Österreich:Na dann prost!

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Wien, die Hauptstadt und einzige echte Metropole des Landes, war schon immer besonders. (Foto: Volker Preusser/imago images)

Wie der Aufstieg der satirischen Bierpartei in Wien zu erklären ist.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Vor einem Jahr schrieb die ehrwürdige Times, dass ein Gespenst umgehe unter Österreichs Altparteien: Eine satirische Bewegung mit einem "charismatischen Punkrock-Sänger an der Spitze" sei dabei, mit dem Versprechen von kostenlosem Bier für alle eine ernsthafte Konkurrenz im politischen Geschäft zu werden.

Der, den das britische Blatt einen Charismatiker nannte, heißt Dominik Wlazny, sein Künstlername lautet Marco Pogo, er ist studierter Arzt und Bandleader und immerhin so ernsthaft, dass er stolz ist auf seine Arbeit in der Bezirksversammlung im Wiener Stadtbezirk Simmering. Überhaupt, sagt er der SZ am Telefon, sei längst nicht mehr alles so spaßig gemeint wie bei der Gründung der Partei 2015. Dann verweist er auf seine Anträge zu Kinderbetreuung, Stadtbegrünung und Stolpersteinen.

Dominik Wlazny bei einer antifaschistischen Kundgebung in Wien im März 2023. (Foto: Franz Perc/IMAGO/CHROMORANGE)

Ganz so gruselig ist das Gespenst, die Bierpartei, auch noch nicht, als dass sich zum Beispiel die rechtspopulistische FPÖ fürchten würde, die derzeit mit 30 Prozent bundesweit die Umfragen anführt. Immerhin: Bei der Bundespräsidentenwahl vor einem Jahr schaffte es Dominik Wlazny mit 8,3 Prozent auf den dritten Platz. Und die Bierpartei macht weiter Boden gut. Laut einer Umfrage für das Boulevardblatt Heute käme der Punkrocker in der Hauptstadt Wien derzeit hinter SPÖ und FPÖ auf zwölf Prozent.

Das könne, vermutet Wlazny, nur an der engagierten Arbeit seiner Bierpartei in den Bezirken liegen, aber Scherz beiseite: Natürlich seien da auch viele Stimmen von Protestwählern enthalten, traditionelle Parteien seien mit ihren teils überholten Programmen überall am Straucheln. Und die Parteien in Wien seien ohnehin das beste Beispiel dafür, wie man es nicht macht.

Die SPÖ hat gerade ein paar Skandale zu verarbeiten

Da könnte er einen Punkt haben. SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig, der lange als mächtigster Strippenzieher in der Partei galt, hat gerade angekündigt, sich aus der Bundespolitik zurückzuziehen. Grund dürften einige Skandale sein, die heftig am Image der Supermanager im roten Wien kratzen: Milliardenhilfen für den städtischen Energieversorger. Verdacht auf lukrative Insidergeschäfte von SPÖ-Funktionären in Schrebergartenanlagen. Üppige Ausgaben für Inserate für die Parteiwerbung.

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Die ÖVP hat auch keinen Lauf in Wien, hatte sie nie; und der Chef der Landespartei erntete zuletzt viel Häme, weil er Videos davon postete, wie schrecklich verkommen und von Migranten überschwemmt die Stadt sei. Was er mithilfe von Zeugen zu belegen versuchte, die sich nicht selten als ÖVP-Funktionäre erwiesen. Überhaupt: Wiener mögen keine Kritik an Wien. Die FPÖ, die im Bund davonzieht, indem sie möglichst viel kritisiert und möglichst wenig konstruktive Politik macht, liegt in der Stadt bei 23 Prozent. Das indes ist fast schon revolutionär, um nicht zu sagen gespenstisch. Denn die Hauptstadt und einzige echte Metropole des Landes wird, bis auf die NS-Zeit natürlich, seit dem Zusammenbruch der Donaumonarchie sozialdemokratisch regiert.

Nun also ist alles im Fluss. Und Dominik Wlazny wittert seine Chance. Nach der Veröffentlichung der jüngsten Umfrage wollten wieder zahlreiche internationale Medien Interviews. Und diesmal ging es kaum noch um Bier.

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