Neuer Außenminister:Westerwelle hebt ab

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Letzte Tipps von Steinmeier, Vorstellung im Auswärtigen Amt, dann zum EU-Gipfel, wo die Kanzlerin eine Ausnahme für ihn macht: Der erste Amtstag des neuen Außenministers Guido Westerwelle.

D. Brössler

Am Donnerstag, 12.32 Uhr, ist es soweit: Guido Westerwelle hebt ab. Zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel sitzt er an Bord der Konrad Adenauer. Der Airbus der Flugbereitschaft startet in Richtung Brüssel. Eine "glückliche Fügung" findet Westerwelle es, dass am Tag seines Amtsantritts das Gipfeltreffen der Europäischen Union beginnt. Da habe man alle beisammen, die es nun kennenzulernenen gelte. Auch aus Sicht der Kanzlerin ist das praktisch.

Noch schnell ein Statement vor dem ersten Abflug: Der neue Außenminister Westerwelle vor dem Regierungsjet. (Foto: Foto: dpa)

Deshalb hat sie den neuen Außenminister ja auch eingeladen, gemeinsam nach Brüssel zu fliegen. Auf dem kurzen Flug hat sie Gelegenheit, den Neuen in ein paar Einzelheiten einzuweihen. Auch wichtige Personalien sind zu besprechen. Jene etwa, wer den Posten des Präsidenten der EU bekommen soll. Schon in den vergangenen Wochen haben die Kanzlerin und ihr neuer Vize immer wieder auch über solche Themen gesprochen - und große Übereinstimmung festgestellt, wie betont wird.

Tag der Harmonie

Überhaupt ist, zumindest für Westerwelle, in dieser bemerkenswerten Woche der Donnerstag der Tag der Harmonie. Überwog davor vielleicht die Genugtuung, liegt dem Minister nun daran, der Würde des Amtes Genüge zu tun.

Als er am Morgen im Auswärtigen Amt eintrifft, ist er über sensible Sicherheitsfragen bereits unterrichtet, hat auch schon ein Telefonat mit dem israelischen Außenminister Avigdor Lieberman hinter sich und spürt das Gewicht neuer Verantwortung.

Zur Amtsübergabe empfängt Frank-Walter Steinmeier, der sein Büro längst geräumt hat, den Liberalen zu einem Gespräch. Es verläuft freundlich, der scheidende Minister spendet auch noch ein paar Tipps für den EU-Gipfel. Den beiden hilft in diesem Augenblick, dass politische Konkurrenz bei ihnen nie in persönliche Gegnerschaft umgeschlagen ist. Steinmeier hat im Februar eine Westerwelle-Biografie vorgestellt, und in einer anderen Welt hätte Steinmeier den FDP-Chef sicher gerne als Außenminister in sein Kabinett geholt.

Es ist bekanntlich anders gekommen. Und so muss Steinmeier an diesem Morgen seinen letzten Gang im Ministerium antreten. Nach vier Jahren im Amt und nach, wie ein dienstbarer Geist im Haus ausgerechnet hat, 406 Tagen im Ausland.

Ovationen vfür Steinmeier

Ein Stockwerk die Treppe hinunter begleitet er seinen Nachfolger in den holzgetäfelten Weltsaal, in dem sich die Beamten des Auswärtigen Amtes versammelt haben. Alle Plätze sind belegt, viele Mitarbeiter stehen in den Gängen. Eher noch als für den Neuen ist dies für den Scheidenden eine Stunde der Wahrheit. Zu nicht ernst gemeinten Freundlichkeiten besteht nun kein Anlass mehr.

Und so darf Steinmeier die Ovationen der Mitarbeiter als Beleg dafür nehmen, dass er es zu einiger Beliebtheit gebracht hat in seinem Amt. "Vier gute Jahre für das Auswärtige Amt liegen hinter uns", lobt Staatssekretär Reinhard Silberberg.

Amtsübergabe in den Ministerien
:Time to Say Goodbye...

In Berlin haben die Minister der großen Koaltion die Amtsgeschäfte an ihre Nachfolger übergeben - die einen mit einem kräftigen Händedruck, die anderen mit Tränen in den Augen. In Bildern.

Als Steinmeier dann zu Beginn seiner Abschiedsrede den "sehr geehrten Herrn Außenminister" und "lieben Herrn Westerwelle" begrüßt, erntet er Lacher im Publikum. Noch ist die Anrede ungewohnt. Dass sich das schnell, sehr schnell, ändern wird, weiß jeder im Saal. Steinmeier versteht damit umzugehen.

Zwei, die sich verstehen: Kanzlerin Merkel und ihr Außenminister Westerwelle in Brüssel (Foto: Foto: ddp)

Es sei doch eine "Auszeichnung für unser Gemeinwesen", wie das jetzt alles ablaufe: Der bisherige Oppositionsführer werde Außenminister, der Außenminister werde Oppositionsführer. Wie es sich gehört in einer Demokratie.

Ein paar letzte Ratschläge gibt der Alte dem Neuen mit, jenen etwa, dass Standfestigkeit auch gegenüber Freunden zur Jobbeschreibung gehört. Er erinnert an den Streit über die Raketenabwehr, den er seinerzeit mit seiner US-Kollegin Condoleezza Rice ausgetragen hat.

"Manchmal muss man sich in einer solchen Situation gegen Freunde und Partner stellen", mahnt er. Es mag dies ein Wink mit den Zaunpfahl sein, ansonsten aber hält sich Steinmeier mit Belehrungen zurück. Das Auswärtige Amt versteht sich als Elite unter den Ministerien, dazu gehört auch eine gewisse Noblesse bei der Amtsübergabe.

Westerwelle trifft in dieser Hinsicht sofort den Ton. "Sie haben sich um unser Land verdient gemacht", würdigt er seinen Vorgänger. Und er gibt zu verstehen, dass er das auch gerne hören würde, wenn er das Außenministerium eines Tages verlässt.

Eine Grundsatzrede hält Westerwelle vor der versammelten Mannschaft nicht, das wird auch nicht erwartet. Aber er verspricht Kontinuität, so viel jedenfalls wie in der deutschen Außenpolitik seit je üblich ist. Dahinter stehe keine "Ideenlosigkeit, sondern die Fortsetzung einer großen Erfolgsgeschichte".

In Brüssel geht es zur Sache

Ein paar Schwerpunkte nennt Westerwelle dann doch noch. "Das Projekt der Ostpolitik bedarf noch der Vollendung", sagt er - ganz in der Tradition liberaler Außenpolitik, die das Amt 29 Jahre lang geprägt hat.

Auch sein Vorbild Hans-Dietrich Genscher lässt Westerwelle nicht unerwähnt. Der Minister sei nicht nur zu Gerechtigkeit, sondern auch zu Loyalität gegenüber seinen Mitarbeitern verpflichtet, zitiert er aus Genschers Antrittsrede 1974. Er verschweige nicht, bekennt nun der politische Enkel, "ich habe Respekt vor der Aufgabe".

Stunden später in Brüssel geht es bereits zur Sache. Vor dem Ratsgebäude entsteigt Westerwelle zusammen mit Merkel einer dunklen Limousine. Die Kanzlerin sagt vor den Kameras etwas zu ihren Erwartungen beim Streitthema Klimaschutz.

Danach erklärt Westerwelle, er sei "zuversichtlich, dass wir gemeinsam viel für Europa erreichen können". Üblicherweise überlassen die Regierungschefs den Außenministern vor Gipfelbeginn nicht das Wort.

Merkel macht eine Ausnahme. Heute.

© SZ vom 30. Oktober 2009/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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