Pläne von Verteidigungsminister Guttenberg:Die Reform der Bundeswehr - ein politisches Minenfeld

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Es ist ein Thema mit hohem Symbolwert: Die Pläne von Verteidigungsminister Guttenberg zur Verkleinerung der Streitkräfte und zur Zukunft der Wehrpflicht sind in der Union heftig umstritten.

Peter Blechschmidt

Verteidigungsminister Karl- Theodor zu Guttenberg (CSU) hat dem Bundeskanzleramt die Vorstellungen seines Hauses über den künftigen Umfang der Bundeswehr sowie über den Umgang mit der Wehrpflicht übermittelt. Guttenberg selbst wollte Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Telefongespräch unterrichten.

Verteidigungsminister Guttenberg wioll die Streitkräfte um 85.000 Soldaten verkleinern. Doch die Sparvorgaben des Finanzministers würde Guttenberg trotzdem nicht erfüllen. (Foto: dpa)

Am kommenden Montag will Guttenberg seine Überlegungen den Verteidigungsexperten von Union und FDP erläutern. Endgültige Entscheidungen werden wohl erst nach den Parteitagen der CSU im Oktober und der CDU im November fallen. Besonders die Zukunft der Wehrpflicht ist innerhalb der Union heftig umstritten.

Mit dem am Freitag vorgelegten Bericht kommt Guttenberg einem Auftrag des Kabinetts aus der Sparklausur Anfang Juni nach. Danach sollte das Verteidigungsministerium prüfen, welche Folgen eine Reduzierung der Streitkräfte um bis zu 40.000 Zeit- und Berufssoldaten für die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr sowie für die Wehrpflicht hätte. Außerdem fordert Finanzminister Wolfgang Schäuble Einsparungen von insgesamt 8,3 Milliarden Euro bis 2014.

Generalinspekteur Volker Wieker hat fünf verschiedene Modelle einer künftigen Bundeswehr durchrechnen lassen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung erfüllt allerdings keines davon die Sparvorgaben des Finanzministers. Das von Guttenberg favorisierte Modell Nummer Vier einer Bundeswehr mit 165000 Mann (gegenüber insgesamt 250.000 derzeit) brächte demnach bis 2014 nur Einsparungen von 1,5 bis zwei Milliarden Euro. Voll wirksam würden die möglichen Effizienzsteigerungen erst, wenn die neue Struktur voll umgesetzt sei, was bis 2017 erreicht sein soll.

Variante Vier sieht 156.000 Zeit- und Berufssoldaten statt bisher 195.000 vor. Hinzu kommen sollen 7500 Soldaten, die einen freiwilligen Wehrdienst leisten, dessen Dauer allerdings deutlich über dem gerade auf sechs Monate verkürzten Pflichtwehrdienst liegen müsste, damit er sinnvoll ausgestaltet werden könnte. Die im Grundgesetz verankerte Wehrpflicht bliebe formal erhalten, ihr Vollzug würde aber ausgesetzt.

Keinerlei Festlegungen

Alternativ dazu hat das Ministerium ein Modell Fünf mit 180.000 Zeit- und Berufssoldaten und 30.000 Wehrpflichtigen vorgestellt. Diese Variante wäre gegenüber Modell Vier um zwei Milliarden Euro pro Jahr teurer. Zugleich stünden wegen der notwendigen Ausbildung und Betreuung der Wehrpflichtigen aber kaum mehr Soldaten für die Einsätze zur Verfügung als nach Modell Nummer Vier.

In Regierungskreisen wurde am Freitag betont, dass es noch keinerlei Festlegungen gebe. Guttenberg hätte es diesen Angaben zufolge gern gesehen, wenn das Kabinett in Kürze zumindest Leitlinien beschließen würde. Angesichts des großen Diskussionsbedarfs innerhalb der Union scheut die CDU-Vorsitzende Merkel aber offenbar allzu frühe Entscheidungen. Vielmehr sollen die Parteitage abgewartet werden.

Für viele Unionspolitiker hat die Wehrpflicht einen hohen symbolischen Stellenwert. Sie erachten sie als Garanten für die Verankerung der Streitkräfte in der Gesellschaft. Abgesehen davon würde allerdings selbst eine Aussetzung der Wehrpflicht erhebliche Probleme aufwerfen. So stellt sich die Frage, wie mit der Bürokratie für die Erfassung der Wehrpflichtigen, die Musterung und die Wehrüberwachung verfahren werden soll. Würde man diesen Apparat abschaffen, ließe er sich wohl kaum schnell reaktivieren, wenn man wieder auf die Wehrpflicht zurückgreifen wollte.

Überhaupt gestaltet sich der angestrebte Personalabbau schwierig. Auch in den Ruhestand versetzte Berufssoldaten kosten Geld. Umgekehrt müssten bei einer Freiwilligenarmee erhebliche Mittel für die Nachwuchswerbung sowie für die Attraktivitätssteigerung der Streitkräfte aufgewendet werden.

Völlig unklar ist noch, welche Auswirkungen die Reduzierung des militärischen Personals auf die zivilen Beschäftigten haben würde. Schon jetzt liegt die Bundeswehr mit noch 20.000 Beamten und Zivilangestellten über der für dieses Jahr angestrebten Reduzierung auf 75.000 Beschäftigte. Bei einer Anpassung an den kleineren Bestand an Soldaten müssten weitere 16.000 Stellen abgebaut werden.

Schließlich bezweifeln viele Sicherheitspolitiker nicht nur der Union, dass eine Bundeswehr mit weniger als 200.000 Soldaten die deutschen Verpflichtungen in Nato und EU nicht mehr erfüllen könnte. Im Vergleich zu Bündnispartnern wie Großbritannien, Frankreich, Italien oder Spanien stünde Deutschland, bezogen auf das Verhältnis zwischen Soldaten und Gesamtbevölkerung, ziemlich am Ende der Skala.

Und letztlich hätte eine kleinere Bundeswehr die Schließung weiterer Standorte zur Folge. Viele dieser Kasernen liegen in strukturschwachen Gebieten und stellen dort einen maßgeblichen Wirtschaftsfaktor dar. Gleiches gilt für die Rüstungsindustrie, die durch Streichung oder Reduzierung von Beschaffungsprojekten betroffen wäre.

All dies sind Aspekte, welche die Neuorganisation der Bundeswehr zu einem politischen Minenfeld machen.

© SZ vom 21.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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