Von Viktoria Großmann, Warschau

Was haben Polen und Deutsche gemeinsam? Beide Länder unterstützen die Ukraine stark und mehr als die Hälfte der Menschen im jeweiligen Land findet das richtig so. Danach beginnen aber schon die Unterschiede. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Deutsch-Polnischen Barometers, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Zum Beispiel unterstützen deutlich mehr Polen als Deutsche die Hilfen für die von Russland überfallene Ukraine. Besonders Waffenlieferungen, Sanktionen und das Ende der Rohstoffimporte aus Russland finden bei den polnischen Befragten großen Anklang. Während 76 Prozent der befragten Polen Waffenlieferungen befürworten, sind es auf deutscher Seite nur 51 Prozent. Die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge finden hingegen jeweils etwa 60 Prozent der Befragten richtig.

Die Beziehungen zwischen Berlin und Warschau sind auf einem Tiefpunkt angelangt

Seit 20 Jahren erstellen das Deutsche Polen-Institut, die Konrad-Adenauer-Stiftung, die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit und das Instytut Spraw Publicznych das Deutsch-Polnische Barometer. Dabei befragen sie jeweils 1000 Menschen in beiden Ländern zu ihrer Einstellung zur eigenen Politik sowie zu der ihrer Nachbarn.

Agnieszka Łada-Konefał, Mitautorin der Studie, fallen bei der Umfrage vom Mai nun besonders die Gemeinsamkeiten in der Ukrainepolitik ins Auge, es gebe eine Mehrheit dafür "und das freut einen". Denn die Beziehungen zwischen den Regierungen in Berlin und Warschau sind auf einem solchen Tiefpunkt angelangt, dass es längst auch anderen europäischen Nachbarn nicht mehr verborgen bleibt. Die mangelnde Zusammenarbeit beim Schutz des Grenzflusses Oder ist ein Beispiel dafür, ebenso die Kontroverse um die Flugabwehrsysteme vom Typ Patriot, die Deutschland Polen nun zur Verfügung stellt - die Polen aber anfangs nicht annehmen wollte.

Frühere Studien hatten gezeigt, dass in Polen die Wahrnehmung über Deutschland positiver ist, als umgekehrt. Die polnischen Befragten zeigten größere Sympathien. Sie schätzten auch die deutsch-polnischen Beziehungen stets besser ein, als die Deutschen. Bei den Sympathien gebe es allerdings einen wahrnehmbaren Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland, sagt Łada-Konefał. Die Ostdeutschen seien demnach deutlich polenbegeisterter als die Westdeutschen.

Erst 2022, kurz vor dem russischen Überfall auf die Ukraine, hatte sich die gegenseitige Wahrnehmung gedreht, nun sahen die Deutschen die Polen positiver als umgekehrt. Die Autoren der Studie machten dafür auch die anti-deutsche Propaganda der rechten PiS-Regierung in Warschau verantwortlich sowie die staatlichen Medien, die diese verbreiten.

Besonders unter PiS-Anhängern gibt es Ängste vor einer starken Bundeswehr

In diesem Jahr konzentriert sich das Deutsch-Polnische Barometer zunächst nicht auf die gegenseitigen Sympathien, sondern vor allem auf die Wahrnehmung des Nachbarn bei der Unterstützung der Ukraine. Während die Deutschen mit ihrem Engagement und auch dem der Polen überwiegend zufrieden sind, finden die Polen, Deutschland könne mehr tun - 36 Prozent sind dieser Meinung. Möglich, dass sich auch hier die Rhetorik der PiS niederschlägt, denn die polnische Regierung betont stets, dass Deutschland zu wenig tue. Radio und öffentlich-rechtliches Fernsehen in Polen berichten möglichst nichts über die deutsche Ukrainehilfe.

Nach Daten des Kieler Weltwirtschaftsinstituts liegt Deutschland im Ländervergleich bei der Summe aller Unterstützungsleistungen für die Ukraine auf Rang drei, Polen auf Rang sechs - Polen leistet aber deutlich mehr gemessen am eigenen Bruttoinlandsprodukt. Erstaunlich einig sind sich beide Seiten bei der Frage, ob ihnen die Unterstützung ihres eigenen Landes für die Ukraine zu viel ist: das sehen jeweils um die 30 Prozent so.

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Am deutlichsten werden die Auswirkungen der PiS-Rhetorik aber bei der Frage nach der Bundeswehr. Schon seit Jahren fragen die Autoren immer wieder: "Würde eine Verstärkung der Bundeswehr die polnische Sicherheit erhöhen?" Ebenfalls seit Jahren antworten die polnischen Befragten mit einem deutlichen "Ja". Nun, im Mai 2023 stimmen in beiden Ländern jeweils knapp 60 Prozent der Frage zu. Doch Ängste vor einer starken Bundeswehr gibt es noch - und zwar im Lager der PiS-Anhänger. Von ihnen sehen 35 Prozent diese Entwicklung mit Besorgnis.

Für Studienautorin Łada-Konefał ist das mit Blick auf die Aussagen des PiS-Parteivorsitzenden Jarosław Kaczyński kaum verwunderlich. Im Juni 2022 etwa hatte Kaczyński bei einem Treffen mit Bürgern gesagt: "Ich weiß nicht, ob Deutschland sich gegen Russland oder gegen uns aufrüsten will."

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