Rostock:Wirtschaftstag: Politik hat Wichtiges verschlafen

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Teile der norddeutschen Wirtschaft werfen den Regierungen der vergangenen Jahre in wichtigen Bereichen Untätigkeit vor. "Wir haben die letzten zehn oder zwanzig...

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Rostock (dpa) - Teile der norddeutschen Wirtschaft werfen den Regierungen der vergangenen Jahre in wichtigen Bereichen Untätigkeit vor. „Wir haben die letzten zehn oder zwanzig oder dreißig Jahre nicht genutzt“, sagte Andreas Mau, Mecklenburg-Vorpommerns Landesvorsitzende des Wirtschaftsrates der CDU, am Dienstag in Rostock-Warnemünde. Der Hamburger Landesvorsitzende Thies Goldberg nannte etwa die Digital- oder Verkehrsinfrastruktur, die Reform der Sozialsysteme wegen des demografischen Wandels oder die Gesundheitsversorgung als brach liegende Themen.

Man könne erkennen, dass „eine ganze Reihe von politischen Aufgaben der Zukunftsgestaltung in den letzten Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten liegengelassen wurden.“ Mau sagte, ein Unternehmer wäre insolvent, wenn er so gehandelt hätte. Er verwies zudem auf Energie. „Wir hatten ja in der Energiepolitik keinen Stresstest.“ Man habe das Szenario, in dem Russland als Energielieferant ausfällt, nicht durchgespielt. Von der Kritik könne man auch die dem Wirtschaftsrat nahe stehende CDU nicht ausnehmen.

Der Wirtschaftsrat der CDU ist ein Verband von Unternehmensvertretern und -vertreterinnen, der nach eigenen Angaben unabhängig von der CDU ist. Die rund 12.000 Mitglieder rekrutieren sich demnach etwa auch aus anderen Parteien. Gegründet wurde der Verband 1963 vom damaligen Wirtschaftsminister Ludwig Erhard (CDU). Mit dem Norddeutschen Wirtschaftstag, dessen diesjährige Ausgabe am Dienstag in Rostock-Warnemünde stattfand, wollen die fünf norddeutschen Landesverbände des Wirtschaftsrates - Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein - die Kooperation im Norden stärken.

Statt nur kurzfristig Symptome zu heilen, gehe es um langfristige Strategien, sagte Mau. Für Dienstag standen etwa die Themen Digitalisierung, die Tourismus-, Gesundheits- und Energiewirtschaft auf der Agenda. Auch die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger (FDP), hatte sich für den Abend angekündigt.

Die norddeutschen Verbände des Wirtschaftsrates forderten mehr Aufmerksamkeit für die Interessen von Unternehmen. „Bei der derzeitigen Regierung - dies trifft sowohl auf den Bund als auch auf die Länder zu - wird auf die Interessen der Unternehmen viel zu wenig eingegangen“, kritisierte Mau. Beim dritten Entlastungspaket der Bundesregierung gingen die Unternehmen wieder leer aus.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor zeigte sich zu Forderungen nach einer Deckelung von Energiepreisen und einem damit verbundenen Abweichen von der Schuldenbremse skeptisch. „Diese Deckel, die werden auch finanziert über Darlehen, nämlich auf Kosten der künftigen Generationen, wenn man dafür die Schuldenbremse aufweichen will.“ Die Aufnahme von Schulden in der Vergangenheit verschärfe aktuell auch die Inflation. Zur Bewältigung der Energiekrise müsse man vor allem mehr Angebot schaffen, etwa durch den Weiterbetrieb von Kernkraftwerken.

Zuletzt hatte etwa der Chef der CDU-Fraktion im Schweriner Landtag, Franz-Robert Liskow, Ausnahmen von der Schuldenbremse für die Finanzierung eines Energiepreisdeckels ins Spiel gebracht. „Eigentlich müsste bekannt sein, dass der Staat in wirtschaftlichen Krisen nicht auf dem Geld sitzen darf“, hatte Liskow, der auch CDU-Landeschef ist, am Sonntag mitgeteilt.

Bei dem Treffen am Dienstag sprach sich auch Mecklenburg-Vorpommerns Finanzminister Heiko Geue (SPD) für eine Deckelung der Energiepreise und eine mögliche Abweichung von der Schuldenbremse aus. „Auch wenn ich als Finanzminister keine Schulden machen möchte, in diesen Riesen-Krisensituationen ist es letztlich das richtige.“

Amthor kritisierte zudem Hilfszahlungen der Bundesregierung in der Energiekrise als sozial ungerecht. „Es ist nicht zu erklären, warum beispielsweise Bundestagsabgeordnete 300 Euro Energiepauschale brauchen“, sagte Amthor. Der Politiker mit Wahlkreis im Nordosten sagte, es wäre ihm stattdessen „hundertmal lieber“, wenn man für Rentnerinnen und Rentner in Mecklenburg-Vorpommern, dies es wirklich brauchten, Tausende Euro geben würden. „Dieses Ausgeben mit vollen Händen, das geht in die falsche Richtung“.

© dpa-infocom, dpa:220913-99-740376/4

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