Bundesfinanzminister auf USA-Reise:Seht her, ich werde respektiert

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Die Vizepräsidentin wollte den Vizekanzler nicht treffen? So what, Olaf Scholz sieht seinen Besuch in Washington als Erfolg an. (Foto: Xander Heinl/imago)

Olaf Scholz trifft in Washington seine Amtskollegin Janet Yellen. Und feiert einen internationalen Beschluss, zu dem er maßgeblich beigetragen hat. Doch zu Hause zieht Unheil herauf.

Von Cerstin Gammelin, Washington

Vor dem wichtigsten Termin seiner US-Reise trinkt Olaf Scholz noch einen Kaffee bei Zeke's Coffee. Das Café liegt auf der anderen Straßenseite, gegenüber dem Finanzministerium in Washington, dessen Chefin Janet Yellen er gleich treffen wird. Als er rüberwill ins Treasury, wird er gestoppt. Eine US-Wagenkolonne braucht freie Fahrt - Kamala Harris rauscht an ihm vorbei. Scholz dreht sich weg, es sieht aus, als ob er sich ärgere, dass die US-Vizepräsidentin, die den deutschen Vizekanzler nicht empfangen wollte, jedenfalls nicht im deutschen Wahlkampf, ihn hier auch noch warten lässt.

Der Ärger wird verflogen sein, als er Janet Yellen spricht. Die Presse darf nicht mit rein ins Treasury, aber die Aufnahmen zeigen, dass da zwei politische Profis aufeinandertreffen. Wenn sie gestikuliert, hört er zu. Wenn er spricht, schaut sie ihn an. Bei genauer Betrachtung fällt auch das auf: dass Scholz so ungewöhnlich groß aussieht neben der zierlichen Amerikanerin. Yellen lässt die Fotos in den sozialen Medien verbreiten, "Finanzministerin Yellen traf Olaf Scholz, um das kommende G-20-Treffen vorzubereiten und über die historische Einigung bei der globalen Mindeststeuer zu sprechen" - das ist das Ergebnis, dass Scholz erzielen wollte. Inhaltlich und auch von den Bildern her. Schaut, ihr Wähler, so werde ich auch regieren. Ich bin respektiert. Und Sie kennen mich. Dass es mit Harris nicht geklappt hat, dass ihm das Sahnehäubchen verwehrt wird, so what?

Wenn Wahlkampf eine Leistungsschau ist, hat Olaf Scholz in Washington gezeigt, was er so draufhat. Zu Fuß unterwegs, hat er das Regierungsviertel vermessen, mit Kongressleuten über die Mindeststeuer geredet, den Senator von Delaware - einer US-Steueroase - getroffen, um bei dem Vertrauten von US-Präsident Joe Biden für dessen Mittun zu werben. Er hat mit Vertretern von Denkfabriken debattiert und an einer Straßenecke hinter dem Kapitol die Einigung von 130 Staaten auf die globale Mindeststeuer als "kolossalen Erfolg" bezeichnet und denselben Satz verwendet, mit dem Biden in der New York Times zitiert wird: "Der Steuerwettlauf nach unten ist beendet."

Er wiederholt den Durchbruch, den breakthrough, auf Englisch, nicht brillant, aber verständlich, und pariert Fragen nach dem Bundeshaushalt und Amazon. Und redet dabei auch über röhrende Rasenmäher hinweg, die ausgerechnet dann ganz nahe kommen, als die Kamera angeht.

Schon gibt es wieder Ärger

Und seine Wahlaussichten? Kann er mit 15 Prozent Zustimmung für die SPD Kanzler werden? Ein schlumpfiges Grinsen: "Ich bin sehr zuversichtlich, dass, wenn die Leute aus dem Urlaub zurückkommen, sie dann erst richtig anfangen, darüber nachzudenken, wer sie regieren soll, und dass dann die Zustimmungswerte zur SPD steigen werden." Der Kandidat sagt das auf Englisch und die skeptische Reporterin schaut danach, als ob sie diese komische Geschichte doch für machbar hielte. Wobei es kurioserweise ja so ist, dass 15 Prozent sowohl den Umfragewerten der SPD entsprechen als auch dem globalen Mindeststeuersatz, der von 2023 an erhoben werden soll. Für die Wahlaussichten wäre die ursprüngliche Idee von Biden, den Satz auf 21 Prozent festzulegen, zielführender gewesen. Denn damit, so gehen sozialdemokratische Rechenspiele, könnte es reichen fürs Kanzleramt.

Mitten in der Freude in Washington biegt nationaler Ärger um die Ecke. Während Scholz mit Yellen spricht, wird ein Bericht des Spiegel bekannt, wonach er seine Steuerabteilung beauftragt habe, Konzepte für eine Reform der Einkommensteuer zu rechnen. Ein völlig normaler Vorgang, sagt ein Sprecher, das diene der Meinungsbildung des Ministers. Nur, parallel rechnet auch die SPD ihr Konzept durch, das ausgefeilter ist als das anderer Parteien. Das Problem: Setzte Minister Scholz Beamte für Parteizwecke ein, käme das verdeckter Parteienfinanzierung gleich. Eine Parteisprecherin sagt, das SPD-Konzept beruhe auf "Vorarbeiten der Kommission Steuern und Finanzen des SPD-Parteivorstands". Der Sachverstand der Parteispitze ist bekannt: Norbert Walter-Borjans war lange Finanzminister in Nordrhein-Westfalen. Ob das Problem damit erledigt ist, muss sich noch zeigen.

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