Da ist er wieder. Aber nicht als trauriger Tropf oder Gruselopa aus einer vergilbten Zeit, in der es noch kein Youtube gab, sondern als Machtpolitiker und Herrscher, als Antisemit und Demagoge. Hitler - der alles überragende "Führer", der Autokrat, der alle Räder der Politik des Dritten Reiches bestimmte, skrupellos flexibel und hemmungslos machtbewusst zugleich.
Nun also: Noch eine Biografie - und die Frage: Was gibt es Neues über den "Führer" zu berichten? Die Messlatte dafür liegt mit Ian Kershaws zweibändigem Werk hoch, erzählte der britische Zeithistoriker doch beides zusammen: die Lebensgeschichte des deutschen "Erlösers" und die Sehnsüchte, die große Teile der deutschen Gesellschaft mit einer autoritären, rassistischen Politik verbanden.
Eine ganze Generation an Historikern hat sich seit den 1970er-Jahren die Finger wund geschrieben gegen die billigen Entlastungsversuche der alten Eliten, die Deutschen seien von Hitler "verführt" worden. Schließlich hatte die Dämonisierung des "Führers" als allumfassender, autokratischer Über-Diktator vielfach dazu beigetragen, nicht über die eigene Begeisterung für den Nationalsozialismus Rechenschaft ablegen zu müssen.
Peter Longerich ist ein ausgezeichneter Kenner der Geschichte des Nationalsozialismus und ein erfahrender Biograf, der selbst erheblich zur Aufarbeitung der NS-Geschichte beigetragen hat.
Seit Langem beschäftigt er sich mit den nationalsozialistischen Funktionseliten, mit Himmler und Goebbels und - in mehreren wichtigen Büchern - mit dem Mord an den europäischen Juden. Longerich schreibt an gegen die Vorstellung, Hitler sei ein "schwacher Diktator" gewesen, einer, der, wie es der kürzlich verstorbene Hans Mommsen formuliert hatte, "häufig unsicher, ausschließlich auf die Wahrung seines Prestiges und seiner persönlichen Autorität bedacht" gewesen sei. Stattdessen will er wieder Hitler selbst ins Zentrum der Analyse nationalsozialistischer Herrschaft stellen.
Longerichs Perspektive hat durchaus etwas für sich. Kein Zweifel: Adolf Hitler hatte auf zahlreichen Politikfeldern das Heft des Handelns in der Hand: Außenpolitik, Aufrüstung, Judenpolitik - Hitler war die zentrale Kraft des Dritten Reiches, keineswegs nur Projektionsfläche, sondern für zahlreiche Konflikte die letzte Instanz. "Im Mittelpunkt des Dritten Reiches stand ein entschlossener Diktator, der diesen Prozess auf allen Ebenen formte, sämtliche Energien auf seine Person ausrichtete und sich eine Machtfülle erarbeitete, die ihm einen beispiellosen Handlungsspielraum eröffnete."
Aus einem "Niemand" des Ersten Weltkrieges war mit Unterstützung der Münchner völkischen Kreise der große nationalistische Trommler geworden, dessen Aufritte bis ins letzte Detail choreografiert waren. Nur: wirklich sensationell wird man diese Erkenntnisse nicht nennen können.