Panama Papers:So offshore ist Deutschland

Panama Papers: Illustration: Peter M. Hoffmann

Illustration: Peter M. Hoffmann

Panama steht in einem Ranking der Steueroasen nur auf Platz 13. Weiter oben findet sich: Deutschland.

Von Bastian Brinkmann und Vanessa Wormer

"Ein jeder kehr' vor seiner Tür, und sauber ist das Stadtquartier." Diesen Satz liebt Wolfgang Schäuble, und er zitiert ihn gerne. Im Bundestagswahlkampf 2002 kritisierte der Finanzminister, damals noch CDU-Oppositionspolitiker, die europäische Agrarpolitik. In der Euro-Krise ermahnte er die griechische Regierung. Es geht nur voran, wenn alle mitgehen: Das gilt auch bei der Steuerpolitik. In Berlin, auf Einladung Schäubles, wurde 2014 ein wegweisendes Abkommen gegen Steuerhinterziehung unterzeichnet. Dutzende Finanzminister und Staaten waren vertreten.

Deutschland als Vorreiter im Kampf gegen die internationale Steuerhinterziehung - so präsentiert sich die Bundesrepublik gern. Peer Steinbrück, Schäubles SPD-Vorgänger als Finanzminister, wollte sogar mal die Kavallerie in die Schweiz schicken, auf dass sie die dort die Banken stürme. Doch wer nachschaut, ob die Bundesrepublik eigentlich vor der eigenen Tür mit schwäbischer Gründlichkeit gekehrt hat, der entdeckt: Schmutz.

Auch Deutschland ist eine Steueroase. Das Netzwerk Steuergerechtigkeit sieht die Bundesrepublik auf Platz acht der weltweit schlimmsten Schattenfinanzplätze - deutlich vor Panama, das auf Rang 13 steht*. Die Nichtregierungsorganisation schaut dafür, wie einflussreich die Finanzindustrie eines Landes auf dem Weltmarkt ist - und verknüpft das mit der Frage, wie groß der nationale Graubereich ist, in dem ausländische Superreiche ihr Geld verstecken können. Einen solchen Bereich gibt es auch in Deutschland.

Der Staat blockiert zudem schärfere Gesetze, die für mehr Transparenz sorgen würden. Und er schlampt bei der Kontrolle, sodass Kriminelle praktisch nichts zu befürchten haben, wenn sie nur clever genug sind.

Deutschland ziehe Schwarzgeld magnetisch an

Die große, starke Wirtschaft bietet viele Anknüpfpunkte - und die politischen Verhältnisse sind so stabil, dass jeder aus der Ferne sein Vermögen hierzulande in sicheren Händen weiß. "Als reiche und sichere Industrienation zieht Deutschland das Schwarzgeld magnetisch an", sagt Kai Bussmann, Professor für Strafrecht und Kriminologie in Halle. Er hat für das Bundesfinanzministerium untersucht, wie Kriminelle die deutsche Wirtschaft für sich nutzen (Kurzfassung als PDF). Besonders beliebt sind Bereiche, die kaum im Fokus der Öffentlichkeit stehen: Immobilien, Glücksspiel, Kunst.

Die Bundesrepublik hat zwar ein Geldwäschegesetz, aber selbst Regierungsmitglieder halten es für wirkungslos. "Es funktioniert nicht - das ist eine Einladung an kriminelle Strukturen", sagte vor kurzem Thomas Kutschaty, Justizminister in Nordrhein-Westfalen. Und Strafrechtsprofessor Bussmann stellt fest: "Geldwäscher handeln großenteils wie Investoren und wählen unauffällige, aber gleichzeitig lukrative Anlagemöglichkeiten."

Wie sich die Steueroase Deutschland in den Panama Papers zeigt

Solche Investitionen werden in Deutschland gerne angenommen, das belegen die Panama Papers. Die Offshore-Dokumente zeigen, wie zwielichtige Gestalten im Schutz der Anonymität in Deutschland Geld verstecken können. Hotels, Bürotürme, Eigentumswohnungen, Pflegeheime, Supermärkte, eine Burg - das Spektrum ist groß. So sucht etwa ein millionenschwerer US-Amerikaner, der um jeden Preis anonym bleiben möchte, laut den Dokumenten nach "Offshore in Deutschland", also nach "steuerneutralen Investitions-Möglichkeiten", wie es Mossack Fonseca in einem internen Memo zusammenfasst. Ein Mitarbeiter der Kanzlei macht dem Kunden, den alle ausschließlich mit dem Pseudonym "Father" ansprechen, den Kauf mehrerer Pflegeheime in Norddeutschland schmackhaft . Die Pflegebranche boome in Deutschland, es sei ein sehr sicheres Geschäft, versichert Mossfon.

Eine sichere und lukrative Investitionsanlage sind offenbar auch deutsche Supermärkte: In den Panama Papers finden sich Hinweise auf Briefkastenfirmen, die Grundstücke diverser Filialen besitzen: Aldi, Netto, Lidl, Rewe - kaum eine Kette, die nicht betroffen ist. Die Briefkastenfirmen, und damit die Supermärkte, gehören alle zu 93 Prozent einem britischen Immobilieninvestor, zu sieben Prozent einer anderen Briefkastenfirma. Diese sogenannten Share-Deals sind eine weit verbreitete Praxis. In Deutschland spart man sich dadurch die Grunderwerbsteuer, weil nicht das Grundstück direkt, sondern nur Unternehmensanteile verkauft werden - ein attraktives Steuerschlupfloch für Großinvestoren, das mit Hilfe von billigen Briefkastenfirmen genutzt wird.

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