Kriminalität:Ehrenmord in Pakistan: Täter zum Tode verurteilt

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"Heute wird die Seele meiner Tochter in gewissem Maße zufrieden sein", sagte der Vater der getöteten Noor Mukadam nach dem Urteil. (Foto: Farooq Naeem/AFP)

Eine junge Frau aus der High Society von Islamabad wurde ermordet, nachdem sie einen Heiratsantrag zurückgewiesen hatte. Der Fall ist nur ein Extrembeispiel von alltäglichen Femiziden in Pakistan.

Von David Pfeifer, Manila

Eine Frau wird von dem Mann, der vorgab, sie zu lieben, zwei Tage lang festgehalten, gequält, vergewaltigt und am Ende von ihm geköpft - weil sie seinen Heiratsantrag abgelehnt hat. Die Ermordung von Noor Mukadam erschütterte Pakistan im Juli des vergangenen Jahres. Dort gibt es eine traurige Tradition an Femiziden. Nicht nur die besondere Brutalität des Falles sorgte dafür, dass Frauenrechtsgruppen im ganzen Land auf die Straßen gingen. Der Fall war vor allem unzweifelhaft durch Kameras dokumentiert.

Opfer und Täter entstammen der High Society von Islamabad. Noor Mukadams Vater ist ehemaliger Diplomat, der Vater des Täters ein reicher Industrieller. Das Elternhaus des Täters, in dem sich der Mord ereignete, wird von Videokameras überwacht. So konnten die Ermittler im Nachhinein nachvollziehen, dass die Frau mehrfach versucht hatte zu fliehen.

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Einmal sprang sie im Verlauf der zwei Tage aus dem Fenster im ersten Stock, wurde aber im Garten des Hauses wieder gefasst und nach drinnen gezerrt. So konnte auch festgestellt werden, dass noch zwei Angestellte anwesend waren. Weder der Sicherheitsmann noch der Gärtner unternahmen etwas, um der Frau zu helfen. Sie hatten sie sogar daran gehindert, die Villa zu verlassen.

Der Täter wurde zum Tode verurteilt

Der Täter, Zahir Jaffer, 30, wurde am Donnerstag zum Tod durch Erhängen verurteilt. Seine Eltern, die im Zusammenhang mit der Vertuschung des Mordes angeklagt waren, wurden freigesprochen. Der Gärtner und der Sicherheitsmann wurden zu je zehn Jahren Haft wegen Beihilfe verurteilt.

Noor Mukadams Vater, Shaukat Ali Mukadam, sagte Reportern vor dem Gerichtssaal: "Heute wird die Seele meiner Tochter in gewissem Maße zufrieden sein. Was den Hauptangeklagten betrifft, so sind wir glücklich". Gegen die Eltern von Jaffer will er noch mal vor Gericht ziehen. Die Bemühungen der wohlhabenden Familie, den Sohn vor einer Verurteilung zu schützen, hatten für weitere Empörung gesorgt. Zahir Jaffer selbst hatte versucht, sich vor Gericht als unzurechnungsfähig auszugeben.

Shaukat Ali Mukadam dankte auch den Medienvertretern, dass sie den Fall weiter in der Aufmerksamkeit gehalten hatten. Verurteilungen nach sogenannten Ehrenmorden sind in Pakistan äußerst selten. Obwohl es keine zuverlässigen Daten gibt, liegt die Verurteilungsquote bei Gewaltverbrechen gegen Frauen nach Schätzungen der Vereinten Nationen zwischen ein und 2,5 Prozent - viele Opfer schweigen lieber.

Etwa 1000 Frauen werden in Pakistan jedes Jahr bei Ehrenmorden getötet

Human Rights Watch weist in einem aktuellen Bericht darauf hin, dass in Pakistan jedes Jahr etwa 1000 Frauen bei Ehrenmorden getötet werden. "Gewalt gegen Frauen und Mädchen - einschließlich Vergewaltigung, Mord, Säureangriffe, häusliche Gewalt und Zwangsheirat - ist in Pakistan weit verbreitet." Noor Mukadam, zum Zeitpunkt ihrer Ermordung 27 Jahre alt, und ihr Mörder gehörten der jungen, gebildeten Elite Islamabads an. Das half der Frau allerdings nicht, als sie seinen Heiratsantrag ablehnte.

Nachdem Details des Verbrechens an die Öffentlichkeit drangen, entstanden die Gruppen "#EndFemicide" und "#JusticeForNoor" auf Twitter, es wurden Mahnwachen gehalten. Viele Frauen trauten sich, Fälle von häuslicher und sexueller Gewalt anzuzeigen. Durch die Tat wurde klar: Wenn es sogar in der höchsten Gesellschaftsschicht passieren kann, dann sind arme Frauen ihren gekränkten Männern vollständig ausgeliefert.

Die Gerichte in Pakistan sind nicht immer eine Hilfe. Vor einer Woche erst wurde der Bruder der Influencerin Qandeel Baloch nach nur sechs Jahren Haft vom Rest seiner lebenslangen Haftstrafe freigesprochen. Er hatte den Mord an seiner Schwester gestanden und damit begründet, dass diese durch freizügiges Posieren in sozialen Netzwerken Schande über die Familie gebracht habe. Seine Familie hatte um Straferlass angesucht. Die Mutter war nach dem neuen Urteil sehr froh, den Sohn wiederzubekommen, "auch wenn wir immer noch um den Verlust unserer Tochter trauern".

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