Kommunalwahlen in Polen:"Also, an die Arbeit!"

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Bei der Parlamentswahl im Herbst hatten noch knapp 75 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Jetzt waren es nur 51 Prozent. (Foto: Kacper Pempel/Reuters)

Nach ihrem guten Ergebnis bei den polnischen Regionalwahlen sieht sich die oppositionelle PiS-Partei in ihrem Kurs bestätigt. Das Regierungsbündnis von Donald Tusk kann ebenfalls Erfolge vorzeigen - hat aber auch Grund zur Selbstkritik.

Von Viktoria Großmann, Warschau

Nach den Kommunalwahlen am Sonntag in Polen freuen sich erst mal fast alle Seiten. PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński sieht sich schon die nächste Parlamentswahl gewinnen, die Bürgerkoalition (KO) von Ministerpräsident Tusk hat zehn von 16 Woiwodschaften erobert, drei mehr als zuvor, und in Warschau wurde Bürgermeister Rafał Trzaskowski mit knapp 60 Prozent der Stimmen gleich in der ersten Runde im Amt bestätigt. Nur die Wahlbeteiligung, die bei der Wahl für Sejm und Senat im Oktober bei knapp 75 Prozent gelegen hatte, fiel an diesem sommerlichen Aprilsonntag deutlich geringer aus: Nur 51 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab.

Die vorliegenden Zahlen beruhen auf sogenannten Exit Polls, Wahlnachbefragungen, die allerdings auch bei der Parlamentswahl im Herbst sehr exakt waren. Die Auszählung der Stimmen dauert noch an, die tatsächlichen Ergebnisse werden wohl erst am Dienstag feststehen. Gewählt wurden am Sonntag Bürgermeister, Gemeinderäte, Kreisräte und die Mitglieder der 16 Sejmiks, also der Regionalparlamente, welche die Geschicke der 16 Woiwodschaften lenken. Einige Bürgermeisterkandidaten, etwa in Breslau und Posen, müssen in zwei Wochen noch in die Stichwahl gehen.

PiS könnte auf kommunaler Ebene dennoch in der Opposition landen

Betrachtet man nur die pro Partei abgegebenen Stimmen, ähnelt das Bild dem der Parlamentswahl im Oktober. PiS liegt auf Platz eins, mit etwas Verlust, dahinter die Bürgerkoalition und das Bündnis Dritter Weg, das sich aus der Bauernpartei PSL und der christlich-grünen Bewegung Polska 2050 zusammensetzt. Allerdings landet diesmal dahinter die rechtsextreme Konfederacja, dann kommt erst die Linkspartei Lewica. Praktisch bedeutet das, dass die drei Bündnispartner in der Warschauer Regierung - Bürgerkoalition, Dritter Weg und Lewica - auch in Gemeinde- und Regionalverwaltungen zusammenarbeiten und somit die PiS-Partei in die Opposition drängen können.

Wenn nun aber alle sich freuen, heißt das andererseits auch, das keiner so ganz zufrieden ist. Alle Seiten finden, dass auch mehr drin gewesen wäre. Vor allem die Regierungsparteien geben sich selbstkritisch. Da zeigt sich wieder der neue Ton, der in Warschau seit der Vereidigung der Tusk-Regierung eingezogen ist. Denn jegliche Selbstreflexion lag und liegt PiS fern. Donald Tusk benannte klar, dass zu wenige junge Menschen gewonnen werden konnten und dass seine Partei erneut auf dem Land und im Osten der Republik nicht punkten konnte. "Also, an die Arbeit!", schrieb er auf seinem X-Kanal.

Der Vorsitzende der Partei Polska 2050, Szymon Hołownia, sprach nach der Wahl von einer "ernsten Warnung für unsere Koalition". Das Bündnis Dritter Weg, dem Hołownia angehört, hat im Vergleich zum Oktober an Zuspruch verloren. Der Dritte Weg will unter anderem das Vorhaben, Schwangerschaftsabbrüche bis zum Ende der zwölften Woche zu legalisieren, nicht mittragen. Darüber gab es zuletzt mit der Linken und der Bürgerkoalition heftige Diskussionen.

"Genug der Streitereien", sagt ein Vertreter des Regierungsbündnisses

Und auch sonst sind sich die Koalitionspartner natürlich nicht immer einig. Hołownia, der Parlamentspräsident ist, gestand ein, dass Zwistigkeiten in der Öffentlichkeit nicht gut ankommen. Er nehme dieses Signal "mit Demut" an. "Genug der Streitereien, vorwärts", verkündete Hołownia. Auch Vertreter der Linken äußerten sich entsprechend zerknirscht und selbstkritisch.

Bei PiS hingegen fühlt man sich ermutigt. Der frühere Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sprach von einer "gelben Karte" für die Regierungskoalition und erklärte, die "Vereinte Rechte" werde durch das Wahlergebnis gestärkt. PiS war stets zusammen mit kleineren Listenpartnern als "Vereinte Rechte" zur Wahl angetreten und hatte in dieser Formation auch regiert. Nun wollen PiS-Politiker auch eine Zusammenarbeit mit der rechtsextremen Konfederacja nicht mehr ausschließen. Jarosław Kaczyński sagte, in Polen habe es "schon lange nicht mehr so viel Böses" gegeben. "Polen muss ein Land sein, dass von Patrioten und ehrlichen Menschen regiert wird."

Unter der vergleichsweise geringen Wahlbeteiligung litten allerdings alle Parteien, Millionen Anhänger von PiS wie auch von anderen Parteien machten am Sonntag offenbar lieber einen Ausflug ins Grüne statt ins Wahllokal. Der frühere Präsident Aleksander Kwaśniewski, ein Unterstützer der Regierungskoalition, wollte denn auch nicht ganz so viel Kritik gelten lassen. Es sei ein gutes Ergebnis für Tusk und sein Kabinett, im Wesentlichen eine Bestätigung der Wahl vom 15. Oktober, sagte er im Fernsehsender TVP Info. PiS habe "eine eiserne Wählerschaft und gute Strukturen" und sei daher nicht zu unterschätzen. Aber die Regierungskoalition werde durch diesen starken Gegner zusammengehalten.

Bedeutend für Tusks Bürgerkoalition ist das Wahlergebnis von Rafał Trzaskowski, der im Amt des Stadtpräsidenten von Warschau bestätigt wurde. Das könnte Trzaskowski den Rückenwind geben, es auch erneut als Präsidentschaftskandidat zu versuchen. Er gilt ohnehin als Favorit seiner Partei. Im Sommer 2020 war er Andrzej Duda knapp unterlegen - 2025 könnte er bessere Aussichten haben.

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