NSU-Prozess:Warum wurde Michèle Kiesewetter getötet?

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Der damalige Innenminister Heribert Rech (Mitte) und Polizisten erweisen am 30. April 2007 ihrer ermordeten Kollegin Kiesewetter die letzte Ehre. (Foto: Norbert Försterling/dpa)
  • Nach über zehn Jahren hat die Mutter von Michèl Kiesewetter erfahren, wer ihre Tochter auf dem Gewissen hat.
  • Doch die Frage nach dem Tatmotiv bleibt ungeklärt.
  • Dass ihre Tochter aus Hass auf den Staat getötet wurde, wie die Bundesanwaltschaft meint, überzeugt die Mutter der getöteten Polizistin nicht.

Aus dem Gericht von Wiebke Ramm

Was bleibt, ist die Frage nach dem Warum. Warum wurde die Polizistin Michèle Kiesewetter getötet? Warum wurde ihrem Kollegen in den Kopf geschossen? Die Frage nach dem Warum ist die Frage, die alle Überlebenden der Anschläge und alle Hinterbliebenen der zehn Mordopfer des NSU bis heute quält.

Anwalt Stefan Gärtner vertritt die Mutter von Michèle Kiesewetter im NSU-Prozess. "Es ging ihr nie um Rache", sagt er in seinem Plädoyer vor dem Oberlandesgericht München. Es gehe ihr um Antworten: "Wer hat mein Kind getötet? Warum wurde mein Kind getötet?" Dass ihre Tochter aus Hass auf den Staat getötet wurde, wie die Bundesanwaltschaft meint, überzeugt die Mutter und den Anwalt nicht.

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Die Nebenklagevertreterin sieht keine Grundlage für eine Verurteilung von Ralf Wohlleben wegen Beihilfe zum Mord. Einige Kollegen sprechen hinterher von "Parteiverrat".

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Michèle Kiesewetter wurde im April 2007 in Heilbronn erschossen. Sie hatte mit ihrem Kollegen Streifendienst. Der Mord geschah, als die beiden im Polizeiauto saßen und Mittagspause machten. Auch ihrem Kollege wurde in den Kopf geschossen. Er überlebte schwerst verletzt.

"Ihm ist bewusst, dass er sein Leben einer Reihe glücklicher Umstände verdankt", sagt der Anwalt des Polizisten, Walter Martinek, vor Gericht. Dass er überlebt hat, grenze an ein Wunder, sagten die Ärzte. "Ob großes Glück oder kleines Wunder - beides ist aufseiten seiner Kollegin Michèle Kiesewetter nicht eingetreten. Gleiches gilt leider auch für die anderen neun Mordopfer, auch das ist meinem Mandanten sehr bewusst und wird es immer bleiben", sagt der Anwalt.

Gärtner, der Anwalt von Michèle Kiesewetters Mutter, erinnert in seinem Schlussvortrag an die Jahre der Ahnungslosigkeit nach der Tat. In alle Richtungen sei ermittelt worden, habe es geheißen - "Eine rein euphemistische Umschreibung der Rat- und Hilflosigkeit der damaligen Ermittler". Er erwähnt das sogenannte Phantom von Heilbronn, eine mysteriöse DNA-Spur, die sich schließlich als DNA-Spur einer Wattestäbchen-Verpackerin herausstellte und durch Ermittler an den Tatort gelangte. Die Ermittlungen begannen von vorn. Im November 2011 erfuhrt die Welt dann von der Existenz des NSU, von Neonazis, die jahrelang mordend durch Deutschland gezogen waren

Über das Tatmotiv kann nur spekuliert werden

"Frau Kiesewetter litt und leidet bis heute", sagt Gärtner: "Aber ihr Wunsch zu erfahren, wer ihre Tochter auf dem Gewissen hat, hat sich nach über zehn Jahren erfüllt." Für die Mutter und den Anwalt gibt es keinen Zweifel mehr, dass Uwe Mundlos Michèle Kiesewetter mit einem gezielten Kopfschuss getötet hat, Uwe Böhnhardt ihrem Kollegen in den Kopf schoss und Beate Zschäpe als Mittäterin zu verurteilen ist. Nur das Warum habe der Prozess nicht beantworten können. Solange Zschäpe schweige, könne über ein Tatmotiv nur spekuliert werden.

Auch Anwalt Martinek sagt, dass das Motiv nach wie vor unklar sei. Das von Zschäpe selbst genannte Motiv, Mundlos und Böhnhardt hätten sich durch den Mord Polizeiwaffen beschaffen wollen, ist für ihn keine ausreichende Erklärung. Mundlos und Böhnhardt konnten überhaupt nicht wissen, dass Michèle Kiesewetter und ihr Kollege an dem Tag zu der Zeit am Tatort sein werden, betont der Anwalt. Er hält es für naheliegend, dass Mundlos und Böhnhardt aus einem ganz anderen, nicht bekannten Grund vor Ort waren. Möglicherweise hätten sich die beiden durch Michèle Kiesewetter und ihren Kollegen bei irgendetwas gestört gefühlt, sagt Martinek. Er räumt ein: Auch dies sei nur eine Spekulation.

Martinek kritisiert, dass keine weiteren Ermittlungen zu möglichen weiteren Beteiligten erfolgt seien. Dabei hätten Zeugen verdächtige Personen in Tatortnähe wahrgenommen. Zweifel an der Täterschaft von Mundlos und Böhnhardt hat er dennoch nicht - "unabhängig von der Frage, ob es weitere Beteiligte vor Ort gab oder nicht". Er nennt die Dienstwaffen der Polizisten, die im ausgebrannten Wohnmobil in Eisenach neben den Leichen der beiden Uwes lagen. Er nennt die Hose von Mundlos mit Blutanhaftungen von Michèle Kiesewetter, die im Brandschutt des letzten Verstecks der mutmaßlichen NSU-Terroristen in Zwickau gefunden wurde. Und er nennt Zschäpes eigene Aussage, wonach Mundlos und Böhnhart ihr gegenüber die Tat eingeräumt hätten.

Ganz am Ende seines Plädoyers wendet sich Anwalt Gärtner erneut direkt an die Angeklagte. Er sagt: "Michèle liebte ihren Beruf. Sie war mit ganzem Herzen Polizistin. Heute wäre sie 33 Jahre alt, hätte mit Sicherheit ihren beruflichen Weg gemacht und eine Familie gegründet." Nun ist sie tot. "Zurückbleibt eine verzweifelte Familie, Frau Zschäpe. Denken Sie darüber einfach mal nach."

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