Auch bald eine Woche nach dem Putsch in Niger bleibt die Lage im Land, in dem sich deutsche Staatsbürger aufhalten und die Bundeswehr operiert, unübersichtlich. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte am Montag in Berlin, die Dinge befänden sich "im Fluss", und führte aus: "Es gibt durchaus die Möglichkeit, dass dieser Putsch scheitert." Alle Bemühungen der internationalen Gemeinschaft und einflussreicher innerafrikanischer Gruppen seien darauf ausgerichtet, die verfassungsmäßige Ordnung wiederherzustellen und den abgesetzten demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum freizulassen.
Die Bundesregierung hatte bereits vergangene Woche alle Entwicklungshilfe-Zahlungen an die Regierung von Niger eingestellt und am Montag beschlossen, die Entwicklungszusammenarbeit auszusetzen. Niger gehört zu den ärmsten Ländern der Welt und ist auf internationale Hilfe angewiesen. Deutschland gehört zu den wichtigsten Unterstützern.
Am Freitag hatte sich die Armeespitze zur neuen Regierung ernannt und ausländische Mächte vor Angriffen gewarnt. Angesichts von Drohungen afrikanischer Staaten, die demokratische Ordnung mit Waffengewalt wiederherzustellen, laufen derzeit diplomatische Bemühungen um eine friedliche Lösung des Konflikts auf Hochtouren. Zu größeren gewaltsamen Ausschreitungen ist es in Niger bislang nicht gekommen.
Das Botschaftspersonal arbeitet vom Stützpunkt der Bundeswehr aus
Das Auswärtige Amt sowie das Verteidigungsministerium halten eine Evakuierungsoperation daher für derzeit nicht notwendig, dennoch stellt sich die Bundesregierung für den Notfall darauf ein, einzugreifen. Im Land halten sich nach Informationen des Außenamtes eine hohe zweistellige Zahl an deutschen Staatsbürgern auf. Dazu kommen etwa 100 Bundeswehrsoldaten, die in Nigers Hauptstadt Niamey einen Stützpunkt unterhalten, ein Luftdrehkreuz, das bislang dazu diente, den Bundeswehreinsatz im Nachbarland Mali logistisch zu versorgen.
Das Botschaftspersonal ist aus Sicherheitsgründen auf dem Stützpunkt untergekommen und arbeitet von dort aus. Alle seien wohlauf, hieß es am Montag in Berlin. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sagte am Rande eines Truppenbesuchs, alle Optionen würden geprüft. "Wir warten keineswegs nur ab." Bislang gebe es aber keinen Grund zur Annahme, dass deutsche Soldatinnen und Soldaten gefährdet seien. Im Auswärtigen Amt sollte am Montag der Krisenstab zusammenkommen, um über die Entwicklungen zu beraten.
Die Bundeswehr steckt mitten im Abzug aus dem Nachbarland Mali. Gut 1000 Soldaten sind dort als Teil der UN-Friedensmission "Minusma" noch in Gao stationiert, mehrere Hundert Containerladungen mit Ausrüstung und Material müssen bis spätestens Jahresende außer Landes gebracht werden, weil der Einsatz auf Drängen der malischen Machthaber beendet wurde.
"Oberste Priorität hat, dass unsere Soldaten gesund aus Mali abziehen können."
Seitdem sich nämlich auch in Mali Militärs an die Macht geputscht hatten, war die Zusammenarbeit mit den internationalen Truppen, die das Land im Kampf gegen islamistische Terrorgruppen unterstützen sollten, in den vergangenen zwei Jahren immer schwieriger geworden. Das Problem liegt nun darin, dass die Bundeswehr die Rückverlegung maßgeblich über ihr Luftdrehkreuz in Niamey abwickeln wollte. Es liegt mit 400 Kilometern Luftlinie nahe genug an Gao dran, damit Flugzeuge mit wenig Treibstoff starten, dafür aber mit viel Fracht beladen werden können.
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Niger galt den Deutschen als verlässlicher Partner. Seit Beginn des Putsches ist der nigrische Luftraum gesperrt. Der Abzug ist damit faktisch zum Erliegen gekommen. Das versetzt auch die Bundeswehr in Unruhe.
"Die Situation vor Ort ist ausgesprochen ernst", sagte die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), der Süddeutschen Zeitung: "Oberste Priorität hat, dass unsere Soldaten gesund aus Mali abziehen können." Der CDU-Verteidigungsexperte Henning Otte sieht das Verteidigungsministerium in der Verantwortung, "einen alternativen Standort neben Niamey für den geordneten Abzug aus Mali" zu suchen. Bei der Bewertung Nigers sei die Bundesregierung "zu euphorisch" gewesen.