Treffen in Skopje:Die OSZE bleibt arbeitsfähig

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Sie darf vorerst im Amt bleiben: OSZE-Chefin Helga Schmid. (Foto: Sebastian Gollnow/AFP)

Nach vielen Vetos werden die Amtszeiten des Spitzenpersonals für neun Monate verlängert. Der russische Außenminister spürt seine Isolation und nennt seinen US-Kollegen Blinken einen "Feigling".

Von Matthias Kolb, Skopje

Die 57 Mitgliedstaaten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) haben sich darauf geeinigt, die Amtszeiten ihres Spitzenpersonals um neun Monate zu verlängern. Damit können neben OSZE-Generalsekretärin Helga Schmid auch die Portugiesin Teresa Ribeiro als Beauftragte für Medienfreiheit und der Kasache Kairat Abdrachmanow als Hoher Kommissar für nationale Minderheiten bis Anfang September 2024 weitermachen. Gleiches gilt für den Italiener Matteo Mecacci, der das in Warschau ansässige Menschenrechtsbüro ODIHR leitet.

"Wir haben die Organisation gerettet", verkündet Bujar Osmani, der Außenminister des aktuellen Vorsitzlandes Nordmazedonien. Dass wegen eines russischen Vetos nicht das Nato-Mitglied Estland, sondern das neutrale Malta 2024 die Geschäfte der weltweit größten Sicherheitsorganisation führen wird, stand bereits vor Beginn des Treffens der Außenminister fest. Für diese Aufgabe ist die Hilfe des Generalsekretariats sehr wichtig.

Um den Kompromiss wurde wochenlang gerungen

Der Kompromiss, um den wochenlang gerungen wurde und den zuletzt nur Russland per Veto blockierte, sichert vorerst die Arbeitsfähigkeit der OSZE. Bereits 2021 war beschlossen, dass Finnland 2025 den Vorsitz übernimmt, um nach 50 Jahren der Gründung der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) zu gedenken. Aus diesem Dialogforum zwischen Ost und West entstand 1994 die OSZE. Die in Helsinki beschlossene Schlussakte gilt bis heute als wichtiges Dokument der Organisation und enthält Prinzipien wie die "Unverletzlichkeit der Grenzen", die "Enthaltung von der Androhung oder Anwendung von Gewalt" oder die "friedliche Regelung von Streitfällen".

Diese Grundsätze werden von Russland spätestens seit dem 24. Februar 2022 mit dem Krieg gegen die Ukraine verletzt. Diese Überzeugung wird in Skopje von allen anderen Mitgliedern außer Belarus zum Ausdruck gebracht. Weil Russlands Außenminister Sergej Lawrow teilnimmt, hatten Polen, die Ukraine und die baltischen Staaten das Treffen boykottiert - und mehrere Minister und Botschafterinnen verließen während Lawrows Rede den Raum.

In einer Pressekonferenz vor seiner Abreise wirft er US-Außenminister Antony Blinken und dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell Feigheit vor, weil sie direkten Gesprächen aus dem Weg gegangen seien. "Sie glauben wahrscheinlich, dass sie damit ihre Absicht unterstreichen, Russland zu isolieren", sagt Lawrow und ätzt, beide hätten "Angst vor jedem ehrlichen Gespräch mit Fakten".

Lawrow nutzt seinen Auftritt, um die russischen Kriegsziele zu bekräftigen

Blinken und Borrell hatten am Mittwoch an einem informellen Abendessen in Skopje teilgenommen. Dass außer Belarus und Russland alle anderen 55 Mitglieder anwesend waren, illustriert Moskaus "diplomatische Isolation", die etwa US-Botschafter Michael Carpenter bestätigt sieht. Andere Diplomaten führen an, dass die Vertreter der zentralasiatischen Staaten die EU-Forderung nach einer Verlängerung um zwölf Monate unterstützten und ihre Reden auf Englisch und nicht auf Russisch hielten. Solche Kleinigkeiten werden ebenso registriert wie die Tatsache, dass Usbekistan Russland nicht das Recht überließ, die erste Rede im Plenum zu halten.

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Stolz präsentiert das russische Außenministerium Fotos von Lawrows Treffen mit seinen Amtskollegen aus Ungarn und Österreich, doch auch diese verurteilen Russland öffentlich scharf. "Es gibt nur eine Person, die den Krieg heute beenden kann, und das ist Wladimir Putin", sagte etwa der Österreicher Alexander Schallenberg am Donnerstag, der im Auftrag der OSZE für das Personalpaket bei Lawrow warb. Dieser nutzt seinen mehr als einstündigen Presseauftritt dafür, die russischen Kriegsziele zu bekräftigen und die ukrainische Regierung als Nazis zu beschimpfen. Dem Westen gibt er die Schuld an der Krise der OSZE und bezeichnet das Spitzenpersonal als "Marionetten".

Für die OSZE bedeutet die Neun-Monate-Lösung wohl, dass im Sommer 2024 um eine weitere Verlängerung des Viererpakets verhandelt werden muss. Angesichts der aktuellen Lage scheint das übliche Bewerbungsverfahren inklusive Anhörungen nicht machbar. Denn alle Kandidaten und Kandidatinnen müssten zu Russlands Krieg gegen die Ukraine Stellung nehmen und würden entweder Moskau oder Kiew und dessen Partner gegen sich aufbringen.

Vieles spricht dafür, dass Russland sein Vetorecht auch 2024 oft einsetzen wird. Außenminister Osmani bestätigt, dass Russland weiter den OSZE-Haushalt blockiert - und zwar seit 2021. "Die Organisation blutet aus", klagt er, denn so können keine neuen Stellen bei den zwölf Feldmissionen geschaffen und Anpassungen an die hohe Inflation vorgenommen werden.

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