Bundeswehr:So will Pistorius die Litauen-Brigade stemmen

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Verteidigungsminister Boris Pistorius (Mitte) besucht die deutsche Brigade in Litauen. Er möchte dort drei Bataillone der Bundeswehr stationieren. (Foto: Mindaugas Kulbis/DPA)

Tausende Soldaten aus Bayern und NRW sollen die Nato-Ostflanke verstärken - ein solches Auslandsprojekt gab es in der Bundeswehr noch nie. Die CDU kritisiert, die Finanzierung sei völlig unklar.

Von Georg Ismar, Berlin

Für Boris Pistorius ist es gar nicht leicht, Markus Söder und Hendrik Wüst persönlich zu informieren. Der bayerische und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident sind in den Irrungen und Wirrungen des Bund-Länder-Marathons auch für einen Bundesminister der Verteidigung in Berlin nicht so ohne Weiteres zu erreichen. In den Bundesländern der beiden Unionsmänner sind die beiden Bataillone stationiert, die den Kern der von Pistorius (SPD) geplanten neuen Litauen-Brigade bilden sollen.

Seit Pistorius Ende Juni überraschend den Plan angekündigt hat, rumort es in der Truppe, es gibt viele offene Fragen. Etwa, was das kosten wird. Im Haushalt ist bisher zwar ein Leertitel dafür angemeldet, aber das Volumen kann von Pistorius noch nicht beziffert werden. Wird es zwangsweise Versetzungen geben, wenn nicht genug Soldaten dazu bereit sind, für mindestens drei Jahre nach Litauen zu ziehen? Bis wann werden Panzer und anderes Material für die Truppen in Deutschland ersetzt?

Es ist ein so bisher nie da gewesenes Projekt für die Bundeswehr. Für Tausende Familien bedeutet es, ab 2025 dauerhaft in das Baltikum umzusiedeln, damit dort mit deutscher Hilfe die Nato-Ostflanke gegen Russland geschützt werden kann. Konkret geht es um das Panzergrenadierbataillon 122 aus Oberviechtach in Bayern sowie das Panzerbataillon 203 aus Augustdorf in NRW.

Eine Schwächung der Standorte will die Bundeswehr vermeiden

Pistorius will weiter auf Freiwilligkeit setzen. Es soll die üblichen Auslandszuschläge geben, die Litauer bauen bereits Unterkünfte, Schulen und Kitas für die deutschen Soldaten und ihre Familien. Die neue "Brigade Litauen" soll neben Führungs- und Unterstützungselementen aus drei Kampftruppenbataillonen bestehen. Als drittes Bataillon vorgesehen ist die rotierende "Enhanced Forward Presence Battlegroup", die ohnehin bereits in Litauen im Einsatz ist und von Deutschland geführt wird.

Für die Entscheidung der beiden Bataillone aus Bayern und NRW wurden laut Ministerium neben der "Kampfkraft" auch Ausbildungs- und Übungsmöglichkeiten und "die regional unterschiedliche Personalgewinnungslage" berücksichtigt. Die Verlegung der Bataillone soll aber an beiden Standorten kompensiert werden, um eine Schwächung der Standorte zu vermeiden. In Augustdorf soll das Panzerartilleriebataillon 215 neu aufgestellt werden und nach Oberviechtach soll das Artilleriebataillon 131 aus Weiden verlegt werden. Dort wiederum ist der weitere Ausbau des neu aufgestellten Panzerartilleriebataillons 375 vorgesehen.

Die Litauen-Brigade ist als fester Bestandteil des Nato-Großprojekts Division 2025 geplant - im Fall der Fälle soll sie zügig verlegt werden können. Der Zeitplan ist ambitioniert: Ein Vorkommando soll im zweiten Quartal 2024 die Arbeit in Litauen aufnehmen, der Aufstellungsstab der neuen Litauen-Panzerbrigade im vierten Quartal 2024 dort sein. Von 2025 an wird dann schrittweise der Aufbau der Brigade erfolgen.

Insgesamt sind für das Projekt 5000 Personen vorgesehen. Benötigt werden auch Spezialisten für Flugabwehr und Artillerie, Sanitätskräfte, Feldjäger, IT- und Verwaltungsexperten. Zu den ganzen Details kommen von den Soldaten bei Besprechungen mit Generalinspekteur Carsten Breuer viele Fragen, etwa ob man bei einer Versetzung am Ende auch wieder an den Standort in Deutschland zurückkommt, wo man vielleicht gerade ein Haus gebaut hat.

Pistorius spricht von einem "neuen Kapitel in der Geschichte der Bundeswehr"

"Die Brigade Litauen ist das Leuchtturmprojekt der Zeitenwende. Das Heer hat in kurzer Zeit einen sehr ausgewogenen Vorschlag ausgearbeitet", betont Pistorius, der damit zeigen will, dass Deutschland auch mehr Verantwortung übernimmt. Er selbst hat zuletzt den Begriff "kriegstüchtig" gebraucht. "Wir werden trotz Aufstellung der Brigade in Litauen nicht nur die Standorte in Deutschland erhalten, sondern die Stationierung an den Standorten mittelfristig auf einem vergleichbaren Niveau halten."

Mit der Entscheidung hätten die betroffenen Truppenteile mit ihren Soldatinnen, Soldaten und zivilen Mitarbeitern frühestmöglich Klarheit und Zeit, sich auf die Veränderungen einzustellen. Es gehe hier um ein "neues Kapitel in der Geschichte der Bundeswehr".

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Von der Opposition kommt Zustimmung, aber auch Kritik. "Endlich steht zumindest grob die Struktur der Brigade fest", sagt die CDU-Verteidigungspolitikerin Serap Güler der Süddeutschen Zeitung. Dass trotz der Verlegung ganzer Bataillone aus Deutschland keine Bundeswehrstandorte aufgegeben würden, sei zu begrüßen. Aber die konkrete Umsetzung sei leider weiterhin offen.

"Wo genau die Soldatinnen und Soldaten herkommen sollen, die weiterhin auf freiwilliger Basis im Baltikum stationiert werden sollen, steht ebenso in den Wolken wie die zentrale Frage der Finanzierung des gesamten Projekts", kritisiert Güler. "Bisher ist kein Cent hierfür im Verteidigungshaushalt eingeplant." Auf diese offenen Fragen erwarte man "zeitnah Antworten des Verteidigungsministers".

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