SPD-Landesvorsitzender:Saleh: Die Menschen sind krisenmüde und können nicht mehr

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Raed Saleh spricht während einer Fragerunde. (Foto: Hannes P Albert/dpa)

Die Berliner SPD sucht eine neue Doppelspitze. Ein Thema wird in dem Zusammenhang leidenschaftlich diskutiert: Sollen Kitas gebührenfrei und das Schulessen gratis bleiben?

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Berlin (dpa/bb) - Der SPD-Landesvorsitzende Raed Saleh hat sein Eintreten für kostenfreie Bildung in Berlin gegen anhaltende Kritik verteidigt. „Wir wollen die Menschen entlasten, Stichwort Gebührenfreiheit für Kitas, Schulessen, Schulbücher“, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. „Die Leute wollen, dass die Stadt bezahlbar bleibt, deswegen habe ich für Diskussionen darüber kein Verständnis.“

Saleh bewirbt sich gemeinsam mit der Bezirkspolitikerin Luise Lehmann um den Parteivorsitz. Am Samstag beginnt eine Mitgliederbefragung dazu, wer künftig an der Spitze des Landesverbands stehen soll. Die Wahl ist für den 25. Mai vorgesehen.

Ein weiteres Bewerberduo bilden der stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Kian Niroomand und die Co-Vorsitzende der Berliner SPD-Frauen Jana Bertels. Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel und Ex-Staatssekretärin Nicola Böcker-Giannini treten ebenfalls an. Sie haben Salehs „Kostenlos-Konzept“ bereits mehrfach scharf kritisiert, Hikel zuletzt am Mittwoch in der „Welt“.

Hikel ist gegen gebührenfreie Kitas für alle

„Wir haben sämtliche Gebühren abgeschafft, die früher einmal einkommensabhängig erhoben wurden“, sagte er. „Wir haben es aber nicht geschafft, im gleichen Atemzug das System so auszustatten, dass auch die Qualität stimmt und die Menschen ihre Kinder überall gerne in Schule und Kita schicken.“ Er sei sich sicher, dass viele besserverdienende Eltern bereit wären, einen Beitrag zu leisten, damit die Qualität in Schule und Kita steige.

Saleh hält das für falsch: „Es nicht sozial zu sagen: Wir wollen euch das Leben in der Stadt garantieren, aber wir belasten euch noch mehr“, sagte er. „Die Menschen sind krisenmüde, sie können nicht mehr. Sie drehen jeden Euro zweimal um.“

Lehmann wies die Kritik ebenfalls zurück: „Gebührenfreiheit für alle ist sozial fair. Wenn man es nicht mehr für die finanzieren würde, die besser verdienen, dann gibt es keine Gemeinschaft mehr, sondern mehr Abgrenzung“, sagte sie. „Dann fahren die Kinder nicht mehr alle zusammen mit dem Bus, dann werden die Kinder nicht mehr in der Schule zusammen beim Mittagessen sitzen und nicht mehr gemeinsam in die Kita gehen.“

Das 29-Euro-Ticket soll die Berliner entlasten

Aus ähnlichen Gründen ist sie auch für das 29-Euro-Ticket: „Drei Viertel aller Berlinerinnen und Berliner fahren nur innerhalb des AB-Bereichs und wollen dieses Ticket, die freuen sich darauf, dass es kommt“, sagte die Bezirkspolitikerin aus Marzahn-Hellersdorf. „Für sie ist das im Vergleich zum Deutschlandticket eine Entlastung von 240 Euro im Jahr. Da ist es dann auch egal, ob es ein paar Leute trifft, die sich die 240 Euro auch leisten können und würden.“ Wichtig sei, so auch die Mittelschicht unkompliziert zu entlasten.

Saleh ergänzte, die Besserverdienenden müssten über die Steuern zur Kasse gebeten werden und nicht über die Kinder. „Auch in Zeiten knapper Kassen machen uns andere Themen aber mehr Sorgen als die Gebührenfreiheit.“ Es werde mit der Berliner SPD keine Verkäufe im Bereich der Daseinsvorsorge von Wasser, Energie bis ÖPNV geben.

„Wir wollen nicht, dass mit dem Hinweis auf die finanziell schwierige Situation unser Hab und Gut verscherbelt wird, auch in Zukunft nicht“, sagte Saleh. „Deswegen wollen wir auch eine Privatisierungsbremse in der Landesverfassung. Ich höre diese Diskussionen schon kommen, da muss man ganz klar einen Riegel vorschieben.“

Lehmann sagte, es sei wichtig zu schauen, was auch noch in 20 oder 30 Jahren für Berlin gut sei. „Das ist auch eine Form von Schutz vor Krisen, die noch kommen. Denn nicht allen, denen es heute gut geht, wird es immer gut gehen“, sagte sie.

© dpa-infocom, dpa:240404-99-556562/2

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