Der Geldsegen kam in zwei Tranchen. Ende Februar 2012 landeten erst 3000, dann 25 000 Euro auf dem Konto des Frankfurter Kreisverbandes der CDU. Der Absender war ungewöhnlich: Es handelte sich um die Deutschland-Repräsentanz eines mächtigen ausländischen Konzerns, des staatlichen aserbaidschanischen Öl- und Gasunternehmens Socar.
Der Fall hat Brisanz: nicht nur, weil er einen mehr als vier Jahre andauernden Rechtsstreit mit der Bundestagsverwaltung nach sich zog, von dem die Öffentlichkeit nichts erfuhr. Nach den merkwürdigen und immer noch nicht aufgeklärten Aserbaidschan-Verbindungen des ehemaligen CSU-Politikers Eduard Lintner sowie der CDU-Bundestagsabgeordneten Karin Strenz ist die heikle Spende zudem ein weiteres Indiz für eine ungewöhnliche Nähe von Unions-Funktionären zur umstrittenen Republik am Kaspischen Meer.
Exklusiv Bundestag:Die Aserbaidschan-Connection einer CDU-Abgeordneten
Mehrmals hat die CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz Geld von einer Firma erhalten, die von der Regierung in Baku mitfinanziert wurde. Strenz ist dem autoritären Regime gegenüber auffällig positiv gesinnt.
Nach Informationen von WDR, SZ und Abgeordnetenwatch.de hat die Bundestagsverwaltung vor wenigen Tagen per offiziellem Bescheid festgestellt, dass die CDU mit dem Geld von Socar eine unzulässige Parteispende aus dem Ausland angenommen habe; die Partei räumt dies auf Anfrage ein. Und es handelt sich nicht um irgendeinen Konzern, um irgendein Land. Das Unternehmen beschert dem Kaukasusstaat etwa 90 Prozent der staatlichen Einnahmen, seine Manager zählen zur Führungsclique um den Präsidenten İlham Əliyev, dem Organisationen wie Transparency International seit vielen Jahren Korruption und fehlende Transparenz vorwerfen.
Die Frankfurter Lokalpolitiker, die das Geld angenommen haben, hatten zunächst keinen Anstoß an der Spende und ihrer Herkunft genommen, weder aus ideellen noch rechtlichen Gründen. Die Funktionäre verbuchten das Geld ordnungsgemäß, kam es doch von einem deutschen Konto. Doch deutsche Parteien dürfen Spenden aus dem außereuropäischen Ausland grundsätzlich nicht annehmen, auch nicht von deutschen Vertretungen. Die Arglosigkeit mag erstaunen, erst kurz zuvor war ein neuer Schatzmeister gewählt worden, ein Rechtsanwalt, Notar und früherer Justiziar der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Auch ein Wirtschaftsprüfer beanstandete den Geldfluss nicht.
Die CDU hat zwar gegen das Gesetz verstoßen - doch eine Strafe bekommt sie nicht
Erst später, in der Parteizentrale in Berlin, wo alle Einnahmen in den Rechenschaftsbericht einfließen sollen, bekamen interne Prüfer Bedenken. Sie setzten die für Parteienfinanzierung zuständige Bundestagsverwaltung in Kenntnis. In dem daraus resultierenden Rechtsstreit zwischen Bundestagsverwaltung und Partei ging es zuletzt vor allem darum, ob die CDU ein Bußgeld zahlen muss. Die Juristen der Bundestagsverwaltung waren offenbar schnell überzeugt, dass die CDU das Geld zu Unrecht angenommen hatte, bereits im Herbst 2013 stuften sie es als unzulässige Auslandspende ein. Wie gesetzlich verlangt, überwies die Partei die illegale Spende in vollem Umfang an die Bundeskasse. Doch erst vor wenigen Tagen wurde der CDU das überraschende Ergebnis zugestellt: Sie hat zwar gegen das Gesetz verstoßen, bekommt aber keine Strafe.
Das könnte Schule machen: Geholfen hat ihr nämlich ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig. Es stellte im April fest, dass eine Selbstanzeige nicht nur Sanktionen mildern, sondern abwenden kann. Geklagt hatte die FDP, es ging um die Möllemann-Spendenaffäre von 2002. Diese Entscheidung fügt dem ohnehin flexiblen Regelwerk zu Parteispenden ein weiteres Schlupfloch hinzu. "Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat die Möglichkeiten für die Parteien, eine Sanktionsbefreiung zu erreichen, erweitert", heißt es dazu aus der Bundestagsverwaltung. An Mutmaßungen über mögliche Nachahmungseffekte wolle man sich jedoch nicht beteiligen.
Warum der Konzern das Geld gespendet hat, wurde nicht geprüft
Nicht geprüft hat die Bundestagsverwaltung die Frage, warum ein aserbaidschanischer Staatskonzern reichlich Geld an einen CDU-Kreisverband spendet. Der dortige Kreisgeschäftsführer möchte sich zu Motiven und möglichen Gesprächen und Kontakten im Vorfeld der Spende nicht äußern, genauso wie eine Sprecherin der Parteizentrale. Anders Elmar Mamedov, der Deutschland-Chef von Socar. Der Austausch mit politischen Funktionsträgern sei ihm "vor dem Hintergrund der geopolitischen Bedeutung Aserbaidschans und Socars wichtig", allein die bis 2019 fertigzustellende Gaspipeline durch sieben Staaten erfordere dies. Das Projekt hatte sich 2013 mit Unterstützung des damaligen EU-Kommissars für Energie, des deutschen CDU-Politikers Günther Oettinger, gegen das Konkurrenzvorhaben "Nabucco" durchgesetzt. In Deutschland nehme Socar soziale Verantwortung wahr und spende darum nicht nur an Parteien, sondern auch an Kultur- und Sportvereine, sagt Mamedov. Zu Details und möglichen Spenden an andere deutsche und europäische Parteien will er sich nicht äußern.
Damit bleibt der Fall ähnlich rätselhaft wie jener der Bundestagsabgeordneten Karin Strenz. Nach Recherchen von WDR, SZ und Abgeordnetenwatch.de gibt es in dem Fall neue Ungereimtheiten. Demnach hat Strenz ihre infrage stehenden Nebentätigkeiten für eine von Aserbaidschan bezahlte Lobbyistenfirma nicht wie verlangt binnen drei Monaten offengelegt. Dies legen Abbilder ihrer Profilseite auf bundestag.de nahe, die sich über das Internetarchiv der Seite zurückverfolgen lassen. Noch am 4. Oktober 2016 waren dort ihre umstrittenen Beratungstätigkeiten für die Firma Line-M-Trade des ehemaligen CSU-Politikers Lintner von 2014 und 2015 nicht aufgeführt, genauso wenig wie ihre Arbeit als Vorständin des Vereins Deutsch-Kasachische Gesellschaft.
Exklusiv Bundestag:Die Aserbaidschan-Connection einer CDU-Abgeordneten
Mehrmals hat die CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz Geld von einer Firma erhalten, die von der Regierung in Baku mitfinanziert wurde. Strenz ist dem autoritären Regime gegenüber auffällig positiv gesinnt.
Strenz ist derzeit krankgeschrieben, eine Anfrage ließ sie unbeantwortet. Ob die Bundestagsverwaltung wegen eines möglichen Verstoßes gegen die Veröffentlichungspflichten den Fall prüft, war auf Nachfrage nicht zu erfahren. Die neuen Erkenntnisse könnten bedeuten, dass Strenz möglicherweise öffentlich die Unwahrheit gesagt hat. Sie hatte nach Bekanntwerden ihrer Nebentätigkeit angegeben, alle Einkünfte beim Bundestagspräsidenten angemeldet, sie versteuert und damit allen Transparenzregeln entsprochen zu haben.