Österreich:Rosa Chatkönig

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Thomas Schmid im Zeugenstand - wiedergegeben auf den Monitoren im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landgerichts. (Foto: Georges Schneider/Imago)

Im Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz fahren seine Verteidiger eine kuriose Strategie gegen den Zeugen Thomas Schmid.

Von Cathrin Kahlweit

An diesem Freitag wurde der mittlerweile legendäre Chatkönig und Mann fürs Grobe in der ÖVP, der Ex-Beamte im Finanzministerium Thomas Schmid, zum zweiten Mal eindringlich befragt: Ob denn nun der ehemalige Bundeskanzler, Sebastian Kurz, womöglich in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu einem Thema die Unwahrheit gesagt habe, dessen wahrheitsgemäße Beantwortung ihm ohnehin nicht geschadet hätte?

Wenn Sie jetzt nur Bahnhof verstehen oder Schmid nicht kennen: Früher passte zwischen Kurz und Schmid kein Blatt, jetzt passen sie in einen Gerichtssaal, der eine als Angeklagter, der andere als Hauptbelastungszeuge. Und was die Frage von wahr und unwahr betrifft: Schmid sagt, Kurz habe sich sehr dafür interessiert, wie die Staatsholding Öbag mit zahlreichen Bundesbeteiligungen und Milliardenvermögen aufgestellt wird, weil das ja, verdammt noch mal, sein Job gewesen sei. Kurz sagt: Ich hatte, mein liebes Volk, Wichtigeres zu tun. "Verdammt noch mal" hat Schmid übrigens nicht wirklich gesagt; er ist sehr höflich vor Gericht.

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Am Freitag war die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwalt mit Fragen dran. Es war ungefähr dasselbe in Grün, was schon am Montag besprochen wurde. Deshalb widme ich mich lieber noch mal der Strategie der Verteidigung vom Montag. Die ist nämlich reichlich bizarr. Vor allem, wenn man bedenkt, in welch hohen Tönen Kurz-Anwalt Otto Dietrich vor dem Prozess gepriesen worden war.

Die Verteidigung will, was ihr gutes Recht ist, die Glaubwürdigkeit von Schmid untergraben. Und was tut sie? Erst mal untergräbt sie die eigene. Sie wirft Schmid vor, dass sich eine seiner Aussagen bei der Staatsanwaltschaft bis auf Punkt und Komma mit einem Vorhalt der Ermittler deckte. Skandalös: Hatte man Schmid also vorgesagt, was er dann nachplapperte? Der aufmerksame Kollege Stefan Melichar von Profil hat indes nachgeschaut und festgestellt, dass das Originaldokument anders aussieht als das, was die Verteidigung an Journalisten verteilt hat. Beim Blick auf das Original könnte man vermuten, dass es sich bei der Wortgleichheit nur um ein Versehen, um eine falsche Kennzeichnung der Zitate handelt.

Aus einem sehr schlechten Film könnte eine zweite Idee der Verteidiger stammen: Sie haben Aussagen zweier russischer Manager vorgelegt, die Schmid in Amsterdam wegen eines Managerjobs bei einer georgischen Ölfirma getroffen haben; er soll den völlig Fremden gestanden haben, er habe, unter Druck, gegen Kurz ausgesagt, was die Ermittler von ihm hören wollten. Wieder haben aufmerksame Kollegen, diesmal von Standard und ORF , die Spuren verfolgt, und siehe da: Diese könnten, über drei Ecken, auf FoK, auf Friends of Kurz, in Israel oder Russland oder auf den russlandfreundlichen Unternehmer Siegfried Wolf hindeuten. Was kommt als Nächstes? Ein rosa Kaninchen, türkis angemalt?

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