Aussagen zu Homosexualität:Der Papst fühlt sich missverstanden

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"Angemessenes Verständnis fördern": Der Papst nach einer Generalaudienz am vergangenen Mittwoch. (Foto: Alessandra Tarantino/AP)

Hat sich Franziskus durch seine Äußerungen zu Homosexualität und Familie von der katholischen Lehre abgewandt? Der Vatikan stellt klar: Die Äußerungen seien aus dem Zusammenhang gerissen.

Von Annette Zoch, München

"Homosexuelle haben ein Recht darauf, Teil der Familie zu sein. Was wir benötigen, ist ein Gesetz, das eine zivile Partnerschaft ermöglicht." Mit diesen beiden Sätzen hat Papst Franziskus vor knapp zwei Wochen die katholische Welt durchgeschüttelt. Gefallen sind die Aussagen schon im Mai 2019, in einem Interview mit dem mexikanischen Fernsehsender Televisa. Der russisch-amerikanische Regisseur Jewgeni Afinejewski hat die bisher unbekannten Szenen in seinen Dokumentarfilm "Francesco" hineingeschnitten, der jüngst in Rom gezeigt wurde. Wendet sich der Papst damit von der katholischen Lehre ab? Jetzt hat der Vatikan klargestellt: nein.

Die fraglichen Zitate seien aus dem Zusammenhang gerissen und missverständlich zusammengeschnitten worden, heißt es in einem Rundschreiben des vatikanischen Staatssekretariats an die Bischöfe in aller Welt. Der Brief sollte über die Nuntiaturen an die nationalen Bischofskonferenzen weitergeleitet werden. Der Botschafter des Papstes in Mexiko, Erzbischof Franco Coppola, publizierte ihn vorab auf Facebook. Dies solle dazu dienen, "ein angemessenes Verständnis der Worte des Heiligen Vaters zu fördern", heißt es darin. Demnach seien die beiden Sätze in unterschiedlichen Zusammenhängen gefallen und bezögen sich auf unterschiedliche Sachverhalte.

Der erste Teil beziehe sich darauf, dass innerhalb einer Familie Kinder mit homosexueller Orientierung nicht diskriminiert werden dürften. Gegenstand der zweiten Aussage war laut Vatikan ein argentinisches Gesetzesvorhaben vor zehn Jahren zur eherechtlichen Gleichstellung homosexueller Paare. Franziskus wandte sich damals - da war er noch Erzbischof von Buenos Aires - gegen eine gleichgeschlechtliche Ehe, befürwortete aber einen rechtlichen Schutz solcher Lebensgemeinschaften. Das vatikanische Rundschreiben zitiert dazu ein Interview mit dem Corriere della Sera von 2014, in dem sich Franziskus ähnlich äußert. Das Staatssekretariat betont, die Klarstellung erfolge auf ausdrücklichen Wunsch des Pontifex.

Vor allem die Kombination der beiden Sätze aus der Dokumentation hatte konservative Kleriker weltweit auf den Plan gerufen. Sie warfen Franziskus vor, einen Fehler gemacht zu haben und nicht im Sinne der katholischen Lehre zu handeln. Immerhin hatte die Glaubenskongregation 2003 unter Kardinal Joseph Ratzinger festgeschrieben, "die Achtung gegenüber homosexuellen Personen" könne "in keiner Weise zur Billigung des homosexuellen Verhaltens oder zur rechtlichen Anerkennung der homosexuellen Lebensgemeinschaften führen".

Franziskus' Aussagen machen dennoch einen Unterschied, findet der Mainzer Moraltheologe Stephan Goertz: "Mit seinem Plädoyer für eine Form der rechtlichen Anerkennung - ja, im Unterschied zur Ehe; aber immerhin spricht er von einer rechtlichen Ausgestaltung - bewegt sich Franziskus nicht auf der Linie der Vorgänger bei dieser Frage", sagt Goertz. Der Brief aus dem Vatikan verweist auch auf das Schreiben " Amoris Laetitia" (die Freude der Liebe) aus dem Jahr 2016, in dem der Papst schreibt, dass "jeder Mensch, unabhängig von seiner sexuellen Orientierung, in seiner Würde geachtet und mit Respekt aufgenommen werden soll". Interessant sei, was aus Amoris Laetitia nicht mehr zitiert werde: Die Passage nämlich, in der es heißt, es gebe "keinerlei Fundament dafür, zwischen den homosexuellen Lebensgemeinschaften und dem Plan Gottes über Ehe und Familie Analogien herzustellen". Theologe Goertz sagt: "Der Papst ist offenkundig der Überzeugung, dass man nicht sagen kann, es bestünden überhaupt keine Gemeinsamkeiten. Er trifft ein differenziertes Urteil, für ihn sind solche Partnerschaften also nicht einfach jenseits jeder moralischen Ordnung."

Der Generalvikar des Bistums Essen, Klaus Pfeffer, übte scharfe Kritik an dem vatikanischen Schreiben: "Was ist das für eine große Angst, die da spürbar wird", schreibt er auf Facebook. Verwirrung stifte eher eine "Kommunikationspolitik, die Papst Franziskus letztlich erheblich schadet und einmal mehr unendlich viele Katholikinnen und Katholiken enttäuscht".

Der Dokumentarfilm fand in offiziellen Vatikan-Medien nach Bekanntwerden der umstrittenen Aussagen keine Erwähnung mehr, obwohl anfänglich wohlwollend darauf hingewiesen worden war. Unklar ist, wie die brisanten Sätze ihren Weg in den Film fanden. Im mexikanischen Fernsehen wurden sie nie ausgestrahlt, in der vom Vatikan autorisierten Endfassung des Interviews fanden sie sich nicht mehr. Gut möglich, dass sie danach vergessen wurden und in den Tiefen des Vatikans verschwanden, wo sie Afinejewski nun bei der Recherche für seinen Film wieder ausgrub.

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