Nicaragua:Verschwindet, Schwestern

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Nonnen aus dem Orden von Mutter Teresa kommen in Costa Rica an - in Nicaragua sind sie unerwünscht. (Foto: Priest Sunil Kumar/Reuters)

In Nicaragua geht Machthaber Daniel Ortega immer brutaler gegen Andersdenkende vor. Sogar Nonnen von Mutter Teresas Orden mussten nun das Land verlassen.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Es war eine traurige Prozession, die sich vergangenen Mittwoch in Peñas Blancas abspielte. 18 Nonnen von Mutter Teresas Orden "Missionarinnen der Nächstenliebe" überquerten zu Fuß den Grenzposten von Nicaragua nach Costa Rica, ihre wenigen Habseligkeiten verpackt in Tüten und Taschen.

Mehr als drei Jahrzehnte lang hatten die "Missionarinnen der Nächstenliebe" in Nicaragua Gemeinde- und Sozialarbeit geleistet. Sie betrieben eine Unterkunft für missbrauchte und verstoßene Jugendliche, eine Kindertagesstätte und ein Altenheim. Doch Ende Juni entzog das Parlament in Nicaraguas Hauptstadt Managua dem Orden seine Rechtspersönlichkeit. Eine Woche später mussten die Nonnen das Land verlassen, begleitet von einer Polizeieskorte.

Mit der Ausreise der Nonnen schließt sich ein trauriges Kapitel in der an traurigen Kapiteln nicht armen Geschichte Nicaraguas. Erst kamen die Konquistadoren, die raubend, plündernd und mordend durch das zentralamerikanische Land zogen. Die Bevölkerung wurde versklavt, und wer all das überlebte, wurde unter der spanischen Kolonialherrschaft weiter ausgebeutet.

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Auf die Unabhängigkeit folgten Bürgerkriege und die blutige Diktatur des Somoza-Clans. Jahrzehntelang beherrschte er das Land eisern, erst 1979 konnte der letzte Diktator gestürzt werden, von Rebellen der links-sozialistischen Sandinistischen Befreiungsfront. Sie übernahm die Regierung, organisierte Landreformen, Bildungsprogramme und freie Wahlen. Einer ihrer Kämpfer wurde schließlich zum Präsidenten gewählt, Daniel Ortega, Schnurrbart, große Brille, hochgekrempelte Ärmel.

Gefürchtet von den USA als angeblicher Spion Moskaus, wurde der von der globalen Linken gefeierte Ortega in Nicaragua zur Hoffnungsfigur. Es ist eine bittere Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet er nun sein Land in die Diktatur zurückführt, aus der er einst half, es zu befreien.

Die Presse wird gegängelt, Oppositionspolitiker werden eingesperrt

Nach mehreren gescheiterten Versuchen gewann Ortega 2006 abermals die Präsidentschaftswahlen. Schon damals war das Ergebnis umstritten. Eigentlich hätte er laut Verfassung dann 2011 auch nicht erneut zu Wahlen antreten dürfen, ein Gericht ließ seine Kandidatur aber zu. Wieder gab es Klagen über Unregelmäßigkeiten, wieder gewann am Ende Ortega, so ging das weiter, 2016 und 2021.

Längst kontrolliert Ortegas Partei das Parlament, seine Frau ist Vizepräsidentin. Die Presse wird verfolgt und gegängelt, Oppositionspolitiker, Aktivisten und Journalisten werden eingesperrt, unter Bedingungen, die Menschenrechtler als katastrophal beschreiben. "Sie lassen sie Stück für Stück sterben, ganz langsam", sagt die Tochter des inhaftierten Leiters der Tageszeitung La Prensa. Tatsächlich starb Anfang dieses Jahres schon Hugo Torres Jiménez in Haft, eigentlich ein Held der Sandinistischen Revolution, der einst geholfen hatte, Ortega aus dem Folterknast der Somoza-Diktatur zu befreien.

War die Situation schon angespannt, hat sie sich nach landesweiten Protesten 2018 noch verschlechtert. Vor ein paar Tagen erst hat die Regierung mit Polizeigewalt die letzten fünf Rathäuser übernommen, die noch von der Opposition dominiert waren. In den vergangenen Jahren wurden Gesetze verschärft, Universitäten geschlossen. Hunderten Nichtregierungsorganisationen wurde die Arbeitserlaubnis entzogen, unter ihnen Menschenrechtsprojekte, medizinische Hilfsdienste, die PEN-Vereinigung und auch der Orden der "Missionarinnen der Nächstenliebe".

1988, während seiner ersten Präsidentschaft, hatte Daniel Ortega sich noch mit Ordensgründerin Mutter Teresa getroffen. Nun wirft seine Regierung den Schwestern unter anderem vor, nicht genügend Auskunft gegeben zu haben über ihre Finanzierung.

Dahinter, glauben Beobachter, steckt der Konflikt zwischen der Regierung von Ortega und der katholischen Kirche. Bei den Protesten 2018 gaben Priester den Demonstranten Schutz in ihren Kirchen; Geistliche gehören heute zu den letzten offenen Kritikern des Regimes. Ein Bischof musste wegen Morddrohungen schon das Land verlassen, im März entzog die Regierung dann dem Apostolischen Nuntius die Akkreditierung, was einer Ausweisung des vatikanischen Botschafters gleichkommt. Nun also auch noch die Nonnen vom Orden der "Missionarinnen der Nächstenliebe".

"Seid willkommen, Schwestern", schrieb der Bischof von Tilarán in Costa Rica auf Facebook. Auf der anderen Seite der Grenze, in Nicaragua, sprach Silvio José Baéz von der Erzdiözese Managua dagegen von tiefer Trauer: "Nichts rechtfertigt es, die Armen ihrer karitativen Hilfe zu berauben."

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