Ausgerechnet London. Pakistans Premierminister ist Mitte der Woche in die Stadt gereist, in der seine Kinder, versteckt über Briefkastenfirmen, einige wertvolle Immobilien halten. Offiziell plant Nawaz Sharif medizinische Untersuchungen. Doch in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad wird schon spekuliert: Ist der Regierungschef vor dem politischen Sturm geflohen, der wegen der Panama Papers auch sein Land erfasst hat? Sucht er in London gar die Unterstützung von Asif Ali Zardari, Pakistans Ex-Präsidenten, dem seit Jahren nachgesagt wird, die Hand aufzuhalten - sein Spitzname lautet "Mister 10 Prozent"?
"Das Timing des Besuchs hat sofort Gerüchte entfacht, dass Herr Sharif vielleicht nicht nach Pakistan zurückkommt, bis die Untersuchungen abgeschlossen sind", schreibt die New York Times. Alles falsch, versichert umgehend ein Sprecher von Sharif. Der Premier sei seit drei Wochen krank, sein Gesundheitszustand habe sich verschlechtert. Man könne, schob er empört nach, in Pakistan offenbar "nicht mal krank werden, ohne dass irgendwelche Gerüchtetreiber das politisch ausschlachten".
Fakt ist jedenfalls: Seit zwei Wochen schlagen in Pakistan die politischen Wogen hoch. Die Opposition beklagt, wie ungeniert sich ihrer Ansicht nach Mitglieder der Regierung in Islambad bereichern - allen voran Sharif. Seine Familie taucht mit etlichen Briefkastenfirmen in den insgesamt 11,5 Millionen Dokumenten auf, den Firmen gehören offenbar wertvolle Immobilien und über sie flossen viele Millionen Dollar. Imran Khan, der wichtigste Oppositionspolitiker des Landes, will deshalb die anderen Parteien für eine große Demonstration nach isländischem Vorbild gewinnen: vor der Residenz von Sharif in Lahore.
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Auch Superreiche sind nur Menschen: Mehr als das Finanzamt fürchten sie nur die Ehefrau - im Scheidungsfall.
Sharif wiederum tut so, als habe er sich nichts, aber auch gar nichts zuschulden kommen lassen. "Wir haben für das Land mit absoluter Ehrlichkeit gearbeitet", lässt er von London aus wissen. Aber haben das er und seine Familie wirklich?
Geld - keine Frage - haben die Sharifs zuhauf. Sie wurden durch Zucker- und Stahlgeschäfte reich, das amerikanische Magazin Forbes schätzt das Vermögen von Nawaz Sharif auf 1,4 Milliarden Dollar, er wäre damit der fünftreichste Pakistani. Zwei Plätze vor ihm, mit geschätzt 400 Millionen Dollar mehr: "Mister 10 Prozent", Asif Ali Zadari, der auch Witwer der früheren Premierministerin Benazir Bhutto ist.
Die Panama Papers werfen in Pakistan wieder einmal eine Frage auf, die viele Menschen in dem Land für sich längst beantwortet haben: Bereichern sich führende Politiker des Landes auf Kosten des Staats und der Bevölkerung?
Denn nicht nur Sharifs Familie taucht in den Unterlagen auf, sondern auch Benazir Bhutto, die im Jahr 2007 ermordete Premierministerin. Die Sharifs und die Bhuttos sind die beiden mächtigsten Polit-Familien des Landes, sie wechseln sich seit Jahren an der Spitze der Regierung ab: die Bhuttos für die Pakistan Peoples Party (PPP) und die Sharifs für die Pakistan Muslim League (PML-N). Der Chef der PPP ist derzeit Bilawal Bhutto Zardari. Der 27-jährige ist der einzige Sohn von Benazir Bhutto und Asif Ali Zardari - und gilt damit, trotz fehlender Erfahrung, bereits als qualifiziert für den höchsten Parteiposten. Was also erzählen die Panama Papers über diese beiden mächtigen Clans?
Zwei von Sharifs Kindern, Sohn Hussain und Tochter Mariam, operierten mit Briefkastenfirmen, denen teure Immobilien in London gehörten. Die Briefkastenfirmen wurden 2006 von einem anderen Offshore-Anbieter zu Mossack Fonseca transferiert. Laut den geleakten Dokumenten bekamen die Firmen von der Deutschen Bank in der Schweiz 2008 ein Darlehen in Höhe von sieben Millionen Pfund, für das vier der Apartments in London als Sicherheit dienten. Die Deutsche Bank erklärte dazu, sich zu "möglichen oder tatsächlichen Geschäftsbeziehungen nicht zu äußern".
In einem der Apartments in London wurde Sharif einst bei einer Pressekonferenz mit Benazir Bhutto fotografiert. Laut einer internen Notiz aus dem Jahr 2012, die in den Panama Papers zu finden ist, war "keines der Besitztümer vermietet und nur von der Eigentümerin und ihrer Familie belegt". Als Eigentümerin wurde Sharifs Tochter Mariam identifiziert.
Die Immobilien wurden nach Recherchen des Guardian bereits 1993 und 1996 erworben, als Sharif in der Opposition war. Dieses Investment machte Reyman Malik, ein politischer Widersacher von Sharif, 1998 öffentlich. Malik war Vorsitzender einer hohen pakistanischen Ermittlungsbehörde und stellte einen Bericht zusammen, demzufolge die Londoner Immobilien mit "unrechtmäßig erworbenem Vermögen" erworben worden seien, das die Familie Sharif "durch korrupte Methoden" zusammengerafft habe. Malik behauptete, die Immobilien wären steuerlich nicht deklariert worden. Einige Jahre später wiederholte der pakistanische Chef-Korruptionsermittler des Landes diese Vorwürfe.
Die Familie Sharif hat dies stets bestritten. In einer Stellungnahme zu den Recherchen für diese Geschichte erklärte die Familie Sharif, die Firmen gehörten Hussain Sharif, und er habe sie in seinen Steuererklärungen aufgeführt. Hussain habe auch die Herkunft des dafür verwendeten Geldes offengelegt, dieses stammte vor allem aus dem Verkauf eines Stahlwerks. "Keine der genannten Firmen gehören oder werden geführt von Herrn Nawaz Sharif, dem Premierminister von Pakistan." Auch dessen Tochter Mariam sei weder "wahre Eigentümerin noch Besitzerin einer dieser Firmen". Tatsächlich sei Mariam "lediglich Treuhänderin der Firmen von Hussain".
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Sharifs Tochter Mariam gilt in der Partei ihres Vaters als große Hoffnung, sie hat bei den jüngsten Wahlen ihre politische Karriere gestartet. Sie tritt innerhalb der Partei dafür ein, die Vorwürfe gegen ihre Familie nicht einfach zu schlucken, sondern mit allem Nachdruck zu kontern.
Der andere große pakistanische Name in den Panama Papers ist der von Benazir Bhutto. Im August 2001 wandte sich danach eine Londoner Anwaltskanzlei an Mossack Fonseca (Mossfon), um eine Briefkastenfirma gründen zu lassen. Wenig später ließ Mossfon im Namen der gegründeten Firma, Petroline International Inc., 17 000 Anteile für Bhutto ausstellen und je 16 500 für ihre beiden Geschäftspartner. Im Jahr zuvor hatte Bhutto eine Firma mit ähnlichem Namen gegründet, die Petroline FZC im Emirat Sharjah. Die Firma soll, wie 2005 durch einen unabhängigen Untersuchungsbericht bekannt wurde, in den Öl-für-Lebensmittel-Skandal der Vereinten Nationen verwickelt gewesen sein und zwei Millionen Dollar an das Regime des irakischen Diktators Saddam Hussein gezahlt haben - um Aufträge in Höhe von mehr als 100 Millionen Dollar zu erhalten. Bhutto bestritt alle Anschuldigungen.
Im Jahr 2001 waren die Vorwürfe noch nicht bekannt. Dennoch war man bei Mossfon skeptisch. Man forderte Referenzen, Passkopien und andere Dokumente an und wollte erfahren, zu welchem Zweck die Firma gegründet worden sei. Aber es kam wenig: Die Londoner Kanzlei schickte nur ein Schreiben, in dem Bhutto und ihre Partner als "respektabel und verantwortlich" beschrieben wurden.
Die Antwort der Kanzlei war Mossfon zu dünn. Das Schreiben wurde als "sehr ungenügend" markiert, und noch am selben Abend schickte Jürgen Mossack, der deutsche Gründer der Kanzlei, eine Mail mit der Auskunft, die Firma habe entschieden, Benazir Bhutto nicht als Kunden zu akzeptieren. Das war das Ende der Geschäftsbeziehung. Die bereits gegründete Firma wurde später an andere Kunden verkauft.