Omid Nouripour im Gespräch:"Roland Koch ist gnadenlos gescheitert"

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Omid Nouripour wurde Politiker, um Roland Koch zu stoppen. Im Gespräch mit sueddeutsche.de nennt der Grüne den Abgang Kochs Wählerverachtung - und erklärt, warum der designierte Ministerpräsident Bouffier mit Kochs Linie brechen könnte.

Oliver Das Gupta

Omid Nouripour ist 1975 in Teheran zur Welt gekommen. Seit 1988 lebt er in Frankfurt am Main. Nouripour ist sicherheitspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, er ist unter anderem Mitglied im Verteidigungsausschuss. Neben der deutschen besitzt er auch die iranische Staatsangehörigkeit. Als Roland Koch 1999 eine Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft machte, wurde Nouripour aktiv: Aus dem einfachen Grünen-Mitglied wurde der Politiker Nouripour.

Roland Koch

Rückzug aus der Politik: CDU-Schwergewicht Roland Koch

(Foto: ap)

sueddeutsche.de: Herr Nouripour, 1999 gingen Sie wegen Roland Kochs Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft in die Politik. Jetzt zieht sich der CDU-Politiker zurück - wie fühlen Sie sich?

Omid Nouripour: Ganz ehrlich: Es ist eine große Genugtuung. Es ist gut, dass der Mann, der in Deutschland polarisiert hat wie kaum ein anderer, mit seiner Masche nicht durchgekommen ist. Kochs unsägliche Kampagne gegen das neue Staatsbürgerschaftsrecht hatte einen klaren ausländerfeindlichen Unterton. Da musste ich einfach aktiv werden.

sueddeutsche.de: Nun geht Koch. Sie bleiben der Politik erhalten, oder?

Nouripour: (lachend) Freunde riefen mich an und fragte mich, ob ich mir jetzt auch einen Job in der Wirtschaft suche - weil mein Grund, Politik zu machen, nun weggefallen sei. Aber ich mache weiter, auch ohne Koch.

sueddeutsche.de: Als Roland Koch seinen Rückzug erklärte, wirkte er alles andere als geknickt, im Gegenteil: Der hessische Ministerpräsident machte einen entspannten Eindruck.

Nouripour: Das macht es nicht besser. Ganz nebenbei erzählt Koch, dass er seinen Rücktritt seit einem Jahr geplant hat. Und das wusste auch die Kanzlerin. Das bedeutet: Vor etwas mehr als einem Jahr, als in Hessen Landtagswahl war, ist Koch als CDU-Spitzenkandidat angetreten, obwohl er seinen baldigen Rückzug schon im Sinn hatte. Sich wählen lassen, um dann hinzuwerfen: Das ist an der Grenze der Wählerverachtung.

sueddeutsche.de: Roland Koch hat als 14-Jähriger mit der Politik begonnen, nun sagt er: "Politik ist nicht mein Leben." Nehmen Sie ihm das ab?

Nouripour: Ich glaube, der Fall liegt anders. Koch ist ein Politik-Junkie, der nicht mehr weiter wusste. Mit seinen Positionen ist er gnadenlos gescheitert. Nichts von den wesentlichen Dingen, für die Roland Koch stand, hat noch Bestand gehabt - sei es bei der Ausländerpolitik und seinem Leitkultur-Geschwafel, sei es beim Sozialabbau oder beim Atomausstieg.

sueddeutsche.de: Sein letzter Vorstoß könnte noch Realität werden. Nach der NRW-Wahl forderte Koch, hart zu sparen - auch bei Bildung und Kinderbetreuung.

Nouripour: Damit hat er sich nicht nur eines der seltenen Machtworte der Kanzlerin eingehandelt, sondern stand sogar in seinem eigenen, sonst stramm auf ihn ausgerichteten Landesverband ziemlich alleine da.

sueddeutsche.de: Glauben Sie, Koch war politisch vereinsamt - und hat deshalb resigniert? Es gibt doch auch konservative CDU-Schwergewichte wie den Baden-Württemberger Stefan Mappus, der offen gegen Kanzlerin Merkel poltert.

Nouripour: Ob Mappus ein politisches Schwergewicht ist, wird sich noch zeigen müssen. Fakt ist: Dort, wo Roland Koch steht, befindet sich der Großteil der Partei längst nicht mehr. Vom Leipziger Parteitag von 2003, als Merkel auf Radikalinski-Tour war, bis aktuell zum Prüfauftrag für die Finanztransaktionssteuer ist ein langer Weg, den die meisten Leute in der CDU gegangen sind. Kochs Abgang ist deren Sieg.

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