Nordrhein-Westfalen:Einfluss ja, Eingriff nein

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Die Talbrücke Rahmede der Autobahn 45 bei Lüdenscheid ist seit anderthalb Jahren gesperrt. Für die Region ist das ein Desaster. (Foto: Dieter Menne/dpa)

NRW-Regierungschef Hendrik Wüst bestreitet jede Verantwortung für die Sperrung der Rahmede-Talbrücke im Sauerland - und für das tägliche Verkehrschaos dort.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat Vorwürfe zurückgewiesen, er trage als früherer Verkehrsminister des Bundeslandes eine Mitverantwortung für die Totalsperrung der Autobahn A45 zwischen Dortmund und Frankfurt am Main. Die "Sauerlandlinie" ist seit Dezember 2021 in Höhe der Stadt Lüdenscheid unterbrochen, weil die Talbrücke Rahmede baufällig ist. Die Opposition von SPD und FDP wirft dem Christdemokaten seit Wochen vor, er trage als ehemaliger Minister die Verantwortung für die (aus heutiger Sicht falsche) Entscheidung, einen Neubau mehrmals bis ins Jahr 2026 zu verschieben.

Während einer Sondersitzung des Verkehrsausschusses im NRW-Landtag bestritt Wüst am Montag, während seiner Zeit als Verkehrsminister (von Juni 2017 bis Oktober 2021) je detailliert über den Zustand der heute einsturzgefährdeten Brücke informiert worden zu sein. Zwar räumte Wüst ein, dass er während seiner mehr als vierjährigen Zeit als Verkehrsminister an vielen Sitzungen teilgenommen habe, die um die überlastete A45 kreisten.

Dabei, so der Jurist Wüst wörtlich, sei es jedoch "nie um eine Problematisierung mit akutem Handlungsbedarf mit Blick auf diese Brücke" gegangen. Die Entscheidung, welches Bauwerk wann saniert oder durch einen Neubau ersetzt werde, träfen allein Ingenieure und Fachbeamte. Zwar könne er als Minister "immer Einfluss nehmen". Aber er habe "nicht tief in die Fachlichkeit eingreifen" wollen.

Er habe "nicht tief in die Fachlichkeit eingreifen" wollen, sagt Nordrhein-Westfalens früherer Verkehrsminister und jetziger Ministerpräsident Hendrik Wüst. (Foto: Rolf Vennenbernd/DPA)

Wüsts Darstellung bestätigte im Kern auch die Straßenbau-Managerin Elfriede Sauerwein-Braksiek. Die heutige Regional-Direktorin der bundeseigenen Autobahn-GmbH war schon früher für die berüchtigte Brücke zuständig, als diese noch bis Ende 2020 der Landesbehörde "Straßen.NRW" unterstand. Die Ingenieurin erklärte am Montag, die Rahmede-Talbrücke habe seit Jahren die eher schlechte, aber für den Verkehr noch ausreichende Zustandsnote 3,0 gehabt: "Die Talbrücke ist nie als Problemfall thematisiert worden." Erst im Dezember 2021 habe man die dramatischen Verformungen im Stahlbeton entdeckt und die Brücke sperren müssen. Seitdem rollen täglich bis zu 6000 Lastwagen durch Lüdenscheid.

Gleichwohl erwägen die Fraktionen von SPD und FDP weiterhin, die Causa Rahmede-Brücke zum Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu machen. Hintergrund ist, dass Wüsts früheres Ministerium wiederholt bestritten hatte, nach dem Zuständigkeitswechsel vom Landesbetrieb "Straßen.NRW" zur Autobahngesellschaft des Bundes zum Jahreswechsel 2020/2021 noch Akten zu der maroden Brücke zu besitzen. Inzwischen scheint jedoch klar zu sein, dass nur die sogenannte Projektakte für das Bauwerk den Besitzer wechselte. Die heutige Bundesangestellte Sauerwein-Braksiek betonte am Montag jedenfalls, ihr lägen Teile der damaligen Brückenbauplanung - sogenannte allgemeine Geschäftsakten - nicht vor.

Die Opposition in Düsseldorf verweist seit Wochen darauf, in den bisher von der Landesregierung bereitgestellten Akten würden E-Mails zwischen der Staatskanzlei und dem Verkehrsministerium fehlen. Nun scheint es, als wären weitere Dokumente verschollen. Wann die kaputte Brücke gesprengt wird oder bis wann eine neue Brücke im Rahmede-Tal stehen soll, blieb am Montag weiter offen.

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