Wie kann es sein, dass das Neonazi-Trio Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos unerkannt in Sachsen untertauchen konnten? Haben möglicherweise die sächsischen Behörden geschlampt? Diese Fragen soll der sächsische NSU-Ausschuss nun klären, den der Landtag gerade gewählt hat.
Bis zum Ende der Legislaturperiode 2014 soll der Ausschuss mögliche Versäumnisse der Behörden und der schwarz-gelben Landesregierung im Zusammenhang mit der Terrorzelle untersuchen. Mit dabei: Ein Rechtsextremer. Der NPD-Politiker Arne Schimmer sitzt neben Vertretern von CDU, Linke, SPD, FDP und Grünen im Ausschuss.
"Als die Ergebnisse bekannt wurden, gab es so etwas wie ein Aufatmen im Landtag darüber, dass die Wahl von Schimmer funktioniert hat", sagt der CDU-Politiker und Ausschussvorsitzender Patrick Schreiber im SZ-Gespräch. Denn Fakt ist, dass es ohne Schimmer keinen NSU-Ausschuss gegeben hätte. Laut Geschäftsordnung kann ein solches Gremium nur dann eingesetzt werden, wenn jede Fraktion durch mindestens ein Mitglied vertreten ist.
Aufgrund ihrer Fraktionsstärke im sächsischen Landtag konnte die NPD nur einen Kandidaten aufstellen, der bei der Wahl mehr Ja- als Nein-Stimmen benötigte. Das gelang Arne Schimmer - mit den Ja-Stimmen aus anderen Fraktionen. Obwohl die NPD im sächsischen Landtag mit nur acht Mitgliedern vertreten ist, erhielt der ehemalige Pressesprecher 18 Stimmen. Für ein Statement war er nicht zu erreichen.
Da die Wahl geheim war, bleibt unklar warum Abgeordnete anderer Fraktionen mit Ja stimmten anstatt sich wie üblich zu enthalten. "Möglicherweise hatten sie Angst, dass einige Abgeordnete doch gegen die NPD stimmen würden und der Ausschuss damit scheitern würde", sagt Patrick Schreiber. Eine Angst, die nicht ganz unberechtigt war. Den 18 Ja-Stimmen für Schimmer stehen 17 Nein-Stimmen gegenüber. Mit einer Ja-Stimme weniger wäre der Ausschuss gescheitert. Dessen Mitglieder können nun Einsicht in Akten und Geheimdokumente nehmen und Zeugen verhören.
Da die NPD dies ausnutzen könnte, hatte sich die schwarz-gelbe Koalition lange gegen den NSU-Ausschuss ausgesprochen. Im deutschen Bundestag und in Thüringen gibt es bereits entsprechende Gremien.
Dass jetzt auch ein Ausschuss in Sachsen zustande gekommen ist, entspreche vor allem dem Willen der Opposition, sagt Patrick Schreiber. Er akzeptiere diese Entscheidung, befürchtet aber, dass die NPD die Akteneinsicht missbrauchen könne, um an Informationen für ein mögliches Verbot der Partei zu kommen. Arne Schimmer aufgrund seiner Parteizugehörigkeit den Zugang zu bestimmten Informationen zu verwehren, hält Patrick Schreiber für unmöglich. "Solange es kein Verbot gibt, ist die NPD Teil des sächsischen Landtages und hat die gleichen Rechte wie die anderen Parteien", sagt er. Dennoch wolle man Einzelfälle juristisch überprüfen.
"Die NPD bekommt keine Mehrheit"
Als "unruhig" bezeichnet der Linken-Abgeordnete Klaus Bartl die aktuelle Stimmung innerhalb der sächsischen NPD. Es könnten weitere Verbindungen zwischen der Partei und dem NSU offengelegt werden, glaubt Bartl. Der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses hält die Diskussionen über das mögliche Zurückhalten von Informationen jedoch für Unsinn. Die NPD sei vor allem an Informationen über die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes interessiert. Und diese seien in den Akten immer geschwärzt.
Schimmer kennt er bereits aus einem anderen Ausschuss. Wenn er anwesend war sei er immer sehr zurückhaltend gewesen. Besondere Initiative erwartet Bartl deswegen auch im NSU-Ausschuss nicht von dem NPD-Mann. "Und wenn er einen Antrag stellt, wird er sowieso abgelehnt. Die NPD bekommt keine Mehrheit."