Gewalt gegen Frauen:Mehr als 100 Frauen richten offenen Brief an Justizminister

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Zu den Erstunterzeichnerinnen des offenen Briefes gehört die Umweltaktivistin Luisa Neubauer. (Foto: Nadja Wohlleben/Reuters)

Deutschland blockiert im EU-Rat wegen rechtlicher Bedenken eine Richtlinie zur Bekämpfung geschlechterspezifischer Gewalt. Prominente Unterzeichnerinnen fordern Marco Buschmann nun auf, die Blockade aufzuheben - zum Schutz von Millionen Frauen.

Der Druck auf Marco Buschmann (FDP) wächst: 100 namhafte Frauen aus Politik, Kultur und Wirtschaft haben einen offenen Brief an den Bundesjustizminister unterzeichnet, in dem sie die Bundesregierung dazu auffordern, ihren Widerstand gegen eine EU-Richtlinie zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt aufzugeben. Deutschland blockiert derzeit mit Ländern wie Frankreich die Richtlinie im EU-Rat.

"Mit dieser Blockade-Haltung steht der Schutz von Millionen von Frauen vor Gewalt in der EU auf dem Spiel", heißt es in dem Schreiben, das auf die Initiative von Kristina Lunz, Mitbegründerin des Centre for Feminist Foreign Policy, zurückgeht. Zu den Erstunterzeichnerinnen gehören Luisa Neubauer von "Fridays for Future" und die Menschenrechtsaktivistin Düzen Tekkal.

Deutschlands Zustimmung habe beträchtliche "Signalwirkung", glauben die Frauen

Grund für die bisherige Blockade Deutschlands sind offenbar juristische Bedenken: Ein Abschnitt der Richtlinie sieht nämlich laut EU-Kommission vor, den Tatbestand der Vergewaltigung einheitlich zu regeln. Damit würde die "Nur Ja heißt Ja"-Regelung nach schwedischem Vorbild in ganz Europa zum Standard werden. Das deutsche Justizministerium hält diesen Vorschlag jedoch für unvereinbar mit dem Europarecht. Doch weil sich die EU-Mitgliedstaaten mit dem EU-Parlament und der EU-Kommission bislang nicht einigen können, droht nun die gesamte Richtlinie zu scheitern.

Damit das nicht passiert, drängen die 100 Frauen, die den Brief unterzeichnet haben, nun darauf, dass Deutschland seine Bedenken aufgibt. Denn, so die Unterzeichnerinnen: Der im März 2022 erstmals von der EU-Kommission präsentierte Entwurf für eine Richtlinie, die Frauen in allen Ländern der EU besser vor geschlechterspezifischer Gewalt schütze, sei notwendig. Mit dem EU-Parlament, der EU-Kommission und zahlreichen Frauen- und Menschenrechtsorganisationen sei man sich einig: "Effektiver Gewaltschutz darf nicht davon abhängen, in welchem Mitgliedstaat eine Frau lebt." Die Blockade-Haltung von Ländern wie Deutschland und Frankreich gefährde die gesamte Richtlinie mit ihren vielfältigen Neuerungen, etwa im Bereich der Cyberdelikte. "Frauenrechte werden hier mit mehr als nur Füßen getreten."

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Eine klare Positionierung Deutschlands sei wichtig, "denn auch auf internationaler Ebene verspielt Deutschland sonst jede Glaubwürdigkeit und verliert an Verhandlungsmacht": Wenn ein Zugeständnis auf EU-Ebene, Frauenrechte adäquat zu schützen, ausbleibe, könne Berlin sich nicht "international als Vorreiter und Verfechter für diese Rechte positionieren". Eine Zustimmung zu einer umfassenden EU-Richtlinie hätte somit, davon sind die Unterzeichnerinnen überzeugt, "eine bedeutende Signalwirkung auch an andere Länder".

Der Appell der mehr als 100 Frauen an Justizminister Buschmann und die Bundesregierung ist deshalb deutlich: "Bitte beenden Sie sofort Ihre Blockade-Haltung und stehen Sie nicht dem Schutz von Millionen von Frauen vor Gewalt in der EU im Wege."

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