SPD-Vize Stegner über neues Maaßen-Treffen:"Es ist eine Stärke, falsche Entscheidungen in Frage zu stellen"

Lesezeit: 3 min

SPD-Vize Ralf Stegner lobt Parteichefin Andrea Nahles. (Foto: dpa)
  • Die Causa Maaßen wird nochmals aufgerollt. Die Kanzlerin will eine "tragfähige Lösung" noch am Wochenende.
  • Dass SPD-Chefin Nahles um eine neue Diskussion über Maaßens Zukunft gebeten hat, verursacht viel parteiinternes Lob.
  • Aber für Kritik sorgt weiterhin, dass es diesen Groko-Streit überhaupt geben musste.

Nach tagelangen Diskussionen über die Zukunft des amtierenden Verfassungsschutzchefs Hans-Georg Maaßen wollen die Spitzen der Koalitionsparteien das Thema neu aufrollen - und noch an diesem Wochenende zu einer Entscheidung kommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte am Freitagabend an, CDU, CSU und SPD wollten "im Laufe des Wochenendes" eine "gemeinsame, tragfähige Lösung" finden. Wann und wo sich Merkel mit Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer sowie der SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles trifft, ist unklar. Aus Koalitionskreisen heißt es, dass die drei noch vor ihrem Treffen eine Einigung finden wollen. Am Samstag werde das Treffen wohl nicht stattfinden, sagten Insider der Nachrichtenagentur Reuters.

Am Dienstag hatten sich die drei noch darauf verständigt, dass Maaßen seinen Posten als Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz zwar räumen muss, dafür aber als Staatssekretär ins Innenministerium wechseln darf. Er wäre dort für Cyber- und Informationssicherheit und öffentliche Sicherheit zuständig und würde Gunther Adler, Bau-Experte und einziger Sozialdemokrat unter Seehofers Staatssekretären, ersetzen. Die Entscheidung hatte an der SPD-Basis sowie unter prominenten SPD-Politikern für Empörung gesorgt. Nahles wertete diesen Schritt nach breiter Kritik am Freitag in einem Brief an Merkel und Seehofer als Irrtum und bat um eine Neuverhandlung; die Chefs der Unionsparteien stimmten zu.

Streit um Verfassungsschutzchef
:Merkel zum Fall Maaßen: "Tragfähige Lösung" noch am Wochenende

Nach einer Welle der Empörung über Maaßens Beförderung zum Staatssekretär hatte SPD-Chefin Nahles ein Gespräch gefordert, die Kanzlerin und CSU-Chef Seehofer zeigen sich aufgeschlossen.

Von Mike Szymanski

Angesichts der vereinbarten Neuverhandlung erhält Nahles jetzt Rückendeckung aus den eigenen Reihen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sagte, Nahles habe "die vielen kritischen Stimmen" sehr ernst genommen. Sie habe "erkannt und offen eingeräumt", dass die ursprüngliche Entscheidung "mit dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen nicht vereinbar war". Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer betonte in den Tagesthemen: "Natürlich kann man sich auch mal irren."

SPD-Vize Ralf Stegner stellt Bedigungen für die angestrebte Entscheidung über Maaßens Zukunft. "Er muss abgelöst werden, kann dann aber auch nicht befördert werden", sagte Stegner am Samstag dem NDR. Er gehe davon aus, dass alle Parteichefs der Koalition dies nun verstanden hätten. "Es ist eine Stärke, falsche Entscheidungen in Frage zu stellen und sie zu korrigieren", lobte Stegner den Kurswechsel von Nahles. Dies werde dazu beitragen, Vertrauen wiederherzustellen. Stegner machte den Bundesinnenminister für die neue Koalitionszankerei verantwortlich: "Seehofer bringt uns mit seinen Eskapaden immer wieder in die Bredouille, statt die Arbeit zu erledigen, die die Bürger von ihm erwarten", sagte der SPD-Vize. Der CSU-Chef hatte sich hinter Maaßen gestellt.

Nahles' parteiinternen Kritiker der vergangenen Tage zeigten sich erleichtert. Bayerns SPD-Chefin Natascha Kohnen etwa betonte im heute journal, Nahles müsse jetzt erreichen, dass Maaßen nicht befördert werde und auch nicht mehr Geld und Verantwortung erhalte. Das Ganze müsse so gelöst werden, "dass jeder, einfach jeder wirklich sagen kann: Das ist nachvollziehbar".

Doch es gibt weiterhin Kritik an dem Streit der Groko-Spitze, der der zweite innerhalb der ersten paar Regierungsmonate war.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier forderte, die Koalition müsse ihre ständigen Streits überwinden. Die Bundesregierung habe bis heute nicht richtig Tritt gefasst. "Die Bevölkerung hat den Eindruck, dass Union und SPD einen Großteil ihrer Kraft dafür brauchen, um sich irgendwie mit sich selbst zu beschäftigen", sagte der CDU-Vize, der sich Ende Oktober einer Landtagswahl stellen muss, der Funke-Mediengruppe. "Was wir in den vergangenen Wochen erlebt haben, war so unnötig wie ein Kropf."

Nach Ansicht von CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer geht es bei den Gesprächen nun auch um die Frage, "ob sich alle Koalitionsparteien weiter hinter dem gemeinsamen Auftrag versammeln können". Dies schrieb Kramp-Karrenbauer in einer der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Mail an die CDU-Mitglieder. In der Mail heißt es, die CDU habe seit der Bundestagswahl alle Kraft daran gesetzt, dem Auftrag der Wähler gerecht zu werden und eine stabile Regierung zu bilden. "Dieser Erwartung sind wir in den letzten Monaten bis in die letzten Tage auch nach Meinung vieler Mitglieder nicht immer so gerecht geworden, wie es unser eigener, auch mein Anspruch ist." Sie sei der Überzeugung, dass die Erwartungen besser erfüllt werden könnten. "Es darf jetzt keinerlei Zweifel mehr daran geben, dass alle Regierungsparteien in der Lage und willens sind, sich um das zu kümmern, was den Menschen wirklich am Herzen liegt."

Der frühere SPD-Parteichef Sigmar Gabriel verlangt gar einen Neustart der Groko. "Wenn die große Koalition nicht schafft, was die Menschen von ihr erwarten, nämlich Stabilität und Handlungsfähigkeit, hat sie ihre Existenzberechtigung verloren", sagte Gabriel dem Spiegel.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) kommentierte die aktuelle politische Entwicklung in einer Rede bei der Bürgerstiftung Berlin am Freitagabend so: "Ich zitiere Forrest Gump: Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie, was man kriegt."

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